Hinweise durch Gravitationswellen?
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Kernphysik astronews.com
8. Dezember 2016
Mit dem ersten direkten Nachweis von Gravitationswellen
begann in diesem Jahr das Zeitalter der Gravitationswellen-Astronomie.
Wissenschaftler erhoffen sich von der Beobachtung mit Gravitationswellen ganz
neue Einblicke in bislang verborgene Bereiche des Universums. Auch bei der Suche
nach den Partikeln der Dunklen Materie könnten Gravitationswellen helfen.

Falls der Dunkle-Materie-Halo einer Galaxie
aus einem Bose-Einstein-Kondensat (BEK) sehr
leichter Teilchen besteht, werden durchgehende
Gravitationswellen (GW), nicht aber Lichtwellen
(γ) gebremst.
Bild: MPIK [Großansicht]
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Die mit der Entdeckung von Gravitationswellen entstandene neue Disziplin der
Gravitationswellen-Astronomie bekommt eine weitere Aufgabe: die Suche nach
Dunkler Materie. Diese könnte aus einem Bose-Einstein-Kondensat sehr leichter
Teilchen bestehen. Wie Rechnungen zeigen, würden Gravitationswellen gebremst,
wenn sie durch derartige Dunkle Materie laufen. Dies führt zu einer Verspätung
von Gravitationswellen relativ zu Licht, die bereits mit den heutigen Detektoren
messbar sein sollte.
Im Universum muss es gut fünfmal mehr unsichtbare als sichtbare Materie geben.
Woraus diese Dunkle Materie besteht, ist immer noch unbekannt. Die
experimentelle Suche konnte bisher nur Teilchenarten bzw. Energiebereiche
ausschließen; gelegentliche Erfolgsmeldungen und Vermutungen ließen sich nicht
verifizieren. Es sind aber noch längst nicht alle theoretischen Vorschläge
überprüft.
Einer der Vorschläge ist, dass Dunkle Materie aus sehr leichten Teilchen
besteht, die im frühen Universum ein Bose-Einstein-Kondensat gebildet haben.
Damit ließe sich - im Gegensatz zu anderen Vorschlägen - die Struktur des
Universums auf allen Größenskalen erklären.
Ein Bose-Einstein-Kondensat ist ein Materiezustand, in dem sich alle Teilchen in
demselben quantenmechanischen Zustand befinden, somit vollständig delokalisiert
sind und ein einziges makroskopisches Quantenobjekt bilden. Möglich ist das nur,
wenn die Teilchen sogenannte Bosonen sind. Im Labor lassen sich
Bose-Einstein-Kondensate mit bestimmten Atomen bei ultratiefen Temperaturen
erzeugen.
Und wie kann man den genannten Vorschlag überprüfen? Mit Gravitationswellen! Das
klingt überraschend, aber Rechnungen zeigen, dass ein solches
Bose-Einstein-Kondensat die Geschwindigkeit von durchgehenden
Gravitationswellen, die sich eigentlich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten,
verlangsamt. Ursache dafür sind die von den Gravitationswellen hervorgerufenen
Verzerrungen der Raumzeit, welche das Bose-Einstein-Kondensat anregen. Das ist
ähnlich wie bei Licht, das beim Durchgang durch ein dichtes Medium wie Wasser
gebremst und damit gebrochen wird.
Wie stark eine Gravitationswelle gebremst wird, wenn sie durch den
Dunkle-Materie-Halo einer Galaxie läuft, hängt nur von der Masse und der
Wechselwirkung der Teilchen im Bose-Einstein-Kondensat sowie der Frequenz der
Gravitationswelle ab: je niedriger die Frequenz, desto stärker der Effekt - auch
die Lichtbrechung hängt von der Lichtfarbe ab.
Nach den Berechnungen ist die Bremswirkung bereits bei den Frequenzen stark
genug für eine Messung, welche die LIGO-Detektoren, die vor etwa einem Jahr
erstmals Gravitationswellen nachgewiesen haben, detektieren können. Laufende
Messungen mit den Radioteleskopen des IPTA und zukünftige Satelliten-Instrumente
wie eLISA können auch Gravitationswellen mit niedrigeren Frequenzen beobachten
und somit den Vorschlag für Dunkle Materie umfassend überprüfen.
Intensive Gravitationswellen entstehen beim engen Umkreisen und Verschmelzen
ultradichter Objekte wie Schwarzen Löchern oder Neutronensternen, aber auch bei
Supernova-Explosionen. Gelingt es, solche Ereignisse, die von der Erde aus
gesehen hinter einer Galaxie stattfinden, auch mit Neutrinos oder im Gammalicht
zu beobachten, lässt sich anhand möglicher Zeitunterschiede, wann die Signale
eintreffen, entscheiden, ob die Dunkle Materie aus einem Bose-Einstein-Kondensat
sehr leichter Teilchen besteht oder nicht.
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