Krebsforschung in Schwerelosigkeit
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
26. Januar 2016
Rund sechs Minuten Schwerelosigkeit bot der Flug der
DLR-Höhenforschungsrakete TEXUS 53 insgesamt fünf Experimenten deutscher
Wissenschaftler. Untersucht wurden in dieser Zeit der Einfluss der
Schwerelosigkeit auf Krebszellen und Pflanzen, präzise Laserinstrumente sowie
Verfahren zur Herstellung effektiverer Solarzellen.
Start der
TEXUS-53-Rakete am Sonnabend.
Foto: DLR [Großansicht] |
Am 23. Januar 2016 haben fünf Experimente deutscher Wissenschaftler an Bord
einer TEXUS-Forschungsrakete des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt
(DLR) einen "kurzen Abstecher" in die Schwerelosigkeit gemacht: Rund sechs
Minuten lang konnten die Versuche aus Biologie, Physik und Materialforschung
ohne den Einfluss irdischer Schwerkraft ablaufen.
Die Experimente sollen unter anderem dazu beitragen, Fragen aus der
Krebsforschung zu beantworten und Solarzellen zu optimieren. Die TEXUS-53-Rakete
war um 9.30 Uhr vom Raumfahrtzentrum Esrange bei Kiruna in Nordschweden
gestartet und hatte die Experimente in eine Höhe von 253 Kilometern getragen.
Den Mechanismen, die in Krebszellen ablaufen, wollen Forscher der Universität
Magdeburg auf die Spur kommen. In ihrem Experiment THYROID untersuchen sie daher
den Einfluss der Schwerelosigkeit auf isolierte menschliche
Schilddrüsen-Krebszellen. "Mit den Ergebnissen wird es für uns noch besser
möglich sein, frühe Genveränderungen zu erfassen und deren Bedeutung für den
Stoffwechsel in den Zellen abzuschätzen", erklärt Projektleiterin Prof. Daniela
Grimm.
Frühere Experimente in Schwerelosigkeit hatten bereits bewiesen, dass kurze
Phasen der Schwerelosigkeit sowohl die Struktur als auch die Gene der Zellen
beeinflussen. Außerdem scheint Langzeit-Schwerelosigkeit in der Lage zu sein,
Änderungen beim Zellwachstum hervorzurufen und die Bösartigkeit dieser Zellen
abzumildern. Diese Ergebnisse zeigen, dass die Forschung an Krebszellen unter
Schwerelosigkeit neue Erkenntnisse ermöglicht, die bei der Entwicklung von neuen
Ansätzen für Antikrebs-Wirkstoffe hilfreich sein können. Auf dem TEXUS-53-Flug
wollen die Wissenschaftler vor allem die Gene und Proteine der Krebszellen
detailliert bestimmen.
Ob die Solarenergie zukünftig eine wachsende Rolle bei der globalen
Energiegewinnung spielen kann, hängt neben den Speichermöglichkeiten vor allem
von der Effizienz und Qualität der einzelnen Solarzellen ab. Diese zu
optimieren, ist Ziel des Experiments von Forschern des Fraunhofer-Instituts für
Integrierte Systeme und Bauelemente-Technologie (IISB) in Erlangen und der
Universität Freiburg. "ParSiWal-2" (Bestimmung der kritischen
Einfanggeschwindigkeit von Partikeln bei der gerichteten Erstarrung von
Solarsilizium im Weltall) untersucht den unerwünschten Einbau von Siliziumnitrid
(Si3N4)-Partikeln, der bei der Kristallisation von Siliziumkristallen auftreten
kann.
Da dieser Einbau die Qualität der Solarzellen mindert, gilt es
herauszufinden, wie sich dies bei der Produktion zukünftig vermeiden lässt.
Bereits auf dem Flug von TEXUS 51 im April 2015 hatten die Wissenschaftler mit
dem Vorläuferexperiment ParSiWal den Einbau von Siliziumkarbid (SiC)-Partikeln
erfolgreich untersucht.
Optische Laser werden bereits in vielen Forschungsbereichen angewendet, etwa
in der Klimaforschung, um Spurengase in der Atmosphäre aufzuspüren, oder in der
Astrophysik. Beim Experiment "FOKUS-1B" (Faserlaser-basierter optischer
Kammgenerator unter Schwerelosigkeit) wird ein am Max-Planck Institut für
Quantenoptik entwickelter optischer Laser (Frequenzkamm) auf seine
Anwendungsfähigkeit in der Raumfahrt getestet.
Im KALEXUS-Experiment (Kalium-Laser-Experimente unter Schwerelosigkeit) der
Universität Berlin haben die Wissenschaftler die Eigenschaften spezieller
miniaturisierter Lasersysteme (ECDL) zur Kalium-Spektroskopie untersucht. Im
Experiment soll getestet werden, ob diese Technologie auch auf Raketenflügen
angewendet werden kann. Dies ist ein wichtiger Schritt im Hinblick auf den
Einsatz bei zukünftigen Weltraummissionen, bei denen dann beispielsweise
Einsteins Relativitätstheorie mit hoher Genauigkeit verifiziert werden kann.
Wie nehmen Lebewesen Schwerelosigkeit wahr? Dieser Frage geht das Experiment
CAMELEON von Wissenschaftlern der Universität Tübingen nach. Dazu messen sie in
einer Modellpflanze, der Acker-Schmalwand (Arabidopsis thaliana), den Gehalt von
Kalzium-Ionen während des TEXUS-Fluges. Pflanzen nutzen Calcium-Signalketten,
zum Beispiel bei der Wahrnehmung von Schwerkraft oder Schwerelosigkeit.
Aus früheren Untersuchungen auf Parabelflügen ist bekannt, dass unter
Schwerelosigkeit bereits nach wenigen Sekunden eine Zunahme des Kalziumgehaltes
auftritt und über 20 Sekunden zu beobachten ist. Da auf einem TEXUS-Flug sechs
Minuten Experimentierzeit in Schwerelosigkeit zur Verfügung stehen, wollen die
Wissenschaftler prüfen, wie lange sich der erhöhte Kalziumwert hält und ob es zu
einer für Schwerelosigkeit spezifischen Schwankung des Kalziumgehaltes kommt.
Im gesamten TEXUS-Programm wurden seit 1977 rund 320 wissenschaftliche
Experimente durchgeführt, 70 Prozent davon im Auftrag des DLR und etwa 30
Prozent im Rahmen einer Beteiligung durch die europäische Weltraumorganisation
ESA.
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