Atomuhr mit noch höherer Genauigkeit
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Physikalisch-Technische Bundesanstalt astronews.com
15. Februar 2016
Einer Forschergruppe der Physikalisch-Technischen
Bundesanstalt (PTB) ist es gelungen, eine Atomuhr zu konstruieren, die etwa
100-mal genauer ist, als die bislang verwendeten Caesium-Atomuhren. Das
Funktionsprinzip dieser Ytterbium-Uhr könnte Wissenschaftler sogar bei der Suche
nach Dunkler Materie oder Hinweisen auf eine neue Physik helfen.
Die Hochfrequenzfalle der optischen
Ytterbium-Einzelionen-Uhr der PTB.
Bild: PTB [Großansicht] |
Als erste Forschergruppe weltweit haben Atomuhren-Spezialisten der
Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) jetzt eine optische Einzelionen-Uhr
gebaut, die eine bisher nur theoretisch vorhergesagte Genauigkeit erreicht. Der
spätere Nobelpreisträger Hans Dehmelt hatte 1981 die grundlegenden Ideen
entwickelt, wie sich mit einem in einer Hochfrequenzfalle gespeicherten Ion eine
Uhr bauen lässt, die eine – damals unglaublich kleine – relative
Messunsicherheit im Bereich von 10–18 erreichen kann.
Seitdem haben weltweit immer mehr Forschergruppen versucht, dies mit optischen
Atomuhren – entweder auf der Basis einzelner gespeicherter Ionen oder vieler
neutraler Atome – zu realisieren. Für die Einzelionen-Uhr sind die
PTB-Wissenschaftler jetzt die ersten, die die Ziellinie überschritten haben.
Ihre optische Ytterbium-Uhr erreichte eine relative systematische
Messunsicherheit von 3 ∙ 10–18.
Die Definition und Darstellung der SI-Zeiteinheit Sekunde beruht gegenwärtig auf
Cäsium-Atomuhren. Ihr "Pendel" sind Atome, die von Mikrowellenstrahlung (1010
Hz) zu Resonanz angeregt werden. Es gilt als sicher, dass eine zukünftige
Neudefinition der Standardsekunde auf einer optischen Atomuhr beruhen wird. Bei
ihnen ist die Anregungsfrequenz wesentlich höher (1014 bis 1015
Hz), sodass diese Uhren erheblich stabiler und genauer arbeiten können als
Cäsium-Uhren.
Die jetzt mit der Ytterbium-Uhr erreichte Genauigkeit ist ungefähr 100-fach
besser als die der besten Cäsium-Uhren. Bei der Entwicklung der Uhr haben sich
die PTB-Forscher einige besondere atomphysikalische Eigenschaften von Yb+
zunutze gemacht. Dieses Ion hat zwei Referenzübergänge, die für eine optische
Uhr genutzt werden können. Der erste basiert auf der Anregung in den sogenannten
F-Zustand, der wegen seiner extrem langen natürlichen Lebensdauer (rund sechs
Jahre) eine äußerst schmale Resonanz liefert. Zusätzlich sind wegen der
besonderen elektronischen Struktur des F-Zustands die Verschiebungen der
Resonanzfrequenz durch elektrische und magnetische Felder außergewöhnlich klein.
Der andere Referenzübergang (zum D3/2-Zustand) zeigt größere
Frequenzverschiebungen und dient deshalb als empfindlicher "Sensor" zur
Optimierung und Kontrolle der Betriebsbedingungen. Vorteilhaft ist auch, dass
die Wellenlängen der für die Präparation und Anregung von Yb+
benötigten Laser in einem Bereich liegen, in dem zuverlässige und relativ
kostengünstige Halbleiterlaser eingesetzt werden können.
Entscheidend für den letzten Genauigkeitssprung war die Kombination von zwei
Maßnahmen: Zum einen wurde für die Anregung des Referenzübergangs ein spezielles
Verfahren ersonnen, in dem die vom Anregungslaser verursachte
"Lichtverschiebung" der atomaren Resonanzfrequenz separat gemessen wird. Diese
Information wird dann verwendet, um die Anregung des Referenzübergangs gegen die
Lichtverschiebung und ihre mögliche Variation zu immunisieren.
Zum anderen wurde die von der thermischen Infrarotstrahlung der Umgebung
hervorgerufene Frequenzverschiebung (die für den F-Zustand von Yb+
ohnehin relativ klein ist) mit einer Messunsicherheit von nur drei Prozent
bestimmt. Hierfür wurden bei vier verschiedenen Wellenlängen im Infrarotbereich
die von Laserlicht erzeugte Frequenzverschiebung und seine Intensitätsverteilung
am Ort des Ions gemessen.
Eine weitere besondere Eigenschaft des F-Zustands von Yb+ ist die
empfindliche Abhängigkeit der Zustandsenergie vom Wert der Feinstrukturkonstante
(der elementaren Naturkonstante der elektromagnetischen Wechselwirkung) und von
Anisotropie-Effekten in der Wechselwirkung zwischen Elektronen und einigen
potenziellen Formen der sogenannten Dunklen Materie, die eine wichtige Rolle im
gegenwärtigen kosmologischen Standardmodell spielt. Vergleiche zwischen Yb+-Uhren
und mit anderen hochgenauen optischen Uhren sind derzeit wahrscheinlich der
erfolgversprechendste Weg, Theorien aus diesem Bereich der "Neuen Physik" im
Labor zu überprüfen.
Über ihr Ergebnisse berichten die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift
Physical Review Letters.
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