Der
Beschleuniger im Zentrum der Milchstraße
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Kernphysik astronews.com
17. März 2016
Mithilfe der H.E.S.S.-Teleskope in Namibia haben
Astronomen eine Quelle der hochenergetischen kosmischen Strahlung identifiziert: Die Partikel werden vom supermassereichen Schwarzen Loch im Zentrum der
Milchstraße beschleunigt. Um allerdings die gesamte Strahlung in diesem
Energiebereich erklären zu können, müsste das Schwarze Loch einst aktiver
gewesen sein.

Künstlerische Darstellung der Entstehung von
Gammastrahlung. Von Sagittarius A* beschleunigte
Protonen wechselwirken mit Molekülwolken der
Umgebung, was Pionen erzeugt, die zu
Gammaphotonen zerfallen.
Bild:
Dr. Mark Garlick / H.E.S.S. Collaboration [Großansicht] |
Seit mehr als zehn Jahren kartographieren die H.E.S.S.-Teleskope in Namibia das
Zentrum der Milchstraße in höchstenergetischer Gammastrahlung. Dieses Gammalicht
wird von sogenannter kosmischer Strahlung im innersten Bereich unserer Galaxie
erzeugt. Mit einer detaillierten Analyse neuester H.E.S.S.-Daten ist es ihnen
gelungen, zum ersten Mal eine Quelle galaktischer kosmischer Strahlung mit
Petaelektronvolt-Energie zu identifizieren: Das supermassereiche Schwarze Loch
im Zentrum der Milchstraße.
Unsere Erde ist ständig dem Bombardement hochenergetischer Teilchen aus dem
Weltall ausgesetzt; dabei handelt es sich um Protonen, Elektronen und Atomkerne,
die gemeinhin als "kosmische Strahlung" bezeichnet werden. Die Frage, welche
astrophysikalischen Quellen die kosmische Strahlung produzieren, treibt die
Wissenschaftler schon seit mehr als einem Jahrhundert um. Das Problem: Die
Teilchen sind elektrisch geladen, weshalb sie in interstellaren Magnetfeldern
von ihrer geraden Bahn abgelenkt werden. Aus diesem Grund zeigt ihre
Ankunftsrichtung nicht auf ihren Produktionsort zurück.
Glücklicherweise jedoch treten die Teilchen der kosmischen Strahlung in der Nähe
ihrer Quellen häufig mit interstellarem Gas oder Photonen in Wechselwirkung;
dabei wird hochenergetische Gammastrahlung produziert, welche die Erde auf
geradem Weg erreicht. Diese Gammastrahlung können die Forscher ausnutzen, um die
Quellen der kosmischen Strahlung am Himmel sichtbar zu machen.
Wenn Gammastrahlung auf die Erdatmosphäre trifft, produziert sie kurze
Lichtblitze, die von großen Spiegelteleskopen mit schnellen Lichtsensoren
erfasst werden können. Mit dieser Technik wurden in den letzten Jahrzehnten mehr
als 100 Quellen hochenergetischer Gammastrahlung am Himmel entdeckt. H.E.S.S.,
das High Energy Stereoscopic System, welches in Namibia von
Wissenschaftlern aus zwölf Nationen betrieben wird, ist das zurzeit
empfindlichste Instrument für ihren Nachweis.
Bisher war bekannt, dass kosmische Strahlung mit Energien bis zu etwa 100
Teraelektronvolt, das entspricht etwa dem 1000-Milliardenfachen der Energie des
sichtbaren Lichts, in der Milchstraße erzeugt wird, etwa durch
Supernova-Überreste und Pulsarwindnebel. Jedoch legen theoretische Argumente und
die direkte Vermessung der kosmischen Strahlung nahe, dass diese Teilchen in
unserer Galaxie bis zu Energien von mindestens einem Petaelektronvolt, also
1.000 Teraelektronvolt beschleunigt werden sollten.
Doch während in den letzten Jahren zahlreiche Quellen entdeckt wurden, die
kosmische Strahlung zu Multi-TeV-Energien beschleunigen, blieb die Suche nach
den Beschleunigern der höchstenergetischen galaktischen kosmischen Strahlung
bislang erfolglos. Detaillierte Beobachtungen des Zentrums der Milchstraße, die
mit den H.E.S.S.-Teleskopen während der letzten zehn Jahre durchgeführt wurden,
liefern jetzt erste Antworten.
Schon während der ersten Beobachtungsjahre hatte H.E.S.S. eine starke kompakte
Quelle sowie ein ausgedehntes Band diffuser höchstenergetischer Gammastrahlung
im galaktischen Zentrum nachgewiesen. Die diffuse Strahlung erstreckt sich über
eine Region mit etwa 500 Lichtjahren Durchmesser, die dichte Molekülwolken
beinhaltet. Die Gammastrahlung entsteht, wenn kosmische Strahlung mit dem
Material der Wolken in Wechselwirkung tritt.
Der Nachweis dieser diffusen Strahlung mit H.E.S.S. ist ein deutlicher Hinweis
darauf, dass sich eine Quelle kosmischer Strahlung in dieser Region befinden
muss; die Quelle selbst konnten die Forscher seinerzeit jedoch nicht eindeutig
identifizieren. Die Analyse weiterer H.E.S.S.-Beobachtungen aus den Jahren 2004
bis 2013, die die Forscher kürzlich veröffentlichten, warf ein neues Licht auf
die Beschleunigungsprozesse im galaktischen Zentrum.
"Die deutlich größere Menge an Beobachtungsdaten und Fortschritte in den
Analysetechniken haben es erlaubt, zum ersten Mal sowohl die räumliche
Verteilung als auch die Energie der kosmischen Strahlung im galaktischen Zentrum
zu vermessen", erläutert Aion Viana vom Max-Planck-Institut für Kernphysik in
Heidelberg.
Mit diesen bisher beispiellosen Messungen sind die Forscher zum ersten Mal in
der Lage, auch den Ursprung dieser Teilchen zu bestimmen: "Im Zentrum der
Milchstraße gibt es also einen astrophysikalischen Beschleuniger, der Protonen
auf Energien von bis zu einem Petaelektronvolt beschleunigt hat, und das
kontinuierlich über mindestens 1.000 Jahre", folgert Emmanuel Moulin vom CEA
Saclay.
Der Zentralbereich unserer Milchstraße beherbergt viele Objekte, die kosmische
Strahlung großer Energie erzeugen können, unter anderem einen Supernovaüberrest,
einen Pulsarwindnebel und einen kompakten Sternhaufen. "Dennoch ist das
supermassereiche Schwarze Loch im galaktischen Zentrum, das Sagittarius A*
genannt wird, die plausibelste Quelle der Petaelektronvolt-Protonen", ist
Max-Planck-Wissenschaftler Felix Aharonian überzeugt. "Mehrere
Beschleunigungsregionen sind vorstellbar, entweder in der unmittelbaren Umgebung
des Schwarzen Lochs oder etwas weiter außerhalb, wo ein Teil des Materials, das
in Richtung des schwarzen Lochs fällt, wieder herausgeschleudert und
möglicherweise in der Umgebung weiter beschleunigt wird."
Die Vermessung der Gammastrahlung aus dem galaktischen Zentrum liefert den
Wissenschaftlern deutliche Hinweise darauf, dass Sagittarius A* Protonen auf
eine Energie von bis zu einem Petaelektronvolt beschleunigt. Die Messungen
zeigen aber auch, dass diese Quelle allein den auf der Erde gemessenen Fluss der
kosmischen Strahlung nicht aufrechterhalten kann. "Wenn Sagittarius A* aber in
der Vergangenheit aktiver war", so Christopher van Eldik von der Universität
Erlangen, "dann könnte sie tatsächlich für die gesamte galaktische kosmische
Strahlung verantwortlich sein".
Über ihre Untersuchungen berichten die Astronomen jetzt in der
Zeitschrift Nature.
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