Ein Emissionsnebel in unserer Nachbargalaxie
von Stefan Deiters astronews.com
18. Mai 2016
Die europäische Südsternwarte ESO hat heute eine neue
Aufnahme des Nebels LHA 120-N55 veröffentlicht. Der Emissionsnebel liegt in der
Großen Magellanschen Wolke, einer Satellitengalaxie der Milchstraße. Zum
Leuchten angeregt wird das Objekt durch die zahlreichen massereichen und sehr
hellen Sterne, die in seiner Umgebung entstanden sind.

Der Emissionsnebel LHA 120-N55.
Bild: ESO [Großansicht] |
LHA 120-N55, meist nur N55 genannt, ist eine leuchtende Gaswolke in der
Großen Magellanschen Wolke, einer rund 163.000 Lichtjahre entfernten
Satellitengalaxie unserer Milchstraße. Der Nebel liegt in einer gewaltigen
blasenartigen Hülle, die Astronomen als "Superblase" bezeichnen. Sie trägt den
Namen LMC 4.
Superblasen können einen Durchmesser von mehreren Hundert Lichtjahren
erreichen. Sie entstehen durch die intensiven Winde von jungen heißen Sternen,
die zusammen mit Stoßwellen von Supernova-Explosionen dafür sorgen, dass das Gas
und der Staub in der Region weggeblasen werden und sich ein blasenförmiger
Leerraum bildet, der praktisch gas- und staubfrei ist.
Das Material, aus dem der Nebel N55 besteht, muss die Bildung der Superblase
LMC 4 irgendwie überstanden haben. Er liegt innerhalb des Hohlraums und ist von
einer Gruppe heller bläulich-weiß leuchtender Sterne umgeben. Diese Sterne mit
dem Katalognamen LH 72 dürften einige Hundert Millionen Jahre nach dem
Ereignis entstanden sein, das für die Bildung der Superblase verantwortlich
war. Sie sind nur wenigen Millionen Jahre alt und stehen damit für eine zweite
Sternentstehungsphase in dieser Region.
Die erst vor vergleichsweise kurzer Zeit entstandenen Sterne sind auch für
das spektakuläre Aussehen der Region verantwortlich. Die von ihnen ausgehende
intensive ultraviolette Strahlung ionisiert das Wasserstoffgas in N55, was für
ein charakteristisches rosafarbenes Leuchten sorgt. Diese typische Farbe von
leuchtendem Wasserstoffgas verrät Astronomen, dass in einer Region gerade junge
leuchtkräftige Sterne entstanden sind.
Das farbenprächtige Aussehen von N55 dürfte allerdings nicht von langer Dauer
sein: In einigen Millionen Jahren werden manche der massereichen Sterne rund um
den Nebel selbst als Supernovae explodieren und dabei das Material von N55 weit im
Raum verteilen. Dadurch könnte sich dann sogar eine neue Blase in der Superblase bilden.
Die Aufnahme basiert auf Daten, die mit FOcal Reducer and low dispersion
Spectrograph 2 (FORS2) gewonnen wurden, der an einem der großen Teleskope des
Very Large Telescope auf dem Gipfel des Paranal in Chile montiert ist. Es
entstand im Rahmen des Programms ESO Cosmic Gems. Dieses soll dazu
dienen, Bilder von schönen oder aus anderen Gründen faszinierenden Objekten für
die Öffentlichkeitsarbeit und für Bildungszwecke zu erstellen. Dazu werden vor
allem Zeiten genutzt, in denen die Teleskope nicht für wissenschaftliche Studien
verwendet werden können. Alle dabei gewonnenen Daten stehen aber auch Astronomen
für ihre wissenschaftliche Arbeit zur Verfügung.
|