Stellare Kinderstuben im jungen Universum
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Bonn astronews.com
14. Juni 2017
Mithilfe von Radiobeobachtungen können Astronomen auch in
die Kinderstuben von Sternen blicken. Jetzt wurde eine Durchmusterung von fast
11.000 Galaxien mit den schärfsten und tiefsten Radiobildern vorgestellt, die
jemals über eine große Himmelsregion gewonnen wurden. Sie liefert neue Daten
über die Sternentstehung im jungen Universum und supermassereiche Schwarze
Löcher.
Beispiele für Galaxien aus dem
VLA-COSMOS-Projekt: Grün sind der optisch
sichtbare und der nahe Infrarotbereich
dargestellt. Nur im Radiowellenbereich (rot) sind
die verborgenen Aktivitäten der zentralen
Schwarzen Löcher zu sehen.
Bild: Dr. Eleni Vardoulaki und Eric
Faustino Jimenez-Andrade (Argelander-Institut) /
VLA-COSMOS Team [Großansicht] |
Wie in menschlichen Zivilisationen schwankte auch bei Sternen die Geburtenrate
im Lauf der Zeit. Als das rund 13,8 Milliarden Jahre alte Universum etwa 2,5
Milliarden Jahre jung war, produzierten Galaxien am meisten Sterne. Diese
grundsätzliche Aussage hat ein internationales Team von Astronomen nun bestätigt
und präzisiert. Mit dem Karl G. Jansky Very Large Array Telescope im
US-Bundesstaat New Mexiko gelang den Wissenschaftlern eine Durchmusterung der
Galaxien mit den schärfsten und tiefsten Radiobildern, die jemals über eine
große Himmelsregion gewonnen wurden.
Das internationale Team beobachtete dabei fast 11.000 Galaxien auf einer Fläche
von rund neun Vollmonden. Mittels dieser einzigartigen Daten kann der
Lebenszyklus von Galaxien in den vergangenen 13 Milliarden Jahren des Universums
rekonstruiert werden. "Das Radiolicht einer Galaxie gibt uns Auskunft über
mindestens zwei sehr wichtige Dinge", sagt die Projektleiterin Prof. Dr. Vernesa
Smolčić von der Universität Zagreb. "Radiolicht hilft uns, durch Staubwolken zu
sehen und zeigt so neue Sterne, die sich in Galaxien bilden. Es kann uns aber
auch hochenergetische Signaturen von wachsenden supermassereichen Schwarzen
Löchern aufzeigen."
Radiolicht wird im Unterschied zum optischen Licht, das unsere Augen direkt
sehen, nicht durch die großen Wolken von interstellarem Staub blockiert. Dies
bedeutet, dass Radiowellen verwendet werden können, um neugeborene Sterne in
Galaxien in einer Weise zu entdecken, die mit anderen Wellenlängen nicht möglich
ist. Das VLA-COSMOS-Projekt begann unter Leitung von Dr. Eva Schinnerer vom
Max-Planck Institut für Astronomie Heidelberg bereits im Jahr 2004 mit einer
ersten Durchmusterung des COSMOS genannten Himmelsgebiets.
Der große wissenschaftliche Erfolg dieses Projekts veranlasste das Team unter
Leitung von Smolčić, die seinerzeit am Argelander-Institut für Astronomie der
Universität Bonn forschte, eine weitere große Durchmusterung zu beantragen. Sie
wurde durch die zwischenzeitlichen technischen Verbesserungen des Karl G.
Jansky Very Large Array (VLA) Teleskops in New Mexico (USA) möglich.
Die Astronomen kombinierten die neuen Radiobilder mit optischen, Infrarot- und
Röntgendaten von vielen der weltweit führenden Teleskope. "Diese
Datenverknüpfung bei unterschiedlichen Wellenlängen erlaubte uns, die
Eigenschaften von Galaxien zu untersuchen, deren Radiowellen uns bis nahe der
Anfänge des Universums vor etwa 13 Milliarden Jahren schauen lassen", sagt Dr.
Alexander Karim, der am Argelander-Institut für Astronomie der Universität Bonn
für die VLA-COSMOS-Durchmusterung zuständig ist.
Das Team fand heraus, dass Galaxien die meisten Sterne produzierten, als das
Universum etwa 2,5 Milliarden Jahre alt war - ein Fünftel seines jetzigen
Alters. Zu dieser Zeit entstanden etwa ein Viertel aller neugeborenen Sterne in
massereichen Galaxien. Die Ergebnisse zeigen, dass bis zu 20 Prozent mehr
Sternbildung in Galaxien im frühen Universum stattfand, als bislang angenommen
wurde.
Darüber hinaus sind sehr entfernte Galaxien mit besonders intensiver
Sternbildung – sogenannte Submillimeter-Galaxien – größer als bisher erwartet.
Der Grund dafür ist noch nicht vollständig geklärt, aber er könnte mit
Gravitationswechselwirkungen, Kollisionen oder sogar Verschmelzungen von
Galaxien zusammenhängen.
Die neuen Radiodaten haben auch einen einzigartigen Einblick in Galaxien mit
aktiv wachsenden, supermassereichen Schwarzen Löchern in ihren Zentren
ermöglicht. Materie, die ein solches Schwarzes Loch umkreist und die schließlich
hineingezogen wird, kann riesige Mengen an Energie freisetzen. Mit den neuen
Radiodaten entdeckten die Astronomen mehr als 1000 solcher Erscheinungen.
Die besondere Struktur ihrer Radioemission verrät die verborgene Aktivität ihrer
Schwarzen Löcher. Sie sind besonders interessant, da sie das Schicksal ihrer
Heimatgalaxien und ihrer kosmischen Umgebung entscheidend beeinflussen können.
Die Astronomen verglichen den durch kosmologische Computersimulationen
vorhergesagten Glutofen mit den Ergebnissen der neuen Radiodaten und fanden eine
sehr gute Übereinstimmung.
"Physikalische Prozesse, die mit dem wachsenden supermassereichen Schwarzen Loch
verbunden sind, können das Gas in und um die Galaxie aufheizen, die Bildung
neuer Sterne verhindern und somit das eigenständige Wachstum der Galaxien
stoppen", unterstreicht Schinnerer. Und Karim ergänzt: "Die
VLA-COSMOS-Durchmusterung stellt einen wichtigen Meilenstein auf unserem Weg zu
den großflächigen Himmelsbeobachtungen der nächsten Generation dar".
Über ihre Beobachtungen und Ergebnisse berichten die Astronomen in mehreren Fachartikeln,
die jetzt in der
Zeitschrift Astronomy & Astrophysics erschienen sind.
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