Detaillierter Blick auf Abell 370
von Stefan Deiters astronews.com
5. Mai 2017
Die europäische Weltraumagentur ESA hat jetzt einen neuen
faszinierenden Blick auf den Galaxienhaufen Abell 370 vorgestellt. Diese rund
sechs Milliarden Lichtjahre entfernte Ansammlung von Hunderten von Galaxien
wurde als letztes Ziel im Rahmen des Projekts Frontier Fields anvisiert, bei dem
insgesamt sechs Galaxienhaufen näher untersucht wurden.
Der Galaxienhaufen Abell 370.
Bild: NASA, ESA/Hubble, HST Frontier Fields [Großansicht] |
Der Galaxienhaufen Abell 370 liegt rund sechs Milliarden Lichtjahre von der Erde
entfernt im Sternbild Walfisch und besteht aus mehreren hundert Galaxien. Schon
bei Beobachtungen in den 1980er Jahren war am linken Rand des Haufens eine
gewaltige bogenförmige Struktur aufgefallen, bei der es sich allerdings nicht um
ein tatsächliches Objekt in dem Haufen handelt, sondern um ein besonderes
astrophysikalisches Phänomen: das durch eine Gravitationslinse verstärkte und
verzerrte Bild einer weit hinter dem Haufen liegenden Galaxie.
Dank der neuen Hubble-Beobachtungen, die nun in Form eines eindrucksvollen
Bildes von Abell 370 vorgestellt wurden, wissen die Astronomen jetzt, dass es sich
bei dem Bogen um zwei verzerrte Bilder einer gewöhnlichen Spiralgalaxie handelt,
die - aus unserer Perspektive - hinter dem Haufen liegt. Für das neue Bild wurde
der Galaxienhaufen insgesamt 630 Stunden von Hubble beobachtet - das entspricht mehr als
560 Erdumrundungen des Weltraumteleskops.
Genau dies war das Ziel des Projekts Frontier Fields: Im Rahmen des
Programms sollten sehr "tiefe" Beobachtungen gemacht werden, bei denen Hubble also sehr
lange auf eine Region schaut, um dadurch auch noch äußerst lichtschwache Objekte aufspüren
zu können. Dass man sich dabei auf Galaxienhaufen konzentrierte, hatte einen
einfachen Grund: In diesen lässt sich das eingangs genannte und als Gravitationslinseneffekt bekannte
Phänomen beobachten, das gleich mehrfach nützlich ist. Meist ist es an
verzerrten Bögen rund um das Zentrum des Galaxienhaufens zu erkennen.
Zu einem Gravitationslinseneffekt kommt es immer dann, wenn durch massereiche
Objekte das Licht entfernterer, aus unserer Sicht direkt dahinter liegender
Systeme so abgelenkt wird, dass es nicht nur verzerrt, sondern auch verstärkt
wird. Auf diese Weise lassen sich Galaxien untersuchen, die ohne diesen Effekt
selbst mit Hubble nicht zu beobachten gewesen wären.
Die Art und Weise, wie die Masse des Galaxienhaufens das Licht entfernterer
Objekte ablenkt, verrät den Astronomen zudem etwas über die Verteilung der
normalen Materie und der Dunklen Materie in dem Galaxienhaufen. Beide tragen zur
Masse bei, die für den Gravitationslinseneffekt verantwortlich ist. Damit helfen
die Beobachtungen, die Modelle über die Massenverteilung in den Haufen zu
präzisieren und liefern so auch Informationen über die geheimnisvolle Dunkle
Materie.
Im Falle von Abell 370 stellte sich beispielsweise heraus, dass sich Dunkle
Materie in zwei voneinander getrennten Klumpen konzentriert. Die Astronomen
werten dies als Hinweis darauf, dass Abell 370 durch die Verschmelzung von zwei
kleineren Haufen entstanden ist.
Mit den Beobachtungen von Abell 370 sind die Beobachtungen für das Programm
Frontier Fields nun abgeschlossen - die Arbeit jedoch noch lange nicht:
Die gewaltigen Datensätze warten nun darauf, ausgewertet zu werden und geben
dabei hoffentlich noch einiges über das Universum und seine Entwicklung preis.
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