Neue Chance für den Dream Chaser
von Stefan Deiters astronews.com
15. Januar 2016
Die amerikanische Raumfahrtbehörde NASA hat gestern bekannt
gegeben, welche Firmen die Versorgung der Internationalen Raumstation ISS in den
Jahren 2019 bis 2024 im NASA-Auftrag übernehmen sollen. Dabei gab es eine
Überraschung: Neben den schon jetzt regelmäßig die ISS anfliegenden Unternehmen
wird künftig auch die Sierra Nevada Corporation
mit ihrem Dream Chaser dabei sein.

Der Dream Chaser der Sierra Nevada
Corporation soll ab 2019 die Internationale
Raumstation ISS anfliegen.
Bild: Sierra Nevada Corporation [Großansicht] |
Seit Außerdienststellung der Shuttle-Flotte setzt die amerikanische Raumfahrtbehörde NASA bei der Versorgung der
Internationalen Raumstation ISS ganz auf die Dienste kommerzieller Anbieter.
Diese werden dazu von der NASA bei der Entwicklung entsprechender Kapazitäten
unterstützt und erhalten eine vertraglich zugesicherte Mindestanzahl von Flügen.
Bislang waren diese Versorgungsflüge fest in der Hand der
Unternehmen SpaceX und Orbital-ATK. Gestern hat die NASA nun
die Unternehmen vorgestellt, die für den Zeitraum von 2019 bis 2024 die
Versorgung der ISS sicherstellen sollen. Und dabei gab es eine Überraschung: Die
NASA versprach nämlich nicht nur den bekannten Unternehmen SpaceX und
Orbital-ATK jeweils mindestens sechs Versorgungsflüge zur ISS in diesem
Zeitraum, sondern auch dem Unternehmen Sierra Nevada Corporation. Diese hat mit
dem Dream Chaser einen Raumgleiter entwickelt, der wie eine Miniaturversion der
Space Shuttle aussieht.
Die Entscheidung war insofern überraschend, als dass das Konzept der Sierra
Nevada Corporation von der Raumfahrtbehörde zuvor schon einmal abgelehnt
worden war:
Der Dream Chaser war nämlich eigentlich als Mannschaftstransporter gedacht,
unterlag
aber bei der entsprechenden Ausschreibung der Konkurrenz von SpaceX und
Boeing. Die Zukunft der Technologie schien damit fraglich. Allerdings
interessierten sich ESA und DLR für die Dream-Chaser-Technologie und arbeiteten
in den vergangenen Jahren mit dem US-Unternehmen zusammen.
Der Dream Chaser basiert auf dem HL-20 Personnel Launch System, einem
Konzept, das Anfang der 1990er Jahre am Langley Research Center der NASA
konzipiert, aber nie realisiert wurde. Mit dem HL-20 sollten einmal
Passagiere zur damals geplanten US-Weltraumstation Freedom gebracht
werden. Freedom wurde später zugunsten einer internationalen
Raumstation aufgegeben. Der Dream Chaser soll mit einer Trägerrakete vom Typ
Atlas 5 starten und wie ein Flugzeug zur Erde zurückkehren.
Die Entscheidung der NASA für einen dritten Anbieter für die Versorgung der ISS
dürfte auch mit den Problemen zu tun haben, die SpaceX und Orbital-ATK
in
jüngster Zeit hatten: Eine Falcon-9-Rakete mit einem Dragon-Raumfrachter von SpaceX war im Sommer 2015
wenige Minuten nach dem Start explodiert, eine Antares-Rakete mit einem Cygnus-Raumfrachter von
Orbital-ATK im Herbst 2014 noch auf der Startrampe. Orbital-ATK setzt
nun vorübergehend Atlas-5-Trägerraketen ein, um die eigenen Raumfrachter zu starten,
bis die selbstentwickelten Antares-Trägerraketen wieder zur Verfügung stehen.
SpaceX hat inzwischen wieder Starts mit der eigenen
Falcon-9-Trägerrakete
durchgeführt.
Für die Sierra Nevada Corporation heißt es nun, einiges an Rückstand aufzuholen.
Während die Konkurrenten bereits über ein funktionierendes Transportsystem
verfügen, ist der Dream Chaser noch nie ins All gestartet. Für das Unternehmen
beginnt also eine intensive Entwicklungs- und Testphase, um ab 2019
tatsächlich Versorgungsflüge zur ISS durchführen zu können.
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