Europäische Kometenmission beendet
Redaktion
/ Pressemitteilung der ESA astronews.com
30. September 2016
Die europäische Kometenmission Rosetta
ist beendet: Wie von der ESA geplant, schlug die Sonde am Nachmittag auf dem
Kometen auf, den sie zuvor über zwei Jahre lang untersucht hatte. Rosetta
lieferte bis unmittelbar vor dem Aufschlag Daten. Zwar ist die Betriebsphase der
Mission nun beendet, die Datenauswertung wird die Wissenschaftler aber noch
Jahre beschäftigen.

Das letzte Bild von Rosetta von 67P aus einer
Höhe von 51 Metern über der Oberfläche.
Bild: ESA / Rosetta / MPS für OSIRIS Team
(MPS / UPD / LAM / IAA / SSO / INTA / UPM / DASP
/ IDA) [Großansicht] |
Die ESA-Sonde Rosetta hat ihre historische Mission nach mehr als
zweijähriger Beobachtungstätigkeit mit einem kontrollierten Aufprall auf ihrem
Kometen planmäßig abgeschlossen. Der durch den Aufschlag bedingte Verlust des
Rosetta-Signals wurde vom ESA-Bodenkontrollzentrum in Darmstadt um
13.19 Uhr MESZ festgestellt. Damit ist die Mission definitiv zu Ende.
Ihr letztes Manöver, mit dem sich die Sonde aus einer Höhe von 19 Kilometer
auf Kollisionskurs mit dem Kometen begab, führte sie gestern Abend um 22.50 Uhr
MESZ durch. Ziel war eine Ma’at genannte Region mit aktiven Trichtern auf dem
kleineren "Kopfende" des Kometen 67P/Churyumov–Gerasimenko.
Während der Anflugphase hatte Rosetta noch einmal die Gelegenheit,
die Gas-, Staub- und Plasmaumgebung des Kometen aus nächster Nähe zu seiner
Oberfläche zu beobachten und Aufnahmen in sehr hoher Auflösung zu machen. Die
Kometentrichter sind von besonderem Interesse, da sie bei der Kometenaktivität
eine wichtige Rolle spielen und einen einzigartigen Einblick in das Innere
dieser Himmelskörper bieten. Die während des Flugs zu dieser faszinierenden
Region gesammelten Daten konnten vor Rosettas Aufprall zur Erde
gesendet werden. Die Funkverbindung zur Sonde ist nun endgültig abgebrochen.
"Rosetta hat ein weiteres Mal Geschichte geschrieben", erklärte
ESA-Generaldirektor Johann-Dietrich Wörner. "Wir feiern heute die Erfolge einer
revolutionären Mission, die unsere Erwartungen und Hoffnungen bei weitem
übertroffen hat und die gleichzeitig in einer Reihe mit den vergangenen
Pionierleistungen der ESA in der Kometenforschung steht."
"Wir haben es enormen, jahrzehntelangen Anstrengungen auf internationaler
Ebene zu verdanken, dass wir diese Mission mit einem wissenschaftlichen Labor
von Weltklasse auf seine Reise zu einem Kometen schicken konnten, um dessen
Entwicklung über einen längeren Zeitraum hin zu beobachten - etwas, was bisher
bei keiner anderen Kometenmission versucht worden war", fügte Alvaro Giménez,
ESA-Direktor für Wissenschaft hinzu. "Rosetta war bereits auf dem
Reißbrett, bevor die erste interplanetare ESA-Sonde Giotto 1986 bei
ihrem Vorbeiflug am Halleyschen Kometen die erste Aufnahme eines Kometenkerns
machen konnte. Viele waren über ihre gesamte berufliche Laufbahn hin in diese
Mission involviert und auch die mit ihr gesammelten Daten werden
Wissenschaftlergenerationen die kommenden Jahrzehnte über beschäftigen."
"Die großartige Reise von Rosetta und ihrem Landegerät Philae
war nicht nur eine wissenschaftliche und technische Meisterleistung, sondern hat
auch das Vorstellungsvermögen von Menschen auf der gesamten Welt weit über die
Wissenschaftsszene hinaus beflügelt. Ich bin begeistert, dass so viele
mitgemacht haben", so Mark McCaughrean, leitender wissenschaftlicher Berater der
ESA.
Rosetta hat seit ihrem Start 2004 sechsmal die Sonne umrundet und
ist auf ihrer fast acht Milliarden Kilometer langen Reise dreimal an der Erde,
einmal am Mars und zweimal an Asteroiden vorbeigeflogen. Während der
sonnenfernsten Etappe wurde sie 31 Monate lang in einen Winterschlaf-Modus
versetzt, bevor sie im Januar 2014 wieder geweckt wurde, um im August darauf
endlich an ihrem Kometen anzukommen.
Nachdem Rosetta als erste Sonde in eine Umlaufbahn um einen Kometen
eingebracht worden war und im November 2014 mit dem Aufsetzen des Landegeräts
Philae eine weitere Premiere vollbracht hatte, widmete sie sich der
Beobachtung der Veränderungen des Kometen, während dieser seinen sonnennächsten
Punkt erreichte und sich anschließend wieder von der Sonne entfernte.
"Wir haben die Sonde 786 Tage lang in der unwirtlichen Umgebung des Kometen
betrieben, mehrere gewagte nahe Vorbeiflüge an dessen Oberfläche durchgeführt,
einige unerwartete Ausbrüche des Kometen überstanden und das Raumfahrzeug
zweimal aus dem Notfallmodus wieder aktivieren können", so der Rückblick von
Missionsbetriebsleiter Sylvain Lodiot. "Unsere größte Herausforderung waren
jedoch die Manöver in dieser Schlussphase, aber es ist ein durchaus passendes
Finale, wenn Rosetta am Ende ihres faszinierenden Abenteuers dasselbe
Schicksal ereilt wie Philae."
Die Entscheidung, die Rosetta-Mission auf der Kometenoberfläche zu
beenden, wurde deshalb getroffen, weil Sonde und Komet sich erneut über die
Jupiter-Umlaufbahn hinaus begeben werden. In solchen von Rosetta bisher
nicht erreichten Entfernungen von der Sonne könnte die Sonde kaum mehr die zum
Missionsbetrieb nötige Energie erzeugen. Ein weiteres Problem für die
Missionsbetriebsingenieure war ein absehbarer monatelanger Zeitraum, in dem sich
die Sonne nah an der Sichtlinie zwischen Erde und Rosetta befinden wird, so dass
sich der Funkkontakt zum Raumfahrzeug immer schwieriger gestaltet hätte.
"Mit der Entscheidung zum Anflug auf die Kometenoberfläche – ein Manöver, was
man wirklich nur einmal im Leben durchführt – haben wir den wissenschaftlichen
Ertrag der Mission bis zum letzten auskosten können", so Missionsleiter Patrick
Martin. "Dieses Ende mag einen froh wie auch betrübt stimmen, aber letztendlich
können wir nichts gegen die Himmelsmechanik unseres Sonnensystems ausrichten:
Rosettas Schicksal ist bereits seit Langem besiegelt. Ihre
herausragenden Errungenschaften aber werden für die Nachwelt erhalten bleiben
und der kommenden Generation an jungen Wissenschaftlern und Ingenieuren überall
auf der Welt zugutekommen."
Heute ging lediglich die Betriebsphase der Mission zu Ende, ihre
wissenschaftliche Auswertung hingegen wird sich noch über viele Jahre
erstrecken. Im Laufe der Mission wurden viele überraschende Entdeckungen
gemacht, nicht zuletzt die seltsame Form des Kometen, die während der
Anflugsphase von Rosetta im Juli und August 2014 zutage trat.
Wissenschaftler sind heute der Ansicht, dass sich die beiden Gesteinskugeln des
Kometen ursprünglich unabhängig voneinander gebildet und sich bei einer mit
geringer Geschwindigkeit erfolgten Kollision in der Frühzeit des Sonnensystems
miteinander verbunden haben.
Dank der längerfristigen Beobachtungen wurde auch die große Bedeutung der
Form des Kometen erkannt, die dessen Jahreszeiten, die Staubbewegungen auf
seiner Oberfläche und die Schwankungen der Dichte und Zusammensetzung seiner
Koma, sozusagen der Atmosphäre, beeinflusst. Die unerwartetsten und gleichzeitig
wichtigsten Ergebnisse betreffen die dem Kometenkern entströmenden Gase,
darunter die Entdeckung molekularen Sauerstoffs und Stickstoffs sowie von Wasser
mit anderen Eigenschaften als das in unseren Ozeanen.
Insgesamt weisen diese Ergebnisse darauf hin, dass sich der Komet in einer
sehr kalten Region des protoplanetarischen Nebels gebildet haben muss, als sich
das Sonnensystem vor 4,5 Milliarden Jahren noch in seiner Entstehungsphase
befand. Auch wenn es so aussieht, als ob Kometen vom Typ "Tschuri" nicht in dem
wie bisher gedachten Maß zu dem Wasser auf der Erde beigetragen haben,
enttäuschte Rosetta nicht im Hinblick auf eine weitere, bereits im
Missionsvorfeld mit Spannung gestellte Frage, nämlich ob Kometen die für die
Entstehung von Leben unabdingbaren Bausteine beigesteuert haben könnten: Die
Sonde stellte in der Tat die Aminosäure Glyzin, einen Proteinbaustein, sowie
Phosphor, einen zentralen Bestandteil der DNA und von Zellmembranen, fest und es
wurden noch zahlreiche weitere organische Verbindungen, sowohl von Rosetta
aus ihrer Umlaufbahn als auch von Philae direkt auf der Oberfläche,
entdeckt.
Zum jetzigen Stand lässt sich aus den Ergebnissen von Rosetta
schließen, dass es sich bei Kometen um uralte Überreste aus der Frühzeit der
Entstehung des Sonnensystems handelt und nicht um Trümmerteile aus später
erfolgten Kollisionen größerer Himmelskörper, womit sie uns einen beispiellosen
Einblick in die Bausteine der Planeten geben, so wie sie vor 4,6 Mrd. Jahren
ausgesehen haben mögen.
"So wie der für die Mission namensgebende Stein von Rosetta den
Schlüssel für die Entzifferung antiker Sprache und Geschichte darstellte, wird
die mit dieser Mission gewonnene Fülle an Daten uns ein neues Bild von der
Entstehung von Kometen und des Sonnensystems bescheren", so die Prophezeiung von
Projektwissenschaftler Matt Taylor. "Damit stehend wir quasi zwangsläufig vor
neuen Rätseln. Der Komet hat noch nicht alle seine Geheimnisse preisgegeben und
dieses unermessliche Datenarchiv wartet sicher noch mit vielen versteckten
Überraschungen auf. Bleiben Sie also dran, es geht gerade erst los!"
Die Rosetta-Mission war auch vorbildlich, was die Kommunikation mit der
Öffentlichkeit und die Nutzung sozialer Medien anging. So veröffentlichte das
Kommunikationsteam der ESA regelmäßig Updates im Namen von Rosetta und
Philae beim Kurznachrichtendienst Twitter. Ein letzter Tweet des
Landers Philae dürfte viele Rosetta-Fans heute besonders
gerührt haben: Kurz nachdem der Kontakt zu Rosetta abgebrochen war, twitterte
der Philae-Account: "Rosetta, bist Du es?"
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