Gasriese mit Titanoxid in der Atmosphäre
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
14. September 2017
In der Atmosphäre des Planeten WASP-19b ist es Astronomen
gelungen, mit Titanoxid erstmals ein schwereres Element nachzuweisen. Die Forscher konnten
so auch etwas über die Schichtung der Atmosphäre in Erfahrung bringen, die die
ferne Welt umhüllt. WASP-19b ist ein Gasriese und umrundet seinen Zentralstern
in äußert geringem Abstand alle 19 Stunden.

Der Exoplanet WASP-19b in einer
künstlerischen Darstellung.
Bild: ESO/M. Kornmesser [Großansicht] |
Seit der ersten Beobachtung eines "Exoplaneten" sind inzwischen fast
viertausend Planeten an anderen Sternen in unserer Milchstraße identifiziert
worden. Nach diesen vielen Entdeckungen wenden sich die Wissenschaftler nun
immer stärker Beobachtungen zu, die die Atmosphäre, deren Bestandteile und ihren
Aufbau, untersuchen.
Schwierig gestaltet sich insbesondere die Bestimmung der Stoffe und Elemente,
aus denen diese Atmosphären zusammengesetzt sind: Bisher konnten nur eine gute
Handvoll leichter Elemente wie Wasserstoff, Sauerstoff, Kohlenstoff so wie
Natrium und Kalium nachgewiesen werden. Nun gelang es
DLR-Nachwuchswissenschaftler Elyar Sedaghati zum ersten Mal, mit dem Molekül
Titanoxid ein schwereres Element in der Atmosphäre eines sogenannten "heißen
Jupiter" zu identifizieren.
Gemeinsam mit einem Team von neun weiteren Astronomen führte Sedaghati seine
Untersuchung des Exoplaneten mit der Bezeichnung WASP-19b mit dem Very Large
Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte ESO in Chile durch. Entdeckt
und untersucht wurde WASP-19b mit der sogenannten Transitmethode: Wenn der
Planet vor seinem Stern vorbeizieht, fällt für diesen Zeitraum messbar weniger
Licht auf den Sensor des Teleskops. Tritt diese winzige Lichtabnahme von einem
Zehntel bis zu einem Hundertstel Prozent periodisch auf, weiß der Beobachter,
dass es sich um einen Planeten handelt, der den Stern umkreist. Umgibt den
Planeten eine Atmosphärenschicht, dann wird das Sternenlicht, das durch diesen
Bereich tritt, in charakteristischer Weise verändert. Diese Signale sind winzig
klein und lassen sich nur mit hochempfindlichen Messungen und raffinierten
Auswertemethoden ausfindig machen.
"Diese Phase, wenn der Planet vor die Scheibe des Sterns tritt, ist für die
Untersuchung seiner Atmosphäre entscheidend", erklärt Sedaghati. "Winzige
Variationen der Wellenlängen und der Intensität des Lichts, das uns von diesem
Stern erreicht, ermöglichen durch einen Vergleich mit Atmosphärenmodellen die
Bestimmung von einigen Eigenschaften der Atmosphäre und deren Bestandteile. Zwei
Jahre lang haben wir diese Messungen immer wieder durchgeführt".
Das Titanoxid (chemisch: TiO) in der Atmosphäre von WASP-19b, eines
jupitergroßen Planeten, verriet sich als das Sternenlicht stark streuender
Dunst. Nicht nur die Entdeckung des vergleichsweise schweren Moleküls Titanoxid
und Wasser in der Gashülle eines extrasolaren Planeten ist von
wissenschaftlicher Bedeutung. "Es ist auch das erste Mal, dass wir etwas über
die Struktur der Atmosphäre eines heißen Riesenplaneten an einem anderen Stern
erfahren, dass er womöglich eine Schichtung hat, gewissermaßen eine
Stratosphäre", erläutert Professor Heike Rauer vom DLR-Institut für
Planetenforschung, die an der Studie mitgewirkt und Sedaghatis Doktorarbeit
betreut hat.
Ein klein wenig kann man den Titanoxid-Dunst mit der Ozonschicht auf der Erde
vergleichen: Eigentlich wird eine Atmosphäre nach oben immer kälter, doch durch
eine solche das Sternenlicht absorbierende Inversionsschicht wird es auf der
Tagseite auf einmal wieder wärmer. "Diese Beobachtung öffnet die Tür für die
Charakterisierung der Chemie von Atmosphären extrasolarer Planeten ein gehöriges
Stück", ergänzt Rauer.
Das Team der Wissenschaftler um Sedaghati beobachtete WASP-19b mit dem
FORS2-Instrument am VLT der Europäischen Südsternwarte (ESO) und sammelte
Millionen von Einzelspektren in allen Wellenlängen des sichtbaren Lichts. Um die
chemische Zusammensetzung der Atmosphäre herauszufinden, wurden spezielle
Algorithmen angewendet, die auch unterschiedliche Temperaturen und die
variierenden Eigenschaften von Wolken- und Dunstschichten berücksichtigen. Neben
Titanoxid fanden die Astronomen auch Hinweise auf Wasser und Natrium.
WASP-19b wurde bereits 2009 entdeckt. Es handelt sich um einen stark
"aufgeblähten" Riesen-Gasplaneten ähnlich dem Jupiter mit etwa elf Prozent mehr
Masse, aber einem etwa 40 Prozent größerem Durchmesser von an die 200.000
Kilometern. Die Temperatur seiner Atmosphäre dürfte bei mehr als 2000 Grad
Celsius liegen. Die Ursache hierfür liegt in einer extrem engen Umlaufbahn von
nur 240.000 Kilometern um den Stern WASP-19 im Sternbild Segel des Schiffs, den
der heiße Gasriese in nur 19 Stunden umkreist. WASP-19 ist mit mehr als 11,5
Milliarden Jahren doppelt so alt wie die Sonne und hat wie diese einen
Durchmesser von etwa 1,4 Millionen Kilometer und eine Oberflächentemperatur von
über 5000 Grad Celsius.
Rauer sieht die Studie und die Entdeckung als Schritt in Richtung eines
großen Zukunftsziels, denn die Methoden, die angewendete wurden, lassen sich mit
leistungsstärkeren Instrumenten auch auf kleinere, erdähnliche Planeten und ihre
Atmosphären übertragen: "Wir versuchen, mit vielen kleinen Schritten das Ziel zu
erreichen: Die Entdeckung von Planeten, die ähnlich wie die Erde aus Gestein
bestehen, Temperaturen haben, bei denen Wasser auf diesen Planeten vorhanden
sein kann, und die von Atmosphären umgeben sind, die Leben auf solchen Planeten
ermöglichen - eine Erde 2.0 gewissermaßen."
Über ihre Ergebnisse berichten die Forscher in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Nature erschienen ist.
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