Die Kernreaktionen in Roten Riesen
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) astronews.com
21. Dezember 2015
Wie entstehen schwerere Elemente in Sternen? Mit dieser
Frage befassen sich Wissenschaftler schon seit vielen Jahren, eine Antwort zu
finden, ist allerdings alles andere als einfach. Nun sind Forscher am Gran-Sasso-Labor
einen wichtigen Schritt vorangekommen: Sie konnten eine Kernreaktion nachweisen,
die sonst nur in Roten Riesen vorkommt.
Eingang zum Gran-Sasso-Labor des
Italienischen Nationalen Instituts für Kernphysik
(INFN).
Foto: INFN [Großansicht] |
Ein internationales Wissenschaftlerteam konnte im Gran-Sasso-Labor des
Italienischen Nationalen Instituts für Kernphysik (INFN) erstmals eine seltene
Kernreaktion nachweisen, die sonst nur in sogenannten Roten Riesen vorkommt. Zu
solch einem Stern wird sich beispielsweise auch unsere Sonne entwickeln.
Die beobachtete Produktion von Natrium ist ein Baustein für das Verständnis, wie
die Elemente entstanden sind, aus denen das Universum besteht. An dem
internationalen Experiment mit dem Namen LUNA waren Wissenschaftler aus dem
Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) führend beteiligt.
Das LUNA-Experiment (Laboratory for Underground Nuclear Astrophysics) basiert
auf einem kompakten Beschleuniger – dem weltweit einzigen, der untertage in
einem Felslabor installiert ist. Eineinhalb Kilometer Gestein des Gran-Sasso-Massivs
schützen die Experimente vor störenden Einflüssen durch die kosmische Strahlung.
"Am LUNA-Beschleuniger wollen wir zusammen mit unseren internationalen Kollegen
Ereignisse untersuchen, die im Inneren von Sternen stattfinden", so Dr. Daniel
Bemmerer vom HZDR, der die Arbeitsgruppe für das aktuelle Experiment leitete.
"Wie in einer kosmischen Küche entstehen dort all die Elemente, aus denen die
uns umgebende Materie gebildet wird und die durch gigantische Explosionen in den
Kosmos hinausgeschleudert werden."
Rote Riesen sind große Sterne, deren rotes Leuchten oft mit bloßem Auge am
Sternenhimmel zu sehen ist. Aldebaran im Sternbild des Stiers etwa gehört zu
dieser Klasse. Erstmalig konnte nun ein Wissenschaftlerteam bei Experimenten am
LUNA-Beschleuniger drei "Resonanzen" im Neon-Natrium-Zyklus, der für die
Natrium-Produktion und somit zur Energieerzeugung wichtig ist, beobachten.
Resonanzen sind zumeist aus der Akustik bekannt. Wie dort auch, geht es in der
Teilchenphysik um Schwingungen, die bei besonderen Frequenzen hervorgerufen
werden. Wenn also Atomkerne aufeinander stoßen, so kann sich unter gewissen
Bedingungen ein neuer Zustand - eine Resonanz - bilden. Im LUNA-Beschleuniger
werden Wasserstoff- und Heliumkerne beschleunigt und mit einem sogenannten
Target zur Kollision gebracht.
"Unser Target bestand aus dem Edelgas-Isotop Neon-22. Mit speziellen Detektoren
haben wir die extrem seltenen Prozesse in kosmischer Stille aufgezeichnet", so
Bemmerer. "Dieses Ergebnis ist ein bedeutendes Puzzleteil, das uns hilft, die
Frage nach der Herkunft der Elemente im Universum weiter aufzuklären",
unterstreicht Prof. Paolo Prati, Sprecher des LUNA-Experiments am INFN. "Sterne
erzeugen Energie und schaffen neue Atome durch ein sehr komplexes System
nuklearer Reaktionen. Eine sehr kleine Anzahl dieser Reaktionen konnte bisher
unter Bedingungen, wie sie im Inneren von Sternen herrschen, erforscht werden.
Der LUNA-Beschleuniger war daran in der Mehrzahl der Fälle beteiligt."
LUNA deckt den Energiebereich von Kernreaktionen ab auf einer Skala von heute
zurück in die Zeit bis 100 Millionen Jahre nach dem Big Bang. Damals bildeten
sich die ersten Sterne, und die zugrundeliegenden nuklearen Prozesse nahmen
ihren Anfang. Die meisten dieser Prozesse sind noch nicht verstanden.
An der LUNA-Kollaboration sind rund 50 Wissenschaftler des Italienischen
Nationalen Instituts für Kernphysik (INFN), des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf
(HZDR), von MTA-ATOMKI in Ungarn und von der University of Edinburgh in
Großbritannien beteiligt.
Über ihre Ergebnisse berichtete das Team jetzt im Fachmagazin Physical Review Letters.
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