Der Lebensindikator, der keiner ist
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität zu Köln astronews.com
5. Oktober 2017
Freon-40 wird auf der Erde von zahlreichen Pflanzen,
Bakterien und Meeresorganismen produziert. Die Verbindung galt daher bislang
auch als möglicher Indikator für Leben auf anderen Planeten und Monden.
Beobachtungen des Radioteleskopverbunds ALMA und der Sonde Rosetta
haben Freon-40 aber nun an Stellen im All nachgewiesen, an denen es bislang kein
Leben gegeben haben kann.

Das Organohalogen Methylchlorid (Freon-40)
wurde mithilfe von ALMA um die jungen Sterne in
IRAS 16293-2422 entdeckt.
Bild: B. Saxton (NRAO/AUI/NSF); NASA/JPL-Caltech/UCLA [Großansicht] |
Ein Team mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unter anderem aus dem
US-amerikanischen Cambridge, Kopenhagen und Köln hat erstmals eine signifikante
Konzentration von Freon-40 in einem etwa 400 Lichtjahre entfernten jungen
Sternensystem nachgewiesen. Als Datengrundlage dienten die hochauflösenden
Aufnahmen der ALMA-Radioteleskope in der chilenischen Atacama-Wüste sowie Daten
des Massenspektrometers ROSINA an Bord der Kometensonde Rosetta.
Das auch als Methylchlorid bekannte Freon-40 (CH3Cl)
ist das erste sogenannte Organohalogen, das je im interstellaren Raum detektiert
worden ist. Organohalogene werden auf der Erde von zahlreichen Pflanzen, Pilzen,
Bakterien und Meeresorganismen produziert, sie gelten daher bislang als sichere
Hinweise auf biologisches Leben.
Für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zeigt der Fund, wie
schwierig es ist, die Anwesenheit des Lebens auf molekularer Ebene handfest zu
definieren. "Es hat uns sehr überrascht, Freon-40-Moleküle in der Nähe junger,
Sonnen-ähnlicher Sterne zu finden", sagt Edith Fayolle vom
Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics in Cambridge im US-Bundesstaat
Massachusetts. Denn in den Gebieten, wo Freon-40 vom Forschungsteam entdeckt
wurde - im Sternensystem IRAS 16293-2422 und beim Kometen 67P/
Churyumov-Gerasimenko - kann es noch kein außerirdisches Leben geben. Die
bisherige These von Freon-40 als Lebensindikator ist also nicht mehr haltbar.
"Welche Molekülstrukturen im Weltall zu finden sind, das sind
Fragestellungen, die wir auch durch Laborarbeit aufklären", erläutert Dr. Holger
S. P. Müller vom I. Physikalischen Institut der Universität zu Köln. Müller
stellte für das Team seine spektroskopische Expertise sowie die "Cologne
Database for Molecular Spectroscopy" (CDMS) bereit, die ein weltweit wichtiges
Datenrepositorium zur Identifikation von interstellaren Molekülen ist.
Die Entdeckung des Organohalogens im All lässt, wenn schon kein Beweis
außerirdischen Lebens, neue Rückschlüsse auf die Planetenentstehung zu. So
müssen Organohalogene Teil der sogenannten Ursuppe, also der Mischung
lebensermöglichender Substanzen, gewesen sein, aus der sowohl unser Planet Erde
als auch Exoplaneten entstanden sind.
"Durch das leistungsstarke ALMA-Teleskop können wir mittlerweile Moleküle
nachweisen, die Lichtjahre von uns entfernt sind", so Jes Jørgensen vom
Niels-Bohr-Institut der Universität Kopenhagen. "Der Freon-40-Fund verknüpft
unsere Vorstellungen von der prä-biologischen Chemie sogenannter Protosterne mit
den Erkenntnissen aus unserem eigenen Sonnensystem.“
Über ihre Ergebnisse berichten die Wissenschaftler in der
Fachzeitschrift Nature Astronomy.
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