Proton ist leichter als gedacht
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Kernphysik astronews.com
30. August 2017
Wie schwer ist ein Proton? Wissenschaftler aus Deutschland
und Japan wollten es genau wissen und haben mit Präzisionsmessungen die
Genauigkeit der bisherigen Bestimmungen um einen Faktor drei verbessert. Dabei
stellte sich heraus, dass der neue Wert signifikant kleiner ist, als der
aktuelle Standardwert für die Masse des Protons.
Penningfallen-Apparatur zur Bestimmung der
Masse des Protons.
Bild: MPI für Kernphysik [Gesamtansicht] |
Die Masse eines einzelnen Protons noch genauer zu bestimmen – das machen die
Physiker um Klaus Blaum und Sven Sturm vom Max-Planck-Institut für Kernphysik in
Heidelberg (MPIK) nicht nur "just for fun" oder um einen neuen Rekord
aufzustellen. Das Proton ist der Kern des Wasserstoffatoms und Baustein in allen
anderen Atomkernen.
Die Protonenmasse ist daher eine wichtige Größe in der Atomphysik: Sie
beeinflusst unter anderem, wie sich die Elektronen um den Atomkern bewegen. Der
Einfluss zeigt sich in den Spektren, also welche Lichtfarben (Wellenlängen)
Atome absorbieren und wieder abstrahlen können. Indem man diese Wellenlängen mit
theoretischen Vorhersagen vergleicht, kann man fundamentale physikalische
Theorien prüfen.
Des Weiteren soll ein präziser Vergleich der Massen des Protons und des
Antiprotons bei der Suche nach dem entscheidenden Unterschied – außer dem
umgekehrten Vorzeichen der Ladung – zwischen Materie und Antimaterie helfen.
Dieser Unterschied ist winzig, aber es muss ihn geben, denn das Universum
besteht praktisch vollständig aus Materie, obwohl im Urknall Materie und
Antimaterie in gleichen Mengen entstanden sein müssen.
Als geeignete "Waagen" für Ionen haben sich Penningfallen bewährt. In solch
einer Falle kann man einzelne geladene Teilchen, wie etwa ein Proton, mit Hilfe
von elektrischen und magnetischen Feldern nahezu ewig einsperren. Das gefangene
Teilchen führt in der Falle eine charakteristische Bewegung aus, die durch drei
Frequenzen beschrieben wird – und diese lassen sich messen und daraus die Masse
des Teilchens berechnen. Um dabei die angestrebte hohe Präzision zu erreichen,
war eine ausgefeilte Messtechnik erforderlich.
Der Massenstandard für Atome ist das Kohlenstoffisotop 12C, das per
Definition 12 atomare Masseneinheiten schwer ist. "Wir haben es als direkten
Vergleich herangezogen", berichtet Sturm. "Zunächst haben wir je ein Proton und
ein Kohlenstoffion in getrennten Abteilen unserer Penningfallen-Apparatur
gespeichert, dann abwechselnd je eines der beiden Ionen in das in der Mitte
liegende Messabteil geschleust und ihre Bewegung darin vermessen."
Das Verhältnis der beiden Messwerte ergibt die Masse des Protons direkt in
atomaren Einheiten. Das Messabteil ist mit einer eigens dafür entwickelten
speziellen Elektronik ausgestattet. Andreas Mooser vom japanischen
Forschungsinstitut RIKEN erklärt deren Zweck: "Sie ermöglichte es uns, das
Proton trotz seiner etwa 12-mal geringeren Masse und 6-mal kleineren Ladung
unter identischen Bedingungen zu messen wie das Kohlenstoffion."
Das Resultat für die Masse des Protons von 1,007276466583(15)(29) atomaren
Masseneinheiten ist dreimal genauer als der derzeit empfohlene Wert, wobei die
Zahlen in Klammern die statistische und systematische Unsicherheit angeben.
Jedoch ist der neue Wert signifikant kleiner als der aktuelle Standardwert.
Messungen anderer Autoren wiesen bei der Masse des Tritiumatoms, des schwersten
Wasserstoffisotops und der Masse von leichtem Helium im Vergleich zum
"halbschweren" Wasserstoffmolekül HD Unstimmigkeiten auf.
"Unser Ergebnis trägt dazu bei, dieses Rätsel zu lösen, weil es die
Protonenmasse in die richtige Richtung korrigiert", zeigt sich Blaum erfreut.
Florian Köhler-Langes vom MPIK erklärt, wie die Forscher die Genauigkeit ihrer
Messung noch weiter steigern wollen: "In Zukunft werden wir ein drittes Ion in
unserem Fallenturm speichern. Indem wir die Bewegung dieses Referenzions
gleichzeitig messen, können wir den Unsicherheitsfaktor eliminieren, der von
Schwankungen des Magnetfelds herrührt."
Über ihre Arbeit berichteten die Wissenschaftler im vergangenen Monat in den
Physical Review Letters.
|