Chinesische Raumstation vor Absturz
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Fraunhofer-Instituts für Hochfrequenzphysik und
Radartechnik astronews.com
27. März 2018
Die chinesische Raumstation Tiangong-1 steht kurz
vor dem Absturz. Bereits 2016 war der Kontakt zu dem experimentellen Modul
abgebrochen, inzwischen hat Tiangong-1 so viel an Höhe verloren, dass
ein Wiedereintritt über die Ostertage wahrscheinlich ist. Für den
deutschsprachigen Raum besteht keine Gefahr. Trotzdem wird das Schicksal der
Station hier mit Interesse verfolgt.
Radarabbildung von Tiangong-1 aufgenommen mit
dem Weltraumradar TIRA bei einer Bahnhöhe von ca.
270 km über der Erde. Der Hauptkörper und die
Solarpaneele der Raumstation sind deutlich zu
erkennen.
Bild: Fraunhofer FHR [Großansicht] |
Die chinesische Raumstation Tiangong-1 wird in wenigen Tagen in die
Erdatmosphäre eintreten und zu einem großen Teil verglühen. Dabei können auch
Trümmerteile den Erdboden erreichen. Aktuell wird der Absturz zwischen dem 30.
März und dem 2. April erwartet. Tiangong-1 kreist unkontrolliert und
mit einer Geschwindigkeit von ca. 29.000 Kilometern pro Stunde um die Erde.
Die Wissenschaftler des Fraunhofer Institut für Hochfrequenzphysik und
Radartechnik (FHR) in Wachtberg bei Bonn beobachten Tiangong-1 bereits
seit Wochen mit ihrem TIRA (Tracking and Imaging Radar) System, einem der
leistungsfähigsten Radare zur Weltraumbeobachtung weltweit, um das nationale
Weltraumlagezentrum und die ESA mit ihrer Expertise bei den
Wiedereintrittsprognosen zu unterstützen. Nach Verlust des Funkkontakts mit Tiangong-1
im Jahr 2016 ist es aufgrund der niedrigen Bahnhöhe unausweichlich, dass die
chinesische Raumstation in die Atmosphäre der Erde eintreten wird.
Durch ihre Größe von ca. 10,4 Metern mal 3,4 Metern und einem Gewicht von 8,5
Tonnen ist davon auszugehen, dass zumindest Teile davon die Erdoberfläche
erreichen können. Nur wenige Sensoren auf der Welt sind in der Lage
Weltraumobjekte wie Tiangong-1 präzise zu vermessen und abzubilden, um
qualitativ hochwertige Daten für Wiedereintrittsprognosen zu gewinnen. Das FHR
setzt dafür das hochempfindliche TIRA-System mit seiner 34 Meter Parabolantenne
ein. TIRA kombiniert ein Ku-Band-Abbildungsradar mit einem
L-Band-Zielverfolgungsradar.
Im Gegensatz zu optischen Systemen bieten Radarsysteme wie TIRA entscheidende
Vorteile: Vollständige Unabhängigkeit vom örtlichen Wetter, Einsatzfähigkeit bei
Tag und bei Nacht sowie eine Auflösung, die unabhängig von der Entfernung des
Objekts ist. Mit TIRA können Weltraumobjekte mit hoher geometrischer und
radiometrischer Auflösung abgebildet und deren Umlaufbahn hochgenau vermessen
werden.
Mit der präzisen Bestimmung der Bahndaten von Tiangong-1 bis zu
ihrem Wiedereintritt Ende März/Anfang April 2018, unterstützt das FHR das
Weltraumlagezentrum bei der Ermittlung der zeitlichen und örtlichen
Wiedereintrittsprognose. Auch wird regelmäßig überprüft, ob Tiangong-1
noch intakt ist oder bereits Teile abgebrochen sind. Darüber hinaus wird das
Fraunhofer FHR vom europäischen Weltraumkontrollzentrum der ESA in Darmstadt
beauftragt, das Eigenrotationsverhalten von Tiangong-1 zu bestimmen und
zu untersuchen. Diese Drehbewegung hat einen starken Einfluss auf das
Flugverhalten der Raumstation und beeinflusst somit auch den
Wiedereintrittszeitpunkt.
Aufgrund der niedrigen Bahninklination wird Tiangong-1 zwischen den
Breitengraden 43° Nord und 43° Süd in die Erdatmosphäre eintreten und birgt
folglich für Deutschland keine Gefahr. Eine genauere Ortsangabe kann erst wenige
Tage vorher abgeschätzt werden, da das Abbremsen durch die Atmosphäre von
mehreren Faktoren abhängt. Dazu gehören unter anderen die Geschwindigkeit der
Eigenrotation, wie und zu welchem Zeitpunkt Tiangong-1 in mehrere Teile zerfällt
und das Weltraumwetter.
Das Fraunhofer-Institut für Hochfrequenzphysik und Radartechnik FHR betreibt
als eines der führenden europäischen Institute umfassende Forschung im Bereich
Hochfrequenz- und Radartechnik. Mit dem Großradar TIRA verfügt das Institut über
ein System zur Weltraumbeobachtung, dessen Leistungsfähigkeit in Europa einmalig
ist. Das TIRA-System wird primär als Experimentalträger für die Entwicklung,
Untersuchung und Demonstration von Radarverfahren und Algorithmen zur Erfassung
und Aufklärung von erdumkreisenden Objekten – von aktiven Satelliten bis "Weltraummüll"
– eingesetzt.
Update (2. April 2018): Tiangong-1 ist am frühen
Morgen gegen 2:16 MESZ abgestürzt und größtenteils verglüht. Die Reste stürzten
in den Südpazifik - nicht weit von der Region entfernt, die oft auch für
kontrollierte Abstürze von Satelliten verwendet wird.
|