Rosetta-Komet jünger als gedacht?
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Bern astronews.com
5. März 2018
Wodurch erhielt der Komet 67P/Churyumov-Gerasimenko, der von
der europäischen Raumsonde Rosetta gründlich untersucht wurde,
sein ungewöhnliches Aussehen? Neue Simulationen ergaben nun, dass der Komet auch
in der späteren Entwicklungsphase des Sonnensystems entstanden sein könnte. Er
wäre damit jünger, als die Forscher bislang vermutet hatten.
Blick auf den Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko
aus einer Entfernung von etwas mehr als 100
Kilometern.
Bild: ESA/Rosetta/NAVCAM – CC BY-SA IGO 3.0 [Großansicht] |
Der praktisch zweiteilige Komet 67P/Churyumov-Gerasimenko könnte nach einem
heftigen Zusammenstoß größerer Körper entstanden sein. Solche Kollisionen gab es
auch in einer späteren Phase unseres Sonnensystems - womit der Komet viel jünger
sein kann als angenommen. Dies zeigen Computersimulationen einer internationalen
Forschungsgruppe mit Beteiligung der Universität Bern. In den
Computersimulationen ließ das Forschungsteam große Kometenkerne heftig
aufeinanderprallen und untersuchte, was danach geschah.
"Die Berechnungen zeigten, dass sich ein großer Teil des Materials in vielen
kleineren Körpern ansammelt", erklärt Martin Jutzi vom Center for Space and
Habitability (CSH) der Universität Bern und Mitglied des Nationalen
Forschungsschwerpunkts PlanetS. Die neuentstandenen Objekte haben
unterschiedliche Größen und Formen, darunter gibt es viele längliche Körper, die
zum Teil zweigeteilt sind wie der Komet 67P/Churyumov-Gerasimenko. An dessen
Erforschung war die Universität Bern bereits maßgeblich beteiligt, unter anderem
mit dem Berner Massenspektrometer ROSINA auf der Raumsonde Rosetta.
"Wir waren überrascht, dass bei den gewaltigen Kollisionen offenbar nur ein
geringer Teil des Materials beträchtlich komprimiert und erhitzt wird", so Jutzi.
Dieses Material fliegt zudem weg und trägt kaum zum Aufbau der verbleibenden
kleineren Körper bei, die eine neue Generation von Kometenkernen bilden. Auf der
dem Einschlagspunkt gegenüberliegenden Seite des Kometen überstehen flüchtige
Stoffe selbst heftige Zusammenstöße. Deshalb hat die neue Kometengeneration
ebenfalls eine geringe Dichte und ist reich an flüchtigen Stoffen -
Eigenschaften, wie sie bei 67P nachgewiesen wurden. Der entenförmige Komet kann
also durchaus nach einer heftigen, späten Kollision entstanden sein und muss
keineswegs aus der Anfangsphase des Sonnensystems stammen, wie immer wieder
behauptet. Denn solche Zusammenstöße könnten auch relativ spät noch
stattgefunden haben.
Bereits in früheren Studien waren Jutzi und Willy Benz, Astrophysiker am CSH
der Universität Bern und PlanetS-Direktor, zum Schluss gekommen, dass 67P seine
zweiteilige Form nicht bei der Entstehung unseres Sonnensystems vor 4,5
Milliarden Jahren erhalten hat (astronews.com berichtete). Damals hatten die Forscher gezeigt, dass die
Schwachstelle, der "dünne Hals" zwischen den beiden Teilen, nicht mehrere
Jahrmilliarden mit vielen Kollisionen hätte überstehen können.
Sie zeigten hingegen, dass 67P bei einem vergleichsweise sanften Einschlag
entstanden sein könnte. "Nun haben wir sehr heftige Zusammenstöße untersucht,
bei denen viel mehr Energie involviert ist", erklärt Jutzi. Die neuen
Berechnungen bestätigen die früheren Resultate und erweitern die möglichen
Entstehungsszenarien. Das Forschungsteam untersuchte, was passiert, wenn
verschieden große Körper in unterschiedlichen Winkeln mit Geschwindigkeiten von
20 bis zu 3000 Metern pro Sekunde aufeinanderprallen.
Die Simulationen zeigten, dass sich kleine Fragmente in den Stunden und Tagen
nach der Kollision sanft wieder zu vielen vorübergehenden Ansammlungen
zusammenfügen. Die endgültige Form ist oft das Ergebnis von zwei oder mehr
größeren Körpern, die mit sehr kleinen Geschwindigkeiten aufeinander treffen und
so eine zweiteilige Struktur bilden.
Während der Tage und Wochen, in denen der Komet seine Form erhalten hat,
sammelten sich auf ihm gemäß Simulation weiterhin kleine Teile aus der Umgebung
an. In der Realität könnte dieses Material beim Auftreffen auf der Oberfläche
flach gedrückt worden sein und so zu einer Schichtstruktur geführt haben. Wenn
sich in diesem Stadium zudem große Blöcke anhäufen, werden so möglicherweise
Hohlräume geschaffen, die sich zu ausgedehnten Gruben entwickeln können. Genau
solche geologischen Strukturen hat die Rosetta-Mission auf 67P entdeckt
- Beobachtungen, die bisher als rätselhaft galten. "Unsere Ergebnisse
bekräftigen nicht nur, dass der Komet Chury viel jünger sein kann als bisher
angenommen, sondern liefern möglicherweise auch eine Erklärung für seine
auffälligen Strukturen", sagt Jutzi.
Über ihre Ergebnisse berichten die Forscher in einem Fachartikel, der in
der Zeitschrift Nature Astronomy erschienen ist.
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