Der Planet, den es nicht geben sollte
von Stefan Deiters astronews.com
4. Mai 2016
Die Nachricht, dass es in den äußeren Bereichen des
Sonnensystem wohlmöglich einen weiteren Planeten gibt, sorgte zu Beginn des
Jahres für Schlagzeilen. Doch wie und wo könnte dieser Planet Neun entstanden sein?
Astronomen haben verschiedene Szenarien mithilfe von Computersimulationen
durchgespielt. Das Ergebnis: Planet Neun sollte es eigentlich gar nicht geben.

So stellt sich ein Künstler Planet Neun vor.
Im Hintergrund die Sonne.
Bild: Caltech/R. Hurt (IPAC) [Großansicht] |
Im Januar machte der amerikanische Astronom Mike Brown wieder einmal
Schlagzeilen: Der Entdecker des "zehnten Planeten" Eris, der schließlich doch
"nur" als Zwergplanet klassifiziert wurde, hatte mit seinem Kollegen Konstantin
Batygin vom California Institute of Technology die Bahnen von Objekten
des Kuipergürtels untersucht und daraus auf die Existenz eines weiteren Planeten
geschlossen. Diese inzwischen "Planet Neun" getaufte Welt soll rund zehn
Mal weiter von der Sonne entfernt sein als Pluto und etwa die Masse von Neptun
haben.
Doch wie könnte dieser Planet, den bislang niemand beobachtet hat, auf eine
solche Bahn gelangt sein? Astronomen wollten dies herausfinden und haben dazu
eine Reihe von Computersimulationen angestellt. Das ernüchternde Ergebnis: "Die
Beweislage spricht für die Existenz von Planet Neun, aber wir können nicht
sicher erklären, wie er entstanden ist", so Gongjie Li vom California
Institute of Technology.
Li hat zusammen mit ihrem Kollegen Fred Adam von der University of Michigan
drei verschiedene Möglichkeiten mithilfe unzähliger Computersimulationen
untersucht: So könnte Planet Neun durch einen am Sonnensystem vorüberziehenden
Stern in die äußeren Bereiche des Sonnensystems und in eine elliptische
Umlaufbahn abgelenkt worden sein. Allerdings wäre es, so die Simulationen,
erheblich wahrscheinlicher, dass der Planet dann ganz aus dem Sonnensystem
gerissen wird. Li und Adams schätzen die Wahrscheinlichkeit, dass Planet Neun so
auf seine Bahn gelangt ist, auf gerade einmal zehn Prozent - wobei er sich
dazu schon zuvor auf einer ungewöhnlich weiten Bahn befunden haben muss.
Mit genau diesem Problem hat sich Lis Kollege Scott Kenyon befasst, der
zusammen mit Benjamin Bromley von der University of Utah die Entstehung von
Planet Neun in einem weiten Orbit mithilfe von Computermodellen simulierte.
"Die einfachste Lösung ist, dass im Sonnensystem einfach ein Gasplanet mehr
entstanden ist", so Kenyon. Dieser entstand in etwa dort, wo sich auch Jupiter
und Saturn bildeten, wurde dann aber durch ein gravitatives Wechselspiel
zwischen den Welten auf seinen späteren Orbit abgelenkt. Dieses Wechselspiel musste
allerdings genau "passen" - ansonsten wäre der Planet ganz aus dem
Sonnensystem geworfen worden.
Auch die Entstehung in größerer Entfernung von der Sonne ist nach den
Berechnungen von Kenyon und Bromley denkbar. Unter bestimmten Umständen könnte
ein Planet hier ausreichend schnell entstehen, um dann von dem von Li
postulierten vorüberziehenden Stern in die endgültige Bahn abgelenkt zu werden.
Zwischen beiden Szenarien könnte man sogar unterschieden, sobald man Planet Neun
entdeckt hat: "Ein ausgestoßener Gasriese würde wie ein kalter Neptun
aussehen, ein in den Außenbereichen entstandener Planet wie ein riesiger Pluto ohne
Gas," so Kenyon.
Li und Adams untersuchten auch die Wahrscheinlichkeit, dass Planet Neun aus
einem vorüberziehenden Planetensystem eingefangen wurde oder dass es sich bei
der vermuteten Welt ursprünglich um einen Planeten handelte, der ohne Sonne
durch die Milchstraße vagabundiert ist. Die Wahrscheinlichkeit für jedes dieser
beiden Szenarien liegt nach Ansicht der Forscher bei unter zwei Prozent.
Li und Adams berichten über ihre Studie in der Zeitschrift Astrophysical
Joural Letters. Die Untersuchung von Kenyon und Bromley soll in zwei Artikeln im
Astrophysical Journal erscheinen.
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