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Das Wort Absturz nimmt die europäische Weltraumagentur ESA nicht in den Mund, spricht aber inzwischen von einer unsanften Landung des Testmoduls Schiaparelli - und von einem 96-prozentigen Erfolg der Gesamtmission. Vom Landemodul konnten schließlich wichtige Daten empfangen werden und der Trace Gas Orbiter befindet sich auch auf einer stabilen Umlaufbahn.
War der vergangene Mittwoch ein erfolgreicher Tag für die europäische Raumfahrt? Wenn man sich bei ESA-Offiziellen am Donnerstag am europäischen Raumfahrtkontrollzentrum ESOC in Darmstadt umhörte, fiel die Antwort eindeutig aus: Natürlich! ESA-Direktor Jan Wörner reagierte in der Pressekonferenz gestern Morgen sogar äußerst gereizt, als ein Journalist von der britischen BBC wissen wollte, ob Schiaparelli denn nun abgestürzt sei - "ich verstehe die Frage nicht", antwortete Wörner unwirsch. Dabei war es vermutlich genau diese Frage, die sich alle Pressevertreter gerade stellten. Die erfuhren aber gestern von den ESA-Offiziellen zunächst einmal erneut, dass die Mission ein voller Erfolg war: Man hätte schließlich den Trace Gas Orbiter sicher in eine Umlaufbahn um den Mars gebracht - einer mehrjährigen Wissenschaftsmission zum Erkunden der Marsatmosphäre und dem Einsatz der Sonde als Kommunikationsrelais für künftige Missionen stünde damit nichts mehr im Wege. Und dann war da noch Schiaparelli, das Entry, Descent and Landing Demonstrator Module. Dieses sollte während des Flugs durch die Marsatmosphäre wichtige Daten über die Bedingungen liefern, die eine Sonde bei einer Marslandung aushalten muss - Daten, die für künftige Missionen wichtig sind und die man bislang kaum zur Verfügung hatte. Der Hauptteil der Mission Schiaparellis sollte mit der Landung beendet sein. Auf der Marsoberfläche waren lediglich noch wenige Aktivitäten für einige Tage geplant.
Von daher stimmt es natürlich, dass der wesentliche Teil der Experimente der Mission von Schiaparelli erfolgreich war. Wie die ESA gestern in einer Pressemitteilung verkündete, lassen alle bisherigen Daten darauf schließen, dass das Landemodul die meisten Etappen seines sechsminütigen Abstiegs durch die Marsatmosphäre erfolgreich absolviert hat. Ab etwa 50 Sekunden vor der erwarteten Landung allerdings konnten plötzlich weder mit einem Radioteleskop auf der Erde, noch mit der ESA-Sonde Mars Express Signale mehr empfangen werden. Was genau zum Abbruch der Verbindung führte, ist noch nicht bekannt. Die Analyse der Daten läuft noch. Es sieht jedoch danach aus, dass der Flug nach dem Abwurf des hinteren Hitzeschilds und des Fallschirms nicht mehr regulär verlaufen ist. Der Abwurf scheint früher als geplant erfolgt zu sein. Auch die Triebwerke wurden zwar für kurze Zeit gezündet, haben aber offenbar ihren Betrieb früher als erwartet eingestellt - in welcher Höhe dies geschah, muss ebenfalls noch analysiert werden. "Schiaparellis wichtigste Aufgabe lag in der Erprobung europäischer Landetechnologien", unterstrich Wörner in einer Pressemitteilung. "Dazu gehörte auch die Aufzeichnung von Daten beim Abstieg und es ist unerlässlich, dass wir nun herausfinden, was passiert ist, um für die Zukunft gerüstet zu sein." David Parker, ESA-Direktor für bemannte Raumfahrt und robotische Exploration, ergänzte: "In Bezug auf das Testmodul Schiaparelli haben uns Daten erreicht, mit denen wir den gesamten Ablauf nachvollziehen können und die uns Hinweise darauf liefern werden, warum keine sanfte Landung erfolgte. Ingenieurtechnisch gesehen ist es das, was wir von einem Test erwarten, und wir verfügen nun über äußerst wertvolle Daten, die wir auswerten können. Eine Untersuchungskommission wird sich näher mit diesen Daten befassen, zum jetzigen Zeitpunkt können wir keine weiteren Spekulationen anstellen." In der Pressemitteilung spricht die ESA also, anders als noch auf der Pressekonferenz, selbst von einer Landung, die nicht "sanft" verlaufen ist. Man kann das auch Absturz nennen - ein Wort, das man gestern im ESOC noch unbedingt vermeiden wollte. Die Meinungen über den Erfolg der Mission sind in den Medien geteilt. Man sollte dabei auch nicht vergessen, dass die meisten Pressevertreter nicht nach Darmstadt gekommen sein dürften, um das Einschwenken des Trace Gas Orbiters in eine Umlaufbahn zu verfolgen, sondern eine europäische Landung auf dem Mars erleben wollten. In der Einladung an die Presse waren etwa für die Pressekonferenz am Donnerstagvormittag Bilder angekündigt, die Schiaparelli während seines Flugs durch die Marsatmosphäre aufgenommen hat. Wer so etwas in Aussicht stellt, muss sich nicht wundern, wenn manche Medienvertreter sich nicht ganz der Ansicht anschließen mögen, dass der vergangene Mittwoch ein rundum toller Tag für die ESA und die Mission bislang ein voller Erfolg war. In seinem Blog legte ESA-Chef Wörner nun noch einmal nach: Die Bedeutung von Orbiter und Landemodul für die Gesamtmission hätte im Verhältnis 80 zu 20 gestanden. Da während des Abstiegs mindestens 80 Prozent der erhofften Daten gesammelt werden konnten, würde sich eine Gesamterfolgsrate von 80 plus 20 mal 0,8 und damit 96 Prozent ergeben - "insgesamt ein sehr positives Ergebnis". Ob die Medien dieser Analyse folgen? Manchmal wirkt es ja sympathischer und für den Beobachter nachvollziehbarer einfach einmal öffentlich zuzugeben, dass man traurig ist, dass der letzte Teil der Landung nicht so geklappt hat, wie man sich das eigentlich erhofft hatte - und das man daraus lernen wird, um es künftig besser zu machen. Man könnte nun sagen, dass die Meinung der Medien eigentlich egal ist, solange die Ingenieure die Daten haben, die sie für die weiteren Entwicklungen benötigen. Doch das ist leider nicht der Fall: Für den geplanten ExoMars-Rover, der 2020 starten soll, fehlt noch einiges an Geld und Politiker lassen sich nun einmal gern von der öffentlichen Meinung leiten. So dürfte der Versuch der ESA, den Mittwoch positiver darzustellen, als er von manchem Beobachter empfunden wurde, auch ein Versuch sein, dafür zu sorgen, dass mit Schiaparelli nicht auch das europäisch-russische Marsprogramm abstürzt, pardon, "unsanft" landet.
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