Ein neue Klasse kosmischer Radioquellen
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Hamburg astronews.com
9. Oktober 2017
Durch Beobachtungen in sehr langen Wellenlängen haben
Astronomen nun eine neue Klasse kosmischer Radioquellen aufgespürt: Im
Galaxienhaufen Abell 1033 entdeckten sie einen Galaxienschweif, der nicht etwa
langsam verblasst, sondern erneut anfängt zu glühen. Die Beobachtungen gelangen
mit einem indischen Radioteleskop und dem europäischen Radioteleskopnetzwerk LOFAR.

Der Galaxienhaufen Abell 1033. Die
LOFAR-Beobachtungen sind orange dargestellt. Die
Galaxie bewegt sich von rechts nach links, der
Schweif ist hinter der Galaxie sichtbar. Die
Partikel verblassen schon, werden aber nahe des
Zentrums der verschmelzenden Galaxien wieder mit
neuer Energie versorgt.
Bild: B. Saxton (NRAO/AUI/NSF); NASA/JPL-Caltech/UCLA [Großansicht] |
Bei Beobachtungen an Galaxienhaufen hat eine internationale Forschungsgruppe
unter Leitung von Wissenschaftlern der Universität Hamburg eine neue Klasse
kosmischer Radioquellen aufgespürt. Mit dem digitalen Radioteleskop Low
Frequency Array (LOFAR) empfingen sie die längsten Radiowellen, die auf der
Erde gemessen werden können, und spürten so einen Galaxien-Schweif auf, der nach
seinem Erblassen mit neuer Energie versorgt worden sein muss.
Wenn sie mithilfe ihrer Radioteleskope ins Weltall schauen, erkennen
Astronomen hinter einzelnen Galaxien, die einen Galaxienhaufen durchqueren,
oftmals lange glühende Schweife. Die Galaxienhaufen können Hunderte oder
Tausende Sternensysteme umfassen, bestehen jedoch hauptsächlich aus Dunkler
Materie und extrem heißem Gas. Werden im Zentrum einer Galaxie, während sie sich
durch das Gas bewegt, geladene Teilchen produziert, senden diese bei ihrer
Beschleunigung Radiowellen aus. Diese Signale werden auf den Bildern, die die
Radioteleskope liefern, als farbige Streifen dargestellt. Normalerweise
verblassen diese Leuchtspuren mit der Zeit, bis sie zuletzt gar nicht mehr zu
sehen sind.
Eine Gruppe von Wissenschaftlern aus Deutschland, Italien, den Niederlanden
und den Vereinigten Staaten, die den Galaxienhaufen Abell 1033 mit sehr
niedrigen Radiofrequenzen beobachtete, stellte jedoch fest: Einer der Schweife
verhielt sich anders als erwartet und begann, im Galaxien-Gas erneut zu glühen.
"Mit diesem Anblick haben wir nicht gerechnet", sagt Dr. Francesco de Gasperin.
Der Astronom, der die Forschungen an der Universität Hamburg leitete und
inzwischen am Observatorium Leiden in den Niederlanden arbeitet, beschreibt das
Besondere dieser "Verjüngungskur": "Weil diese Elektronenwolken ihre Energie
nach und nach freigeben, müssten sie immer schwächer werden, bis sie schließlich
verschwinden. Aber stattdessen leuchtet dieser Schweif noch nach mehr als
hundert Millionen Jahren – und das mitten im Zentrum eines Haufens, in dem
gerade mehrere Galaxien verschmelzen. Ein Teil der Energie aus dieser Kollision
muss der Elektronen-Wolke neue Energie zugeführt haben."
Der Galaxien-Haufen Abell 1033 liegt 1,6 Milliarden Lichtjahre von der Erde
entfernt. Die neue Energiequelle wurde durch Beobachtung besonders langer
Radiowellen aufgespürt: "Bei der neuen Entdeckung geht es um eine neue Klasse
von kosmischen Radioquellen", erklärt Prof. Dr. Marcus Brüggen, Professor für
extragalaktische Astrophysik an der Universität Hamburg. Diese sei noch völlig
unverstanden. "Hier werden Teilchen über lange Zeiten beschleunigt. Der
Mechanismus ist noch rätselhaft, aber wir gehen davon aus, dass es Hunderte
solcher Quellen gibt." Das neue Phänomen erinnert auch an den "Radio-Phoenix",
den Wissenschaftler der Hamburger Sternwarte bereits 2015 bei Abell 1033
beobachteten: Der Einschlag eines weiteren Galaxienhaufens hatte Partikel neu
"belebt".
Ermöglicht wurde die neue Entdeckung durch eine Kooperation zwischen dem
indischen Giant Meterwave Radio Telescope (GMRT) und dem europäischen
Low Frequency Array (LOFAR). LOFAR ist in der Lage, Radiowellen mit
einer Länge von bis zu 30 Metern zu detektieren. Das einzigartige Teleskop
verbindet tausende Antennen, die in acht verschiedenen Ländern stehen und deren
Daten in einem Supercomputer im niederländischen Groningen zusammenlaufen.
Der Rechner sammelt pro Sekunde 200 Gigabyte an Daten und bildet so ein
virtuelles Radioteleskop, das genauso groß ist wie der europäische Kontinent und
daher sehr langwellige und schwache Radiosignale auffangen kann. Die Universität
Hamburg betreibt gemeinsam mit der Universität Bielefeld eine LOFAR-Station in
Norderstedt.
Über ihre Ergebnisse berichten die Wissenschaftler in der
Fachzeitschrift Science Advances.
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