Methanol in Staubscheibe um jungen Stern
von Stefan Deiters astronews.com
15. Juni 2016
Astronomen haben mithilfe des Radioteleskopverbunds ALMA
Methylalkohol in der Staubscheibe um den jungen Stern TW Hydrae nachweisen
können. In der Scheibe dürften gerade Planeten entstehen. Der Fund liefert den
Wissenschaftlern neue Informationen über die chemischen Prozesse, zu
denen es bei der Entstehung von Planetensystemen kommt.

Um den Stern TW Hydrae (künstlerische
Darstellung) konnte jetzt das organische Molekül
Methanol nachgewiesen werden.
Bild: ESO/M. Kornmesser [Großansicht] |
Der junge Stern TW Hydrae ist etwas Besonderes: Es handelt sich um das uns am nächsten
gelegene System, das über eine sogenannte protoplanetare Staubscheibe verfügt -
also über eine Scheibe aus Gas und Staub um den jungen Stern, in der gerade
Planeten entstehen dürften. TW Hydrae ist 170 Lichtjahre von der Erde entfernt.
Auch unsere Sonne war einst von einer solchen Staubscheibe
umgeben, so dass TW Hydrae einen Blick auf die Entstehungsprozesse unseres
Planetensystems erlaubt.
Mithilfe des Atacama Large Millimeter/submillimeter
Array (ALMA), eines Verbunds aus Radioteleskopen in der chilenischen
Atacamawüste, haben nun Astronomen um Catherine Walsh von der Sternwarte im
niederländischen Leiden die protoplanetare Scheibe um TW Hydrae genauer unter
die Lupe genommen. Dabei stießen sie auf die Signatur von Methylalkohol, eine
Verbindung, die auch als Methanol bekannt ist. Es ist das erste Mal, dass dieser
Stoff in einer protoplanetaren Scheibe nachgewiesen werden konnte.
Methanol ist zudem eines der komplexesten Moleküle, das bislang in solchen
Staubscheiben nachgewiesen werden konnte. Die Entdeckung bezeichnen die
Astronomen als Meilenstein, um besser verstehen zu können, wie solche
organischen Moleküle in gerade entstehende Planeten eingebaut werden. Methanol
gilt zudem als Baustein für komplexere Moleküle, die dann direkt mit der
Entstehung von Leben in Verbindung stehen, wie etwa Aminosäuren.
"Die Entdeckung von Methanol in einer protoplanetaren Scheibe unterstreicht
die besondere Bedeutung von ALMA bei der Untersuchung komplexer organischer
Eisvorkommen in Staubscheiben", so Walsh. "Zum ersten Mal ist es uns nun
möglich, zu dem Punkt zurückzublicken, an dem die chemische Komplexität während
der Planetenentstehung um einen sonnenähnlichen Stern ihren Anfang nimmt."
Gasförmiges Methanol spielt in der Astrochemie eine besondere Rolle: Andere
Verbindungen im All bilden sich allein durch chemische Reaktionen in der
gasförmigen Phase oder durch eine Kombination aus Reaktionen zwischen
gasförmigen und festen Stoffen. Methanol ist eine organische Verbindung, die
ausschließlich durch Oberflächenreaktionen auf Staubkörnern in der festen Phase
entsteht.
Mit ALMA gelang es zudem, die Verteilung des Methanols in der Scheibe
um TW Hydrae zu kartieren. Es befindet sich offenbar hauptsächlich in einem
ringförmigen Bereich sowie in unmittelbarer Nähe des Zentralsterns. Die Forscher
folgern daraus, dass das Methanol auf Eiskörnern in der Staubscheibe entsteht
und schließlich von diesen "verdampft". Diese Beobachtung liefert damit auch
allgemeine Hinweise auf den Übergang von Methanol vom festen zum gasförmigen
Zustand im All.
"Das Vorkommen von gasförmigem Methanol in der Staubscheibe ist ein
eindeutiger Hinweis auf zahlreiche organische chemische Prozesse in einer frühen
Phase der Stern- und Planetenentstehung", so Teammitglied Ryan A. Loomis vom
Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics. "Dieses Ergebnis ist wichtig
für unser Verständnis, wie sich organische Materie in sehr jungen
Planetensystems ansammelt."
Über ihre aktuellen Beobachtungen berichten die
Astronomen in einem Fachartikel, der in der Zeitschrift Astrophysical
Journal Letters erschienen ist.
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