Das Geheimnis der kosmischen Spindeln
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astronomie astronews.com
12. Oktober 2017
Nicht alle Galaxien sind majestätische, rotierende
Sternscheiben: Es gibt auch spindelförmige Galaxien und davon offenbar mehr, als
man lange Zeit gedacht hatte. Dies ist das Ergebnis der Auswertung der Daten der
CALIFA-Durchmusterung, die am Calar-Alto-Observatorium im Süden Spaniens
erstellt wurde. Auch eine Erklärung, wie die kosmischen Spindeln entstehen,
haben die Astronomen.

Kosmische Spindel: Diese elliptische Galaxie
ist zigarrenförmig, und ähnlich wie bei einer
Spindel rotiert sie im Mittel um ihre Längsachse.
Das Hintergrundbild ist ein Schnappschuss einer
Simulation von A. Tsatsi und Kollegen.
Bild: J. Chang, PMO / T. Müller, HdA [Großansicht] |
Wenn die Menschen an Galaxien denken, dürften sie meistens majestätische
Spiralgalaxien vor Augen haben, wie auch unsere Heimatgalaxie, die Milchstraße,
eine ist: Es handelt sich um Systeme aus Milliarden von Sternen, die sich in
einer flachen Scheibe drehen, ähnlich wie ein Rad sich um seine Achse dreht.
Aber es gibt noch eine ganz andere Art von Galaxienrotation, die man bislang für
sehr selten hielt: zigarrenförmige Galaxien, die sich wie kosmische Spindeln um
ihre Längsachse drehen.
Jetzt hat eine Gruppe von Astronomen unter der Leitung von Athanasia Tsatsi
vom Max-Planck-Institut für Astronomie eine gründliche Studie solcher kosmischen
Spindeln abgeschlossen. Anhand von Daten aus der CALIFA-Durchmusterung, einer
systematischen Studie, welche die Geschwindigkeitsstruktur von mehr als 600
Galaxien untersuchte, entdeckten die Astronomen acht bis dahin unbekannte
kosmische Spindeln. Die Anzahl der bekannten Beispiele verdoppelte sich dadurch
fast. Kosmische Spindeln sind also wesentlich häufiger, als die Astronomen
gedacht hatten.
Die genauen Daten ermöglichten es den Astronomen sogar, eine plausible
Erklärung für die Entstehung dieser kosmischen Spindeln vorzuschlagen. In der
Regel wachsen Galaxien, wenn sie mit anderen Galaxien verschmelzen. Eine Reihe
von Verschmelzungen mit kleineren Galaxien haben unsere eigene Milchstraße über
Milliarden Jahre hinweg zu einer stattlichen Sternenscheibe gemacht. Um eine
kosmische Spindel zu erzeugen, müssen zwei große Scheibengalaxien rechtwinklig
aufeinander prallen.
Während die Galaxien über Gravitationsanziehung zu interagieren beginnen,
bildet eine von ihnen einen Balken: eine langgestreckte Struktur in der Nähe des
Zentrums. Dieser Balken wird zur zigarrenartigen Form der resultierenden
größeren Galaxie, während die umlaufenden Sterne der zweiten Galaxie der
entstehenden Galaxie ihren Drehsinn aufprägen. Dieses Entstehungsszenario könnte
den ungewöhnlichen, aber nicht allzu seltenen Galaxietyp der kosmischen Spindeln
erklären.
Nachdem Tsatsis Forscherteam alle Informationen aus den CALIFA-Daten genutzt
hat, sind nun wieder die beobachtenden Astronomen am Zug: Aus den
Verschmelzungs-Simulationen ergeben sich noch weitere Vorhersagen für die
detaillierten Eigenschaften der kosmischen Spindeln. Diese lassen sich anhand
der aktuellen Beobachtungen nicht überprüfen, sollten aber mit Instrumenten wie
MUSE, dem Multi Unit Spectral Explorer am Very Large Telescope
der ESO, nachweisbar sein.
CALIFA steht für Calar Alto Legacy Integral Field Area Survey. Das
Calar Alto-Observatorium wurde 1979 gegründet und befindet sich in Andalusien in
Spanien. Es wird gemeinsam vom Max-Planck-Institut für Astronomie und dem
Astrophysikalischen Institut Andalusien betrieben. Das Observatorium hat der
CALIFA-Durchmusterung über drei Jahre hinweg 250 Beobachtungsnächte mit dem
3,5-Meter-Teleskop zugewiesen. CALIFA ist ein Gemeinschaftsprojekt von mehr als
80 Wissenschaftlern aus 25 verschiedenen Forschungsinstituten in 13
verschiedenen Ländern.
Über ihre Ergebnisse berichten die Wissenschaftler in der
Fachzeitschrift Astronomy & Astrophysics.
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