War die Dunkle Materie einst instabil?
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Mainz astronews.com
9. August 2017
Es ist eines der größten Rätsel der astrophysikalischen und
kosmologischen Forschung: Unser Universum besteht nur zu einem geringen
Prozentsatz aus sichtbarer Materie. Den weitaus größten Teil machen Dunkle
Materie und Dunkle Energie aus. Physiker der Universität Mainz haben nun einen
neuen Vorschlag zum Ablauf der Entstehung der Dunklen Materie im jungen
Universum gemacht.

Notizen zu dem neuen, an der Universität
Mainz entwickelten Modell der Dunklen Materie.
Foto: Michael Baker, JGU [Großansicht] |
Das Universum besteht nur zu einem kleinen Teil aus sichtbarer Materie. Der
weit größere Teil ist unsichtbar und setzt sich aus Dunkler Materie und Dunkler
Energie zusammen. Während über die Dunkle Energie extrem wenig bekannt ist, gibt
es zur Existenz der Dunklen Materie viele Theorien und Experimente, die nach den
noch unbekannten Teilchen suchen.
Wissenschaftler der Johannes Gutenberg-Universität Mainz haben nun einen
neuen Vorschlag unterbreitet, wie die Bildung Dunkler Materie im frühen
Universum abgelaufen sein könnte. Das neue Modell stellt eine Alternative zum
WIMP-Paradigma dar, das derzeit in der aktuellen Forschung über verschiedene
Experimente verfolgt wird.
Dunkle Materie durchdringt das gesamte Universum, formt Galaxien und die
größten bekannten Strukturen im Kosmos. Sie macht ungefähr 23 Prozent unseres
Universums aus, während die für uns sichtbaren Teilchen, aus denen Sterne,
Planeten und auch das Leben auf der Erde besteht, nur etwa vier Prozent
beitragen. Derzeit wird angenommen, dass es sich bei der Dunklen Materie um ein
kosmologisches Relikt handelt, das seit seiner Entstehung im Wesentlichen stabil
geblieben ist.
"Wir haben diese Annahme auf den Prüfstand gestellt und zeigen, dass Dunkle
Materie zu Beginn des Universums instabil gewesen sein könnte", erklärt Dr.
Michael Baker von der Theoriegruppe am Institut für Physik der Mainzer
Universität. Diese Instabilität stellt wiederum einen neuen Mechanismus dar, der
die beobachtete Menge Dunkler Materie im Kosmos erklärt.
Die Stabilität Dunkler Materie wird normalerweise mit einem Symmetrieprinzip
erklärt. In ihrer Veröffentlichung zeigen Baker und Prof. Dr. Joachim Kopp
dagegen, dass das Universum auch durch eine Phase gegangen sein könnte, in der
die Symmetrie gebrochen war. Dies würde einen Zerfall des hypothetischen
Dunkle-Materie-Teilchens möglich machen. Während des elektroschwachen
Phasenübergangs wurde die Symmetrie wieder hergestellt, die Dunkle Materie damit
stabilisiert und ihr Vorkommen im All bis zum heutigen Tag fixiert.
Baker und Kopp führen damit ein neues Prinzip in die Diskussion um die Natur
der Dunklen Materie ein, das eine Alternative zu der verbreiteten WIMP-Theorie
darstellt. WIMPs, vom englischen Weakly Interacting Massive Particles,
also schwach wechselwirkende massereiche Teilchen, galten bislang als
hoffnungsvolle Kandidaten bei der Suche nach den Bestandteilen der Dunklen
Materie. Nach ihnen wird insbesondere in gut abgeschirmten Untergrunddetektoren
gesucht.
"Die Abwesenheit von überzeugenden Signalen motivierte uns, nach Alternativen
zum WIMP-Paradigma zu suchen", so Kopp. Der jetzt vorgestellte Mechanismus
könnte auch, so die beiden Physiker, in Verbindung zu dem offensichtlichen
Ungleichgewicht zwischen Materie und Antimaterie im Kosmos gebracht werden, wie
auch zu Signalen, die bei den anstehenden Experimenten zu Gravitationswellen
aufkommen. Baker und Kopp geben in ihrem Beitrag für das Fachmagazin
Physical Review Letters auch Hinweise zu den Aussichten, wie das neue
Prinzip am Teilchenbeschleuniger LHC und anderen Einrichtungen nachgewiesen
werden könnte.
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