Eine Galaxie am Rand der lokalen Gruppe
von Stefan Deiters astronews.com
24. März 2016
Wer zu einer Gruppe gehört, kann trotzdem ganz schön einsam
sein. Das beweist die Galaxie Wolf-Lundmark-Melotte, die zwar Teil unseres
Heimatgalaxienhaufens ist, aber vermutlich noch nie Kontakt zu anderen Galaxien
hatte. Die europäische Südsternwarte ESO hat gestern eine neue Aufnahme dieser
einsamen Galaxie veröffentlicht.

Blick auf die Galaxie Wolf-Lundmark-Melotte.
Bild: ESO / VST / Omegacam Local Group Survey [Großansicht] |
Galaxien sind in der Regel keine Einzelgänger, sondern sind Teil von Gruppen
oder Haufen. Das gilt auch für unsere Heimatgalaxie, die Milchstraße: Sie gehört
zur "lokalen Gruppe" und ist - zusammen mit der Andromedagalaxie - sogar das
dominierende Mitglied dieses kleinen Galaxienhaufens.
Die Galaxien eines Haufens sind durch ihre Anziehungskraft aneinander
gebunden, was in der Regel dazu führt, dass es auch immer wieder zu
Wechselwirkungen zwischen ihnen kommt. Diese können die einzelnen Galaxien
erheblich beeinflussen: So werden etwa die Milchstraße und die Andromedagalaxie
in einigen Milliarden Jahren zu einer noch größeren, vermutlich elliptischen
Galaxie verschmelzen.
Ganz anders sieht das jedoch bei der Galaxie Wolf-Lundmark-Melotte - kurz WLM
- aus, die auf einer gestern von der europäischen Südsternwarte ESO
veröffentlichten Aufnahme zu sehen ist. Das System befindet sich ganz am Rand
der lokalen Gruppe und liegt rund drei Millionen Lichtjahre von der Milchstraße
entfernt im Sternbild Walfisch.
WLM wurde 1909 vom deutschen Astronomen Max Wolf entdeckt. Rund 15 Jahre
später stellten dann die Astronomen Knut Lundmark und Philibert Jacques Melotte
fest, dass es sich bei dem Objekt um eine Galaxie handelt. WLM ist eine
vergleichsweise kleine Galaxie, in der man keinerlei Strukturen erkennen kann.
Sie ist als irreguläre Zwerggalaxie klassifiziert und hat einen Durchmesser von
maximal 8.000 Lichtjahren.
Kleine Galaxien wie WLM gelten als Bausteine für deutlich größere Objekte und
sollten im Laufe der Zeit eigentlich längst mit anderen Systemen verschmolzen
sein. Doch offenbar hat der recht abgelegene Ort von WLM sie vor diesem
Schicksal bewahrt. Die Astronomen vermuten, dass sich die kleine Galaxie
praktisch unbeeinflusst von ihrer Umgebung entwickelt hat.
Um WLM gibt es einen ausgedehnten Halo aus sehr lichtschwachen rötlichen
Sternen. Die Farbe ist auch ein Hinweis auf das hohe Alter der Sterne und es ist
nicht unwahrscheinlich, dass dieser Halo noch aus der Zeit stammt, in der sich
die Galaxie gebildet hat. Er könnte daher auch Hinweise auf den
Entstehungsprozess liefern. Die Sterne im Zentralbereich der Galaxie erscheinen
bläulicher und damit jünger.
Die Daten für die Ansicht von WLM wurden mit der OmegaCAM am VLT
Survey Telescope (VST) der ESO auf dem Gipfel des Paranal in Chile
gewonnen. Beim VST handelt es sich um ein Spezialteleskop für großflächige
Himmelsdurchmusterungen. Sein Sichtfeld entspricht in etwa dem doppelten
Vollmonddurchmesser.
Das VST ist ein 2,6-Meter-Teleskop mit aktiver Optik, die während der
Beobachtungen für eine perfekte Positionierung des Spiegels sorgt. Auch die
Luftunruhe der Atmosphäre kann mit der modernen Optik praktisch herausgefiltert
werden. Im Herzen des Teleskops befindet sich die 770 Kilogramm schwere
OmegaCAM, die aus 32 CCD-Detektoren besteht, mit denen sich zusammen Bilder
mit einer Auflösung von 268 Megapixel erstellen lassen.
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