Weltraumstrahlung und Mikrometeoriten im Visier
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
19. Oktober 2017
Im Rahmen des BEXUS-Programms können Studierende ein eigenes
Raumfahrtprojekt realisieren, das dann mithilfe eines Forschungsballons in die
Atmosphäre aufsteigt. In dieser Woche sind acht Experimente am Start, die sich
mit kosmischer Strahlung, neuen Antennen für die Raumfahrt, Klimaforschung und
dem Einfang winziger Meteoriten befassen.

Der Stratosphärenballon BEXUS 24 startete am
18. Oktober 2017 um 13.39 Uhr erfolgreich zu
seinem Flug vom nordschwedischen Raumfahrtzentrum
Esrange bei Kiruna. In der Gondel des Ballons
waren vier Experimente zur
Schwerelosigkeitsforschung von Studierenden aus
Deutschland, Schweden und Großbritannien
untergebracht.
Foto: DLR [Großansicht] |
Der Stratosphärenballon BEXUS 24 ist am Mittwoch, 18. Oktober 2017, um 13.39
Uhr MESZ vom schwedischen Raumfahrtzentrum Esrange gestartet. Die maximale
Flughöhe erreichte der Forschungsballon um 15.25 Uhr mit 24,6 Kilometern Höhe.
Das Trennen der Gondel vom Ballon (der sogenannte "Cut Down") und damit der
Beginn der Landung erfolgte um 17.22 Uhr.
An Bord der gemeinsamen Mission des Deutschen Zentrums für Luft- und
Raumfahrt (DLR) und der Schwedischen Raumfahrtbehörde SNSB befanden sich vier
wissenschaftliche Experimente von Studententeams aus Spanien, Italien und
Schweden. Am Freitag, 20. Oktober 2017, soll der Ballon BEXUS 25 mit vier
weiteren Experimenten folgen - hier liegt der wissenschaftliche Fokus unter
anderem auf der Untersuchung von Weltraumstrahlung. Bei BEXUS 25 sind zwei
Studententeams aus Deutschland dabei sowie je ein Team aus Schweden und
Großbritannien.
"Alle Experimente wurden von den Studenten selbst geplant, konstruiert,
gebaut und getestet", so Dr. Michael Becker, Leiter des BEXUS-Programms beim DLR
Raumfahrtmanagement in Bonn. "Das REXUS/BEXUS-Programm bietet damit Studierenden
die einzigartige Möglichkeit, ein eigenes Raumfahrtprojekt unter realen
Bedingungen umzusetzen."
Das spanische Team CADMUS (Cloud chamber for high Altitude Detection of Muons
Under Special relativity effect) der Polytechnischen Universität von Katalonien
hatte das Ziel, Elementarteilchen (Myonen), die sich nahe der
Lichtgeschwindigkeit fortbewegen, in der Atmosphäre zu messen. Myonen sind ein
Hauptbestandteil der sekundären kosmischen Strahlung. Diese sollen mit einer
sogenannten Diffusions-Wolkenkammer sichtbar gemacht und damit unter anderem die
Effekte von Einsteins spezieller Relativitätstheorie in Bezug auf Teilchen
untersucht werden. Durch die Visualisierung des Zerfalls soll die Halbwertszeit
der Elementarteilchen ermittelt und Informationen bezüglich der Produkte
kosmischer Strahlung und ihrer Zusammensetzung in großen Höhen erlangt werden.
Den Folgen von Weltraumstrahlung für elektronische Speicher ist das Team
NEMESYS (Neutron Effects on MEmory SYStems) der Universität Tor Vergata aus Rom
auf der Spur. Das Studententeam untersuchte mit seinem Experiment die Effekte
von Partikeleinschlägen auf einer Speicherplatine, also den Einfluss der
Strahlungsumwelt auf die Fehlerrate im Speicher während der Messung von
Umgebungsparametern wie Höhe, Position, Temperatur und der Detektion von
"Einschlägen". Elektronische Speicher spielen zum Beispiel als Bauteile in
Satelliten eine wichtige Rolle.
Das italienische Team DREX (Deployable Reflector Experiment) der Universität
Padova testete die Stabilität einer federbasierten Reflektorantenne in der
Stratosphäre. Der Vorteil der Antenne ist ihr sehr geringes Gewicht und die
Fähigkeit, einen Reflektor in den unteren Schichten der Atmosphäre zu entfalten.
Anwendung finden könnte eine solche Antenne bei zukünftigen Satelliten- und
suborbitalen Missionen.
Die Studenten von EXIST (Examination of Infrasound in the Stratosphere and
Troposphere) der schwedischen Universität Luleå untersuchten Infraschall in der
Stratosphäre und Troposphäre. Die Frequenz von Infraschall liegt unterhalb der
menschlichen Hörschwelle von etwa 16 bis 20 Hertz. Infraschall kommt überall in
der Natur vor, wird aber auch künstlich erzeugt, beispielsweise im Bergbau oder
von Windkraftanlagen. Mit speziellen Messinstrumenten nahm das EXIST-Team bei
BEXUS 24 Infraschall auf und analysierte das Infraschall-Spektrum in der
Polarregion, um anschließend den Ursprung der Signale zu bestimmen. Die Messung
von Infraschall kann zum Beispiel bei der Vorhersage von extremen
Wetterbedingungen und Erdbeben helfen.
Ziel des Studententeams HAMBURG (High Altitude Meteoroids-dust-catching
Balloon constrUcted by a Revolutionary Generation) von der Technischen
Universität Hamburg-Harburg ist das automatisierte Einsammeln von
Eisen-Nickel-haltigen Mikrometeoriten. Mikrometeoriten werden mit einer Größe
von unter 100 Mikrometern von Winden in der Atmosphäre aufgetrieben.
Eisen-Nickel-haltige Mikrometeorite sind ferromagnetisch und sollen deshalb
während des Flugs von BEXUS 25 in Atmosphärenschichten zwischen 5 und 20 sowie
20 und 30 Kilometern mit starken Magneten eingefangen werden, um ihre
Dichteverteilung in der Stratosphäre zu ermitteln. "Außerdem möchten wir die
Bestandteile der Mikrometeoriten im Labor analysieren. Diese Informationen
dienen nicht nur der Bestimmung des Alters, sondern auch ihrer Herkunft, und
erlauben ein besseres Verständnis dieser Partikel in der Atmosphäre. Die größte
Herausforderung war dabei das Vermeiden der Kontamination mit Teilchen von der
Erde", erklärt Teamleiter Ihsan Kaplan.
Das Team LOTUS_XD (Transmission experiment of University Students - eXtra
Data) der Technischen Universität Dresden testet Solarzellen unter
Weltraumbedingungen. Während des Fluges mit dem Stratosphärenballon soll
untersucht werden, wie sich die Solarzellen - temperaturabhängig - verhalten,
die für eine laserbasierte Energieübertragung von einem Satelliten im Orbit zu
einem Explorationsfahrzeug geeignet sind. Dabei werden die Solarzellen und die
dazugehörende Elektronik Temperaturen von bis zu minus 60 Grad Celsius
ausgesetzt. "Das Experiment soll zeigen, dass es möglich ist, im Weltraum
mithilfe der Energie von Solarzellen die Elektronik eines Fahrzeugs oder eines
Satelliten einzufrieren, wenn diese nicht benötigt wird, und bei Bedarf wieder
zu reaktiveren", erläutert Teamleiter Jan Walter den Hintergrund. "Gleichzeitig
sollen die Solarzellen für die Übertragung wissenschaftlicher Daten genutzt
werden können."
Um Klimaforschung dreht es sich beim Team IRIS (Infra-Red albedo measurements
In Stratosphere). Das Schwedische Team der Technischen Universität Luleå
untersucht mit seinem Experiment an Bord von BEXUS 25 das Verhältnis von
eingehender und reflektierter Sonnenstrahlung der Erde, also das Maß des
Rückstrahlungsvermögens. Die gewonnenen Daten sollen eine bessere Fehleranalyse
von Messungen mit Satelliten ermöglichen, da die BEXUS-Messungen direkt in den
dünnen Atmosphärenschichten durchgeführt werden. Die Ergebnisse unterstützen
zudem Untersuchungen zur Eisschmelze in den Polarregionen und damit die Frage,
wie eine reduzierte Reflektion der Sonnenstrahlung zur Klimaerwärmung beiträgt.
Mit an Bord von BEXUS 25 ist außerdem das Experiment eines Studententeams aus
Großbritannien: Die Mitglieder von SUNBYTE von der Universität Sheffield
konstruierten ein besonders stabilisiertes Teleskop, um die Sonne automatisch zu
"verfolgen" und anschließend in einem speziellen Spektralbereich des
Sonnenlichts die Strukturen der obersten Sonnenschicht zu fotografieren. Bereits
während des Flugs soll das Experiment Bilder zur Bodenstation senden.
Das deutsch-schwedische Programm BEXUS (Ballon-Experimente für
Universitäts-Studenten) ermöglicht Studierenden, eigene praktische Erfahrungen
bei der Vorbereitung und Durchführung von Raumfahrtprojekten zu gewinnen. Die
Ausschreibungen des DLR Raumfahrtmanagements in Bonn sowie der Europäischen
Weltraumorganisation ESA und des Swedish National Space Board SNSB für
BEXUS 26/27 im Herbst 2018 und das Raketenprogrammt REXUS 25/26 im März 2018
laufen bereits.
Jeweils die Hälfte der Ballon-Nutzlasten steht für Experimente von
Studierenden deutscher Universitäten und Hochschulen zur Verfügung. Die
schwedische Raumfahrtagentur SNSB hat ihren Anteil auch für Studierende der
übrigen ESA-Mitgliedsstaaten geöffnet. Die deutschen Studententeams erhalten
technische und logistische Unterstützung vom Zentrum für Angewandte
Raumfahrttechnik und Mikrogravitation (ZARM) in Bremen. Die Flüge werden von
EuroLaunch, einem Joint Venture der Mobilen Raketenbasis des DLR (MoRaBa) und
dem Esrange Space Center des schwedischen Raumfahrtunternehmens SSC,
durchgeführt.
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