Hinweise auf neunten Planeten?
von Stefan Deiters astronews.com
21. Januar 2016
Hat das Sonnensystem doch neun Planeten? Zwei amerikanische
Astronomen glauben, aus den Bahnen von entfernten Objekten im Kuipergürtel auf
die Existenz eines bislang unentdeckten Planeten in unserem Sonnensystem
schließen zu können. Er wäre so weit entfernt, dass eine Umrundung der Sonne
zwischen 10.000 und 20.000 Jahre dauern würde.
Gibt es im äußeren Sonnensystem einen bislang
unentdeckten Planeten? Bild:
Caltech/R. Hurt (IPAC) |
Der amerikanische Astronom Mike Brown gilt vielen als "Plutokiller" und genauso
lautet auch sein Benutzername beim Kurznachrichtendienst Twitter. Brown hat
nämlich bereits diverse Objekte im Kuipergürtel aufgespürt, die also weit
außerhalb der Neptunbahn um die Sonne kreisen. Darunter ist auch der jetzige
Zwergplanet Eris, den Brown damals als "zehnten Planeten" bezeichnete. Doch
statt das Sonnensystem um einen Planeten zu erweitern, machte die Internationale
Astronomische Union Pluto zum Zwergplaneten. Das Sonnensystem hat seit 2006
offiziell nur noch acht Planeten.
Doch ist das wirklich so? Zusammen mit seinem Kollegen Konstantin Batygin vom
California Institute of Technology hat Brown jetzt eine Studie
vorgestellt, in der er Argumente für die Existenz eines neunten Planeten
präsentiert. Dieser sollte etwa die zehnfache Masse der Erde haben und die Sonne
in etwa der 20-fachen Entfernung des Neptun umkreisen - dies allerdings auf
einer sehr unkreisförmigen, langgestreckten Bahn.
"Das wäre ein wirklicher neunter Planet", so Brown. "Seit dem Altertum wurden
praktisch nur zwei richtige Planeten entdeckt und dies wäre der dritte. Es
handelt sich um einen recht ansehnlichen Brocken, der noch darauf wartet,
entdeckt zu werden. Das ist schon faszinierend." Darüber, dass der
vermutete Planet tatsächlich ein Planet ist, sollte es, so Brown, nach der
aktuellen Planetendefinition keine Zweifel geben: "Es ist der wohl planetenhafteste Planet aller Planeten im Sonnensystem", so Brown, da er einen
dominanten Einfluss über einen größeren Bereich des Sonnensystems ausübt, als
alle anderen Planeten.
Bei der Nachricht gibt es allerdings ein Problem: Gesehen hat Browns "neunten
Planeten" bislang niemand. Auch von der Bahn des Planeten haben die beiden
Astronomen nur eine recht grobe Vorstellung. Aufgrund seiner Entfernung dürfte
er zudem sehr schwer zu entdecken sein. Leistungsstarke Teleskope, die dazu
vielleicht in der Lage wären, können nur winzige Bereiche des Himmels absuchen,
für Instrumente, die großräumigere Durchmusterungen des Himmels durchführen,
könnte der vermutete Planet zu lichtschwach sein.
Den Hinweis auf den "neunten Planeten" lieferten bestimmte Eigenschaften der
Bahnen von in den letzten Jahren entdeckten Objekten im Kuipergürtel. Um diese
zu verstehen, hatte sich der Beobachter Brown mit dem Theoretiker Batygin
zusammengetan. Besonders verblüffend fanden sie die Tatsache, dass die
langgezogenen Bahnen von sechs Kuipergürtel-Objekten alle in die gleiche
Richtung ausgerichtet zu sein scheinen, obwohl sich der entfernteste Punkt ihrer
Bahn verschiebt und sie alle unterschiedliche Umlaufdauern haben. Die
Wahrscheinlichkeit, dass dies zufällig passiert, liegt, so Brown bei etwa 100 zu
1.
Hinzukommt, dass die Bahnneigung dieser sechs Objekte in Bezug auf die
Umlaufbahn der acht Planeten bei allen übereinstimmend etwa 30 Grad beträgt. Die
Wahrscheinlichkeit, dass auch dies noch zufällig passiert ist, liegt bei 0,007 Prozent.
"Praktisch sollte dies kein Zufall sein", so Brown. "Also haben wir gedacht,
dass irgendetwas für diese Bahnen verantwortlich sein muss."
Als - nach Ansicht von Brown und Batygin - vielversprechendste Möglichkeit, die Bahnen zu erklären,
stellte sich ein Planet heraus, der die Sonne auf einer ungewöhnlichen
elliptischen Bahn umläuft. "Die natürliche Reaktion ist, dass diese Orbitgeometrie falsch ist und nicht stabil sein kann", so Batygin.
Er hätte sich aber näher damit beschäftigt und die Bahn hätte sich als durchaus stabil
herausgestellt. "Ich war aber immer noch skeptisch."
Dann erkannten die Wissenschaftler jedoch, dass ein solcher "neunter Planet" nicht
nur die Bahnen der entfernten Kuipergürtel-Objekte erklären kann, sondern auch
die ungewöhnlichen Orbiteigenschaften zweier anderer Objekte, darunter die von Sedna. Zudem
sagten die Simulationen mit dem "neunten Planeten" Objekte voraus, deren Bahn
rechtwinklig zum Orbit der acht Planeten verläuft. Und tatsächlich wurden in den
letzten drei Jahren vier Objekte gefunden, die exakt zu dieser Vorhersage
passen. "Als wir dies entdeckt hatten, schlug mein Kinnlade praktisch auf den
Boden auf", so Brown.
Der "neunte Planet", so die Vermutung der Astronomen, könnte in der Anfangsphase
des Sonnensystems zusammen mit den großen Planeten Jupiter, Saturn, Uranus und
Neptun entstanden und dann durch Wechselwirkungen mit Jupiter oder Saturn auf
seinen ungewöhnlichen Orbit gelangt sein.
Natürlich gibt es noch erhebliche Zweifel daran, dass es tatsächlich einen
solchen "neunten Planeten" gibt. Wer aber der Indizienkette von Brown und
Batygin glaubt, kann sich auf die Suche nach dem "neunten Planeten" machen. "Ich
würde ihn gerne finden", so Brown. "Aber ich würde mich auch freuen, wenn ihn
jemand anderes findet. Deswegen haben wir diesen Fachartikel geschrieben."
Über ihre Analysen berichten die Astronomen in der Zeitschrift Astronomical
Journal.
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