Eine entstehende Erde um TW Hydrae?
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astronomie astronews.com
1. April 2016
Mithilfe des Radioteleskopverbunds ALMA gelangen Astronomen
jetzt die bislang detailreichsten Aufnahmen eines jungen
Planetensystem-Vorläufers rund um den Stern TW Hydrae. Lücken in der
protoplanetaren Scheibe könnten genau an der Stelle auf die Entstehung eines
Planeten hindeuten, an der sich in unserem Sonnensystem die Erde befindet.

ALMA-Bild der protoplanetaren Scheibe um den
jungen Stern TW Hydrae. Die in beiden Bildern
sichtbaren ringförmigen Lücken könnten auf das
Vorhandensein von Planeten hindeuten. Das
Zoombild zeigt die innere Scheibenregion. Dort
befindet sich eine Lücke, deren Abstand vom Stern
dem Abstand der Erde von der Sonne entspricht.
Bild:
S. Andrews (Harvard-Smithsonian CfA), ALMA
(ESO/NAOJ/NRAO) [Großansicht] |
Wir können zwar nicht in der Zeit zurückreisen und mit eigenen Augen beobachten,
wie unsere Erde einst aus einer sogenannten protoplanetaren Scheibe um die junge
Sonne entstanden ist. Vor über vier Milliarden Jahren dürften in dieser dichten
Scheibe aus Gas und Staub winzige Eis- und Staubkörner verklumpt sein, bis
daraus immer größere Objekte wurden und sich schließlich die Planeten und auch
die Erde bildete.
Astronomen können allerdings entfernte Sternsysteme beobachten, die sich in
demselben frühen Entwicklungszustand befinden wie unser Sonnensystem vor
mehreren Milliarden Jahren. Die Geburt einer anderen Erde haben Astronomen dabei
noch nicht direkt beobachten können, aber sie sind diesem Ziel jetzt einen
wichtigen Schritt näher gekommen.
Beobachtungen einer protoplanetaren Scheibe haben zum ersten Mal Strukturen auf
Größenskalen des inneren Bereichs unseres Sonnensystems sichtbar gemacht, also
einer Region, in dem sich auch unsere Erde befindet. In der Scheibe um den
jungen Stern TW Hydrae konnten sie eine ringförmige Lücke ausmachen, die auf das
Vorhandensein eines neu entstehenden Planeten hinweisen könnte.
Diese Lücke ist genau so weit von TW Hydrae entfernt wie die Erde von der Sonne.
Wenn die Entstehungsprozesse in der Umgebung von TW Hydrae ähnlich vor sich
gehen wie damals bei unserer Sonne, wäre dies ein naheliegender Geburtsort für
erdähnliche Planeten oder ihre größeren Verwandten, die massereicheren
Supererden.
TW Hydrae ist ein junger Stern im Sternbild Wasserschlange, der von einer
protoplanetaren Scheibe aus Gas und Staub umgeben ist. Mit einem Abstand von nur
176 Lichtjahren von der Erde ist dies eine der uns nächsten protoplanetaren
Scheiben, und entsprechend auch eine der am besten untersuchten. Bis 2012 konnte
die Scheibe allerdings nur indirekt untersucht werden - direkte Abbildungen der
Scheibe und ihrer Struktur gab es noch nicht. Ab Ende 2014 setzte das neu in
Betrieb genommene ALMA-Observatorium dann neue Maßstäbe für die Beobachtungen
von Staub in solchen Scheiben.
Staub ist das Rohmaterial für erdähnliche Planeten und die festen Kerne von
Gasriesen. Dank ALMA konnten Staubstrukturen detailreicher und mit größerer
Empfindlichkeit abgebildet werden als zuvor. Nun hat eine Gruppe von Astronomen
unter der Leitung von Sean Andrews vom Harvard-Smithsonian Center for
Astrophysics in Cambridge im US-Bundesstaat Massachusetts mithilfe von ALMA
das bislang detailreichste Bild der Scheibe um TW Hydrae aufgenommen - und die
Möglichkeiten des ALMA-Observatoriums dabei aufs äußerste ausgereizt.
"Das ist das am höchsten aufgelöste Bild, das ALMA je von einer protoplanetaren
Scheibe aufgenommen hat", so Andrews. "Diese Auflösung wird auch in Zukunft
schwer zu übertreffen sein." In den nächsten Jahren dürfte ALMA keine
protoplanetare Scheibe mit höherer Auflösung abbilden als hier geschehen.
Deutlich ist in dem Bild eine Struktur aus Ringen und ringförmigen Lücken in der
protoplanetaren Scheibe zu sehen, und das bis hin zu den innersten
Scheibenregionen, die von der Größe her den inneren Regionen unseres
Sonnensystems entsprechen. Zuvor hatte ALMA ähnliche, aber deutlich größere
Ringe in einer anderen Scheibe um den Stern HL Tauri gezeigt. (astronews.com
berichtete) Jene andere Scheibe ist allerdings deutlich jünger - eine Million
Jahre im Vergleich zu den 10 Millionen Jahren bei TW Hydrae - und die Astronomen
waren einigermaßen überrascht, in einer vergleichsweise alten Scheibe solche
engen, perfekt symmetrischen Ringe zu finden.
"Wir kennen einige Mechanismen, die derartige Strukturen erzeugen können:
Magnetfelder etwa oder bestimmte Arten von Strömungsstabilitäten", spekuliert
Tilman Birnstiel vom Max-Planck-Institut für Astronomie, der an den
Beobachtungen beteiligt war. "Die spannendste Möglichkeit ist natürlich, dass es
sich um Spuren von Planeten handelt, die um TW Hydrae umlaufen. Die Scheibe ist
alt genug, dass sich Planeten gebildet haben könnten. Diese Planeten würden Gas
und Staub entlang ihrer Umlaufbahnen aufsammeln und so die ringförmigen Lücken
erzeugen."
Als nächstes sind die Theoretiker am Zuge, die sich mit Planetenentstehung
beschäftigen. Sie müssen jetzt zeigen, wie die neuen Beobachtungsdaten zu ihren
Modellen der Planetenentstehung passen. "Wir Theoretiker müssen jetzt vor allem
zeigen, wie sich anhand von Beobachtungen zwischen den verschiedenen möglichen
Erklärungen für die Lücken unterscheiden lässt - und welches die richtige
Erklärung ist", so Birnstiel. "Aber egal was sich als die richtige Antwort
herausstellt: Schon jetzt ist sicher, dass diese Beobachtung ein Meilenstein für
unser Verständnis der Planetenentstehung sein wird."
Über ihre Beobachtungen berichten die Wissenschaftler in einem Fachartikel, der in
der Zeitschrift Astrophysical Journal Letters erschienen ist.
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