Keim eines supermassereichen Schwarzen Lochs
von Stefan Deiters astronews.com
25. Mai 2016
In praktisch jedem Galaxienzentrum vermuten Astronomen ein
supermassereiches Schwarzes Loch. Bislang ist aber ungeklärt, wie diese extrem
massereichen Objekte entstanden sind, die die Entwicklung ihrer Wirtsgalaxie
entscheidend beeinflussen. Eine Entdeckung der Weltraumteleskope Hubble,
Chandra und Spitzer im jungen Universum lieferte nun einen
Hinweis.
So stellen sich Astronomen den Keim eines
supermassereichen Schwarzen Lochs im jungen
Universum vor.
Bild: NASA / CXC / M. Weiss [Großansicht] |
Im Zentrum praktisch jeder Galaxie, auch im Zentrum unserer Milchstraße,
befindet sich ein supermassereiches Schwarzes Loch. Diese Objekte erreichen die
millionen- bis milliardenfache Masse unserer Sonne und dürften die Entwicklung
ihrer Wirtsgalaxie nicht unerheblich beeinflusst haben und vielleicht noch immer
beeinflussen.
Schwarze Löcher kommen im Wesentlichen in zwei Größenklassen vor: Die
sogenannten stellaren Schwarzen Löcher bleiben zurück, wenn massereiche Sterne
am Ende ihrer Entwicklung als Supernova explodieren. Diese Schwarzen Löcher
erreichen die mehrfache Masse unserer Sonne. Die zweite große Gruppe sind die
supermassereichen Schwarzen Löcher, über deren Entstehung man bislang nur
spekulieren konnte. Außerdem gibt es Hinweise, dass es auch Schwarze Löcher mit
einer Masse gibt, die zwischen den supermassereichen und stellaren
Schwarzen Löchern liegt.
Das größte Rätsel war jedoch die Entstehung der supermassereichen Exemplare.
Nach einer Theorie bilden sich diese im frühen Universum aus zahlreichen
kleineren Schwarzen Löchern mit Massen zwischen der zehn- und 100-fachen Masse
unserer Sonne und damit aus "normalen" stellaren Schwarzen Löchern. Durch
Verschmelzungen und das Anziehen von Gas aus ihrer Umgebung könnten diese dann
zu supermassereichen Objekten herangewachsen sein.
Eine entscheidende Schwierigkeit dieses Modells ist allerdings, dass man
schon im sehr jungen Universum Hinweise auf sehr massereiche Schwarze Löcher
gefunden hat. Der Prozess des Anwachsens hätte also sehr schnell
vonstatten gehen müssen. In einem alternativen Szenario wird daher
vorgeschlagen, dass im jungen Universum direkt aus dem Kollaps gewaltiger
Gaswolken Schwarze Löcher entstanden sind. Diese hatten die etwa 100.000-fache
Masse unserer Sonne und dienten als Keime für die supermassereichen Schwarzen
Löcher.
Mithilfe von Daten der Weltraumteleskope Hubble, Spitzer
und Chandra, numerischen Simulationen und neuen Analyseverfahren
glauben Astronomen nun zwei Objekte im jungen Universum identifiziert zu haben,
bei denen es sich um solche massereichen Keime handeln könnte. Wir sehen sie zu
einer Zeit, zu der das Universum noch nicht einmal eine Milliarde Jahre alt war.
Beide Objekte sollten Massen von rund 100.000 Sonnenmassen aufweisen.
"Unsere Entdeckung, wenn sie sich bestätigt, würde erklären, wie diese
Monster-Schwarzen-Löcher entstanden sind", so Fabio Pacucci von der Scuola
Normale Superiore im italienischen Pisa. "Über den Entwicklungsweg dieser
Schwarzen Löcher gibt es eine kontroverse Diskussion", ergänzt Kollege Andrea
Ferrara. "Unsere Untersuchung deutet darauf hin, dass wir uns langsam auf eine
Antwort zubewegen. Danach sind Schwarze Löcher schon von Geburt an relativ groß
und wachsen dann mit einer normalen Rate, anstatt sehr klein zu beginnen und
dann sehr schnell zu wachsen."
Leicht war die Identifikation der beiden Schwarze-Loch-Keime nicht: "Solche
Keime sind extrem schwer zu entdecken und die Bestätigung des Fundes ist äußerst
anspruchsvoll", so Andrea Grazian vom italienischen Istituto Nazionale di
Astrofisica (INAF). "Wir glauben, dass wir in dieser Studie die bislang
besten Kandidaten aufgespürt haben."
Sicher ist die Entdeckung allerdings noch nicht: Die Wissenschaftler planen
weitere Beobachtungen, um herauszufinden, ob diese Objekte tatsächlich alle
Eigenschaften aufweisen, die man für solche Schwarze-Loch-Keime erwartet. Für eine sichere Aussage, wie
supermassereiche Schwarze Löcher entstehen, müssten zudem noch zahlreiche
weitere dieser Keime entdeckt werden.
Über ihre Beobachtungen berichten die Astronomen in einem Fachartikel, der in
der Zeitschrift Monthly Notices of the Royal Astronomical Society
erschienen ist.
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