Erfolgreiche Marsmission in Utah
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des DFKI astronews.com
14. Dezember 2016
Der Mars wird bislang nur durch robotische Fahrzeuge
erforscht. Bevor Astronauten den Roten Planeten betreten, dürfte auch noch
einige Zeit vergehen, so dass die Geländeerkundung durch Rover weiterhin von
großer Bedeutung ist. In der Wüste Utahs haben Experten nun erfolgreich eine
Probenrückführungsmission zum Mars simuliert. Der Leitstand befand sich in
Bremen.
SherpaTT und Coyote III in der Testumgebung
in Utah.
Foto: DFKI GmbH; Florian Cordes [Großansicht] |
Eine große Herausforderung bei der Erkundung des Mars durch Roboter stellt
die unebene, von Gräben und Kratern gezeichnete Oberfläche des Roten Planeten
dar. Ob die Systeme dem unwegsamen Gelände gewachsen sind, müssen sie zunächst
auf der Erde beweisen – zum Beispiel in der felsigen Wüstenlandschaft des
US-Bundestaats Utah. Von Ende Oktober bis Ende November 2016 stellten dort
Wissenschaftler vom Robotics Innovation Center des Deutschen Forschungszentrums
für Künstliche Intelligenz (DFKI) ihre Robotersysteme und deren
Kooperationsfähigkeit im Rahmen des Projekts Field Trials Utah
(FT-Utah) auf die Probe.
In FT-Utah erforscht das DFKI gemeinsam mit Wissenschaftlern der Universität
Bremen den Einsatz von Robotern bei der Erkundung fremder Planeten. Teil des
Projekts war die vierwöchige Feldtestkampagne in der Wüste des amerikanischen
Bundesstaats, in der die Systeme außerhalb des Labors in einer natürlichen,
unstrukturierten Umgebung erprobt und zusammen mit einer in Bremen stationierten
Kontrollstation eine komplette Missionssequenz simulieren sollten. Dafür reisten
sechs DFKI-Wissenschaftler Ende Oktober in die abgelegene Gegend nahe der
Ortschaft Hanksville, wo sie die Basisstation für die Feldtests errichteten. Die
Roboter sowie das benötigte Equipment hatten die Reise bereits einige Wochen
zuvor, sicher in einem Schiffscontainer verstaut, angetreten.
Zu den in
Utah getesteten Systemen gehörten der Schreit- und Fahrrover SherpaTT
sowie der Mikro-Rover Coyote III, die beide im Rahmen des Vorhabens
TransTerrA am Robotics Innovation Center entwickelt und aufgebaut
wurden. Der etwa 150 Kilogramm schwere SherpaTT, der sich dank seines aktiven
Fahrwerks besonders gut für unwegsames Gelände eignet, verfügt über sechs
standardisierte elektromechanische Schnittstellen, die u.a. dem Transport
größerer Nutzlasteinheiten dienen.
Zudem ist der Rover mit einem etwa zwei Meter langen, zentral angebrachten
Roboterarm – einem sogenannten Manipulator – mit sechs Freiheitsgraden
ausgestattet, der es ihm ermöglicht, Bodenproben zu entnehmen und diese an den
kleineren, mit 15 Kilogramm deutlich leichteren Coyote III zu
übergeben. Auch der Mikro-Rover erreicht durch den Einsatz von Sternrädern in
Kombination mit einem passiven Fahrwerk eine hohe Mobilität in unstrukturiertem
Gelände, insbesondere auf Steilhängen. Über zwei Schnittstellen lässt er sich
mit Nutzlastcontainern und einem Roboterarm erweitern. Auf diese Weise kann auch
Coyote III Nutzlasten befördern, weshalb er im Rahmen der Feldtests dem
größeren SherpaTT als Supportsystem diente.
Komplettiert wurde
das ungleiche Roboter-Team durch immobile robotische Einheiten, und zwar durch
ein sogenanntes BaseCamp sowie verschiedene mit elektromechanischen
Schnittstellen ausgestattete Nutzlastcontainer. Das BaseCamp wurde im Rahmen der
Feldtests sowohl als Kommunikationsstation zur Weiterleitung von Daten als auch
als modularer Knotenpunkt zur Aufnahme der Nutzlastcontainer eingesetzt, und von
SherpaTT über eine Schnittstelle transportiert und aufgestellt. Die
Nutzlastcontainer kamen in FT-Utah in erster Linie für Probenaufnahmen zur
Anwendung. Die standardisierten Boxen können aber auch mit andersartiger
Sensorik, Batteriepaketen oder Instrumenten ausgestattet werden.
Für die
Kontrolle der angestrebten Mission wurde ein Leitstand am Robotics
Innovation Center in Bremen eingerichtet, der per Satellitenlink eine
Kommunikationsverbindung zu den Robotern in Utah aufbaute. Das Virtual
Reality Lab, eine interaktive 3D-Multiprojektionsanlage, ermöglichte es dem
Operator, den Missionsstatus in einer virtuellen Realität zu beobachten. Neben
einem Zeigegerät diente ein zweiarmiges Oberkörper-Exoskelett als Eingabe- und
Kontrollgerät. Damit konnte der Operator die Roboter in Utah intuitiv mit
natürlichen Bewegungsmustern steuern. Durch ein integriertes Force-Feedback
erhielt er zudem direkte Rückmeldung über die auf den Manipulator von
SherpaTT wirkenden Kräfte, wodurch er diesen in der über 8.300 Kilometer
entfernten Umgebung sicher bewegen und platzieren konnte.
Neben der
Kontrollstation in Bremen errichteten die Wissenschaftler auf dem Testgelände in
Utah einen mobilen Leitstand. Dieser ermöglichte nicht nur den Test und die
Durchführung von Missionssequenzen direkt vor Ort, sondern diente auch der
Übermittlung der von den Robotern empfangenen Daten via Satellit nach Bremen.
Bei den Feldversuchen in Utah konnten Teile einer sogenannten
Mars-Sample-Return-Mission (zu Deutsch "Probenrückführungsmission") erfolgreich
simuliert werden. Die einzelnen Missionsschritte wurden von der Bremer
Kontrollstation aus gesteuert: Dafür forderte der Operator zunächst
dreidimensionale Umgebungskarten von den Systemen sowie Fotos der Roboterkameras
an, um sich ein Bild von der Umgebung machen zu können.
Anschließend setzte er Wegpunkte in die Karten, die von den zwei Rovern
autonom angefahren wurden. Am Ort der Probenahme angekommen, gelang es, den
Manipulator von SherpaTT mithilfe des Exoskeletts manuell zu steuern.
Nach einem Rendezvous der beiden Roboter navigierte Coyote III entlang
der gesetzten Wegpunkte schließlich selbstständig zurück zum Ausgangspunkt.
Das autonome Verhalten der Roboter zu realisieren, erwies sich als große
Herausforderung innerhalb der Feldtestkampagne, da nicht nur ein einzelnes
System, sondern ein Roboter-Team mit verschiedenartiger Sensorik zum Einsatz
kam. Dieses musste sich – abgesehen von sehr groben Übersichtskarten – in
komplett unbekanntem Gelände sicher bewegen. Dafür setzten die Wissenschaftler
des DFKI auf spezielle Selbstlokalisierungs- und Kartierungsalgorithmen, welche
die Informationen aus den unterschiedlichen Sensoren integrierten und eine
entsprechende Karte daraus generierten.
Neben der kooperativen Mission
wurden die Systeme auch einzeln hinsichtlich ihrer Mobilität in unstrukturiertem
Gelände getestet. So überwand SherpaTT erfolgreich Steigungen von bis
zu 28 Grad – wobei seine aktive Bodenanpassung den permanenten Bodenkontakt
aller vier Räder mit annähernd gleicher Lastverteilung sicherstellte. Coyote
III bewältigte Steigungen von bis zu 42 Grad und bezwang mithilfe eines
Seilsystems sogar Steilklippen mit Überhängen.
Insgesamt konnten die DFKI-Wissenschaftler durch die Feldtestkampagne
wichtige Erkenntnisse zur Robustheit und Bewegungsfähigkeit ihrer Systeme, sowie
zur autonomen und kooperativen Erkundung unstrukturierter Umgebungen gewinnen.
Durch den Einsatz des Virtual Reality Labs gelang es ihnen zudem, eine
intuitive Missionssteuerung unter realitätsnahen Bedingungen zu demonstrieren.
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