Kometeneis im Labor
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Innsbruck astronews.com
30. Mai 2016
Wissenschaftlern haben im Labor poröses Eis, wie es im
Weltall und vor allem auf Kometen zu finden ist, genauer unter die Lupe
genommen. Besonders interessierte sie dabei, wie sich das amorphe Eis beim
Aufwärmen verhält - und dabei gab es durchaus Überraschungen. Kometen gelten als
mögliche Ursprungsorte der Bausteine des Lebens und sind daher für die Forscher
besonders interessant.

Blick in die Versuchsanordnung am Rutherford
Appleton Laboratory in Großbritannien.
Bild: Universität Innsbruck [Großansicht] |
Als die Raumsonde Rosetta im November 2014 den Lander Philae
auf den Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko niedergehen ließ, war die Spannung
groß. Zum ersten Mal war die Menschheit einem dieser durchs Weltall fliegenden
Staub- und Eisriesen so nahegekommen. Die folgenden Untersuchungen drehten sich
vor allem um das Wasser auf dem Kometen und die Suche nach organischen
Verbindungen, die einen Hinweis auf den Ursprung des Lebens geben könnten.
"Im Weltall liegt Wasser zu einem sehr großen Teil als amorphes Eis vor",
erklärt Thomas Lörting vom Institut für Physikalische Chemie der Universität
Innsbruck. "Wenn sich Wassermoleküle an der extrem kalten Oberfläche des
interstellaren Staubs ablagern, bildet sich Eis mit einer mikroporösen Struktur,
die über eine riesige Oberfläche verfügt. Ein Gramm dieses Materials könnte man
auf 500 Quadratmeter ausrollen."
Dieses mit Aktivkohle vergleichbare Eis wirkt im Weltall wie ein Staubsauger,
der alle Moleküle in der Umgebung aufnimmt und in den feinen Poren einlagert.
Dort sind die Moleküle vor der harten Strahlung im All geschützt. Es gibt
deshalb Vermutungen, dass die ersten Moleküle des Lebens, wie Peptide und
Proteine, dort entstanden sein könnten.
Lörting und sein Team haben nun im Labor untersucht, welche Bedingungen in
diesen Eis-Poren herrschen. "Wenn Kometen auf die Sonne zufliegen, erwärmt sich
das Eis und erweicht", sagt der Chemiker. "Wir wollten uns das im Detail
anschauen und haben das amorphe Eis mit einer ganz neuen Methode näher
untersucht." Die in einem von Lörtings Team entwickelten Verfahren an der Uni
Innsbruck hergestellten Proben wurden dazu nach England überführt und dort im
Rutherford Appleton Laboratory in der Nähe von Oxford in einem
gepulsten Neutronenreaktor analysiert. "Anhand der Kleinwinkelstreuung lässt
sich die Porenstruktur des Eises sehr gut erkennen", erläutert Lörting.
Gemeinsam mit Kollegen von der Open University in Milton Keynes
untersuchten die Innsbrucker Forscher nun, bei welchen Temperaturen und wie
genau sich die Mikroporen des Eises verändern: "Die anfangs rauen,
zylinderförmigen Poren des Eises werden zunächst glatt und sacken dann in sich
zusammen", schildert Lörting seine Beobachtungen. "Man kann sich das vorstellen,
wie einen Joghurtbecher, der im Backrohr langsam zusammensackt." Das Eis bildet
dann lamellenförmige, zweidimensionale Strukturen aus. Gleichzeitig reduziert
sich die Oberfläche auf weniger als ein Quadratmeter pro Gramm.
Eine wichtige weitere Entdeckung: Oberhalb einer Temperatur von minus 150
Grad Celsius bildet sich flüssiges Wasser, das erst bei minus 120 Grad
auskristallisiert und die in den Poren gesammelten Moleküle freigibt. Diese
bilden beim Flug zur Sonne den für Kometen charakteristischen Schweif. "Die
zweidimensionalen Strukturen und das flüssige Wasser bei so extrem tiefen
Temperaturen sind eine sehr spezielle Umgebung für chemische Prozesse. Wir
wollen in einem nächsten Schritt diese Prozesse mit im Eis eingelagerten
Molekülen näher untersuchen", blickt Lörting bereits in die Zukunft.
Die von den Chemikern im Labor gesammelten Daten sind wichtig für die
Kometenforschung. Umgekehrt wartet das Innsbrucker Forschungsteam gespannt auf
weitere Daten der Rosetta-Mission. "Unter seiner staubigen Haut besteht
67P zu einem großen Teil aus diesem amorphen Eis. Messungen der ESA-Sonde sind
deshalb für uns von großem Interesse", sagt Lörting.
Über ihre Untersuchungen berichten die Wissenschaftler jetzt in der
Zeitschrift Physical Review Letters.
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