Weltraumteleskop in Schwierigkeiten
von Stefan Deiters astronews.com
11. April 2016 (Update 11. April 2016, 23 Uhr)
Das Weltraumteleskop Kepler, mit dem schon unzählige
extrasolare Planeten aufgespürt worden sind, befindet sich offenbar in
Schwierigkeiten: Bei einem regulären Funkkontakt mit dem Teleskop am Donnerstag
wurde festgestellt, dass sich das Teleskop im Notfallmodus befindet. Dabei
wollte man gerade mit einer neuen, ganz besonderen Beobachtungskampagne
beginnen.

Das Weltraumteleskop Kepler sucht nach
extrasolaren Planeten.
Bild: NASA [Großansicht] |
Das Weltraumteleskop Kepler steckt offenbar in Schwierigkeiten: Die NASA
teilte Ende der vergangenen Woche mit, dass während eines regulären
Funkkontakts am Donnerstag festgestellt worden sei, dass sich das Teleskop in einem
"Notfallmodus" befindet. In diesem Modus stehen nur die grundlegendsten
Funktionen zur Verfügung. Das Missionsteam hat nun offiziell einen Notfall für
das Teleskop
erklärt. Dadurch haben sie bevorzugten Zugriff auf Kapazitäten das Deep Space Network zur
Kommunikation mit Kepler.
Offenbar befand sich Kepler bereits in diesem Modus, bevor das Kontrollteam
mit Manövern begann, mit deren Hilfe das Teleskop neu ausgerichtet werden sollte.
Geplant war nämlich, dass Kepler an einer großangelegten
Mikrolinsen-Beobachtungskampagne teilnimmt, wozu es in Richtung des
Milchstraßenzentrums gedreht werden muss. Die Kommunikation mit Kepler wird
dadurch erschwert, dass sich das Teleskop rund 120 Millionen Kilometer von der
Erde entfernt befindet und es daher etwa 13 Minuten dauert, bis eine Reaktion
auf einen Befehl die Erde wieder erreicht.
Im Rahmen der geplanten Mikrolinsen-Beobachtungskampagne sollte Kepler für
etwa drei Monate Millionen von Sterne in Richtung des galaktischen Zentrums
anvisieren und hier nach winzigen Helligkeitsschwankungen fahnden, die nicht
durch einen Transit, sondern durch den sogenannten Mikrolinsen-Effekt verursacht
werden. Wandert ein Objekt durch die Sichtlinie von der Erde zu einer fernen
Sonne, sorgt die Krümmung des Raums durch die Masse des Planeten kurzzeitig für
eine geringfügige Verstärkung des Lichts des fernen Sterns.
Ein solcher Linseneffekt ist vor allem von gewaltigen Galaxienhaufen
bekannt, deren enorme Masse das Licht von "hinter" dem Haufen liegender Objekte
verstärkt und so oftmals deren Beobachtung erst ermöglicht. Ein durch die
Sichtlinie wandernder Planet hat einen viel geringeren Effekt, sollte sich aber
mit der empfindlichen Kamera von Kepler noch immer nachweisen lassen. Vor allem
könnte man auf diese Weise auch planetenähnliche Objekte
aufspüren, die an keinen Zentralstern gebunden sind und zufällig die
Sichtlinie kreuzen.
Während der Kampagne waren ergänzende Beobachtungen mit zahlreichen
Teleskopen auf der Erde geplant. Würde nämlich ein solches Ereignis nicht nur
von Kepler aus dem All, sondern auch von der Erde aus beobachtet, ließe sich
durch Kombination der Daten der Ort des Objekts bestimmen, das für den Mikrolinsen-Effekt
verantwortlich war.
Die Kepler-Mission befindet sich aktuell in ihrer zweiten, in dieser Form
nicht geplanten Phase: Kepler wurde gestartet, um mithilfe der sogenannten
Transitmethode nach Planeten zu suchen. Dazu wurden vom Teleskop ständig über
150.000 Sterne anvisiert, deren Helligkeit die Detektoren vermessen haben.
Wanderte - aus Keplers Perspektive - ein Planet direkt vor seiner Sonne entlang,
verdunkelte er seinen Zentralstern ein wenig - ein Helligkeitsabfall, den Kepler
registrieren konnte. Die Stärke des Helligkeitsabfalls erlaubt zudem
Rückschlüsse auf die Größe des Planeten relativ zu seiner Sonne.
Unerlässlich für solche Beobachtungen ist aber eine präzise Ausrichtung des
Teleskops. Diese sollte mithilfe von vier Kreiselinstrumenten gewährleistet
werden, von denen mindestens drei funktionieren müssen, um die notwendige
Genauigkeit zu erreichen. Als 2013 ein zweiter Kreisel ausfiel, schien die
Kepler-Mission beendet zu sein. Doch das Kepler-Team wollte ihr Teleskop so
schnell nicht aufgeben: Sie entwickelte ein alternatives "K2" genanntes
Missionskonzept, das auch einen Betrieb von Kepler mit nur zwei funktionierenden
Kreisel ermöglicht.
Bis in die vergangenen Woche verlief diese K2-Mission außerordentlich
erfolgreich. Während des letzten regulären Kontakts mit dem Teleskop am 4. April
hatte noch nichts auf ein Problem hingedeutet. Alle Systeme funktionierten wie
erwartet.
Update (11. April 2016, 23 Uhr): Die NASA hat am Abend
bekannt gegeben, dass sich Kepler seit Sonntag nicht mehr im
Notfallmodus befindet. Die technischen Daten, die nun von Kepler zur
Erde übertragen werden, sollen im Laufe der Woche ausgewertet werden, um den
genauen Zustand des Teleskops festzustellen und die Ursache für das Problem zu
lokalisieren. Als Ursache ausgeschlossen wird bislang der Ausfall eines weiteren
Kreiselinstruments. Kepler soll möglichst bald wieder seine
wissenschaftlichen Beobachtungen aufnehmen, wenn alle Systeme entsprechend
funktionieren. Die Möglichkeit, sich an Beobachtungen in Richtung des
galaktischen Zentrums zu beteiligen, besteht noch bis zum 1. Juli.
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