2007 OR10 deutlich größer als gedacht?
von Stefan Deiters astronews.com
12. Mai 2016
Das Kuipergürtel-Objekt 2007 OR10 könnte deutlich größer
sein, als Astronomen bislang angenommen hatten. Messungen, die auf Archivdaten
des Infrarot-Weltraumteleskops Herschel und Beobachtungen des
Weltraumteleskops Kepler basieren, deuten auf einen Durchmesser von rund 1.535
Kilometern hin. Es wäre damit das drittgrößte bekannte Objekt im Kuipergürtel.
Aktualisierter Größenvergleich der größten
Objekte im Kuipergürtel.
Bild: Konkoly Observatory / András Pál,
Hungarian Astronomical Association / Iván Éder [Gesamtansicht] |
Ab den 1990er Jahren begannen Astronomen jenseits der Bahn des Neptun, im sogenannten Kuipergürtel,
immer mehr Objekte aufzuspüren, die teils eine beachtliche Größe hatten. Die
Entdeckung von Eris entfachte schließlich eine grundlegende Diskussion über den
Planetenbegriff, was schließlich dazu führte, dass Pluto im Jahr 2006 den Status
als Planet verlor.
Pluto wurde als Zwergplanet klassifiziert und ist noch immer das größte
bekannte Objekt im Kuipergürtel. Die genauen Ausmaße dieser Objekte zu bestimmen
ist allerdings äußerst schwierig, da sie von der Erde aus beobachtet nicht mehr
als ein äußerst lichtschwacher Punkt sind. Selbst die genaue Größe von Pluto weiß
man erst, seit die Sonde New Horizons den Zwergplaneten im Sommer des
vergangenen Jahres besucht hat.
Um etwas über die Größe und andere Eigenschaften der Objekte im Kuipergürtel
zu erfahren, müssen Astronomen auf alle Daten zurückgreifen, die ihnen zur
Verfügung stehen. So hat ein Team jetzt Daten der Weltraumteleskope Kepler
und Herschel kombiniert und damit die Größe des Objekts 2007 OR10 neu
berechnet.
Das überraschende Ergebnis: 2007 OR10 scheint deutlich größer zu sein, als
man bislang angenommen hatte. Mit einem Durchmesser von 1.535 Kilometern könnte
es sogar das drittgrößte bislang bekannte Objekt in dieser Region sein. Die
Astronomen stellten außerdem fest, dass das Objekt sehr dunkel sein muss und
sich sehr langsam um die eigene Achse dreht: Ein Tag auf 2007 OR10 dauert fast
45 Stunden.
"Kepler hat einen wichtigen Beitrag zur Abschätzung der Größe von
2007 OR10 geleistet", so Geert Barentsen vom Ames Research Center der
NASA. "Den wirklichen Unterschied macht aber die Kombination der Kepler-Daten
mit denen von Herschel, wodurch wir viele Informationen über die
physikalischen Eigenschaften des Objekts erhalten haben."
Mit dem Weltraumteleskop Kepler, das sich inzwischen in einer "K2"
genannten Missionsphase befindet, wird eigentlich nach leichten
Helligkeitsschwankungen von Sternen gefahndet, die durch einen vorüberziehenden
Planeten verursacht worden sein könnten. Die Empfindlichkeit für
Helligkeitsänderungen von Objekten kann aber auch in unserem Sonnensystem von
Vorteil sein, etwa um deren Rotationsperiode abzuschätzen.
Die Größe von 2007 OR10 war bislang auf Grundlage von Infrarotbeobachtungen
mit dem ESA-Weltraumteleskop Herschel abgeschätzt worden. Dabei musste
man von der Helligkeit des Objekts auf seine Größe schließen. Dies ist oft sehr
schwierig, da aus weiter Entfernung ein großes Objekt mit einer wenig
reflektierenden Oberfläche ähnlich erscheinen kann, wie ein kleines Objekt, das
eine sehr helle Oberfläche aufweist.
Mit den Daten von Kepler gelang es nicht nur, Informationen über das
Rotationsverhalten von 2007 OR10 zu gewinnen, sondern auch - durch Kombination
der Datensätze - dessen Rückstrahlvermögen zu bestimmen. Der Durchmesser erwies
sich dabei nicht nur als rund 250 Kilometer größer als angenommen, sondern die
Oberfläche auch als ungewöhnlich dunkel.
"Die neuen Größenangaben für 2007 OR10 machen es wahrscheinlicher, dass die
Oberfläche von Eis aus Methan, Kohlenmonoxid oder Stickstoff bedeckt ist, das
leicht verdampft und von kleineren Objekten schnell ins All entweicht", so Adrás
Pál vom Konkoly Obszervatórium in Budapest. "Es ist schon faszinierend,
Details wie diese über eine so entfernte neue Welt herauszufinden -
insbesondere, da das Objekt eine so außergewöhnlich dunkle und rötliche
Oberfläche für seine Größe hat."
Auch die neuen Messwerte sind allerdings noch mit erheblichen Ungenauigkeiten
behaftet: So wird der Durchmesser von 2007 OR10 mit 1535 +75/-225 Kilometern
angegeben. Auch die Rotationsperiode ist noch nicht sicher: Die Wissenschaftler
können bislang einen nur halb so langen Tag von nur 22,4 Stunden nicht vollständig
ausschließen.
Über ihre Resultate berichten die Forscher in einem Fachartikel, der im
Astronomical Journal erschienen ist.
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