Verstecktes Schwarzes Loch entdeckt
von Stefan Deiters astronews.com
17. Januar 2018
Mithilfe des Instruments MUSE am Very Large Telescope
der ESO haben Astronomen ein Schwarzes Loch mit etwa der vierfachen Masse
unserer Sonne entdeckt, das keinerlei Aktivität zeigt. Auf das Objekt aufmerksam
geworden sind die Forscher nur, weil ihnen die Bewegung eines Sterns im
Kugelsternhaufen NGC 3201 sehr merkwürdig vorkam.

So könnte das jetzt in NGC 3201 entdeckte
Schwarze Loch aussehen.
Bild: ESO / L. Calçada / spaceengine.org [Großansicht] |
Kugelsternhaufen sind gewaltige Ansammlungen von Sternen, die durch ihre
gegenseitige Anziehungskraft zusammengehalten werden. Man findet sie in den
meisten Galaxien und auch in unserer Milchstraße kennt man inzwischen rund 150
von ihnen. Sie gehören oft zu den ältesten stellaren Gebilden im Universum.
Mithilfe des Instruments MUSE, das am Very Large Telescope der
europäischen Südsternwarte ESO verwendet wird, haben Astronomen nun den
Kugelsternhaufen NGC 3201 ins Visier genommen. Er befindet sich im Sternbild
"Segel des Schiffs". Bei MUSE, die Abkürzung steht für Multi Unit
Spectroscopic Explorer, handelt es sich um einen leistungsfähigen
Spektrografen, mit dem sich die Geschwindigkeiten von Tausenden von Sternen
gleichzeitig bestimmen lassen.
So fiel den Astronomen auch auf, dass sich ein Stern in NGC 3201 äußerst
merkwürdig verhält: Er scheint mit einer Geschwindigkeit von einigen hunderttausend
Kilometern pro Stunde hin- und hergeschleudert zu werden und dies mit einer
regelmäßigen Periode von 167 Tagen. "Er umkreiste etwas vollkommen Unsichtbares,
das eine Masse hatte, die mehr als viermal so groß war wie die der Sonne – das kann
nur ein Schwarzes Loch sein!", erzählt Benjamin Giesers von der
Georg-August-Universität Göttingen. "Das erste Schwarze Loch in einem
Kugelsternhaufen übrigens, das sich direkt über seine Anziehungskraft bemerkbar
gemacht hat."
Schwarze Löcher in Kugelsternhaufen sind ein faszinierendes Thema: Man geht
davon aus, dass die Sterne in diesen Sternhaufen ungefähr das gleiche sehr hohe Alter haben, da sie alle vor sehr langer Zeit gemeinsam
entstanden sind. Aus diesem Grund sollten die massereichsten Sterne des Haufens
längst als Supernova explodiert und zu einem Schwarzen Loch oder Neutronenstern
geworden sein.
Diese stellaren Überreste dürften inzwischen die massereichsten Objekte
im Haufen darstellen, da alle massereicheren Sterne längst explodiert oder zu
Weißen Zwergen geworden sind. Nach der Theorie sollten sich die Schwarzen Löcher
dann im
Zentralbereich des Kugelsternhaufens sammeln und könnten sich dort durch nahe
Begegnungen gegenseitig aus dem Haufen "kicken", so dass heute nur noch wenige
Schwarze Löcher vorhanden wären.
Schwarze Löcher sind nur schwer aufzuspüren. Da sie von sich aus keinerlei
Strahlung abgeben, lassen sie sich nur erkennen, wenn sie gerade Material
verschlingen und dieses sich zuvor in ihrer unmittelbaren Umgebung aufheizt. Solche Schwarzen Löcher
werden "aktiv" genannt. Man kennt solche Objekte insbesondere aus
Doppelsternsystemen, bei denen ein Partner ein normaler Stern oder Riesenstern
und der andere Partner ein Schwarzes Loch ist. Hier kann das Schwarze Loch dann
ständig Material von seinem Partner abziehen. Dieses sammelt sich zuvor in einer
heißen Scheibe um das Schwarze Loch, die sich beobachten lässt.
Mit MUSE gelang es den Astronomen nun erstmals, ein Schwarzes Loch inmitten
eines Kugelsternhaufens nachzuweisen, das nicht aktiv ist, also prinzipiell
unsichtbar. Lediglich die auffällige Bewegung eines Sterns, der das Schwarze
Loch umläuft, hat das Schwarze Loch verraten. Der Stern dürfte, so die Analyse
der Forscher, die 0,8-fache Masse der Sonne haben, das Objekt, das er umkreist,
eine Masse von 4,36 Sonnenmassen. Es muss sich damit mit großer
Wahrscheinlichkeit um ein Schwarzes Loch handeln.
Beobachtungen im Radio- und Röntgenbereich hatten schon darauf hingedeutet,
dass verhältnismäßig kleine Schwarze Löcher in Sternhaufen sehr viel häufiger
sind, als man bislang angenommen hatte. Der jetzige Nachweis eines Schwarzen
Lochs in NGC 3201 ist ein weiteres Indiz für diese These.
"Bis vor Kurzem ging man davon aus, dass fast alle Schwarzen Löcher nach
kurzer Zeit aus den Kugelsternhaufen verschwinden würden und dass solche Systeme
gar nicht existieren sollten", so Giesers. "Aber offensichtlich ist dies nicht
der Fall – unsere Entdeckung ist der erste direkte Nachweis der
Gravitationswirkung eines Schwarzen Lochs mit stellarer Masse in einem
Kugelsternhaufen. Diese Erkenntnis hilft, die Entstehung von Kugelsternhaufen
und die Entwicklung von Schwarzen Löchern und entsprechenden Binärsystemen
nachzuvollziehen, was für das Verständnis von Gravitationswellenquellen
unerlässlich ist."
Über ihre Beobachtungen berichten die Astronomen in einem Fachartikel, der in
der Zeitschrift Monthly Notices of the Royal Astronomical Society
erschienen ist.
Hinweis: In einer ersten Version
des Artikel hieß es, der auffällige Stern würde sich mit einer Geschwindigkeit
von einigen hundert Kilometern pro Stunde bewegen. Es muss aber "einigen
hunderttausend" Kilometern pro Stunde heißen. Wir bitten den Fehler zu
entschuldigen.
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