Warum sich die Wirbelstürme anders drehen
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
2. Dezember 2015
Wie entstehen die gewaltigen Wirbelstürme in der Atmosphäre
des Gasriesen Jupiter und warum haben sie einen anderen Drehsinn als vergleichbare Stürme auf der Erde? Wissenschaftler sind dieser Frage nun mit
umfangreichen numerischen Simulationen nachgegangen. Sie konnten so
die Entstehung und das Auftreten der Stürme klären, nicht aber ihre
Beständigkeit.

Vergleich einer Aufnahme des Jupiters (links)
mit der Computersimulation (rechts).
Bild: NASA / JPL
/ University of Alberta / MPS [Großansicht] |
Die Atmosphäre des Gasriesen Jupiter ist ein unruhiger Ort. Ausgedehnte
ostwärts und westwärts gerichtete Windbänder treiben Wolken aus gefrorenen
Ammoniakkörnchen mit Geschwindigkeiten von bis zu 550 Kilometern pro Stunde um
den Planeten.
Andere Regionen werden von riesigen langlebigen Wirbelstürmen dominiert. Der
größte ist der Große Rote Fleck, ein riesiger Antizyklon, der stellenweise bis
zu zwei Erddurchmesser misst und seit mindestens 350 Jahren besteht. Wie genau
diese Wetterphänomene zustande kommen, lässt sich bisher nur bruchstückhaft
erklären.
All diese großen Wirbelstürme drehen sich entgegengesetzt zur Rotation des
Planeten. Bei der Erde ist das andersherum. Wie Jupiters Stürme entstehen und
warum sie sich so von denen auf der Erde unterscheiden, war lange umstritten.
"Unsere hoch auflösenden Computersimulationen zeigen nun, dass ein Zusammenspiel
zwischen den Bewegungen im tiefen Inneren des Planeten und einer äußeren
stabilen Schicht entscheidend ist", fasst Johannes Wicht vom
Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) die neuen Ergebnisse
zusammen.
Jupiter besteht im Wesentlichen aus Wasserstoff und Helium. Das Gasgemisch
wird unter dem hohen Druck der darüber liegenden Massen bei etwa 90 Prozent des
Planetenradius metallisch und damit elektrisch leitend. Weiter außen liegt das
Gas in seinem nicht metallischem "Normalzustand" vor. Messungen legen nahe, dass
der äußerste Teil jener Schicht, in den sich die beobachtbaren Wetterphänomene
abspielen, stabil geschichtet ist.
Die Simulationen, an denen auch Forscher der University of Alberta
in Kanada beteiligt waren, berücksichtigen erstmals auch diese stabile Schicht
in einem aufwändigen Computermodell. "Wir simulieren nur die 7.000 Kilometer der
nicht-metallischen Schicht, da das Magnetfeld in tieferen Regionen die Dynamik
entscheidend verlangsamt. Die äußeren fünf Prozent davon, also 350 Kilometer,
sind stabil geschichtet", erklärt MPS-Wissenschaftler Thomas Gastine.
Angetrieben von der Wärme weiter innen im Kern des riesigen Planeten steigt
das Gas in Paketen nach oben, ähnliche wie kochendes Nudelwasser. Die darüber
liegenden, stabilen Luftschichten der Jupiteratmosphäre stellen aber eine
Barriere dar. "Nur wenn der Auftrieb des Gaspaketes stark genug ist, kann es in
diese Schicht eindringen und breitet sich darin horizontal aus. Unter dem
Einfluss der Planetendrehung wird die horizontale Bewegung verwirbelt, so wie
wir es auch bei den Wirbelstürmen auf der Erde beobachten", erklärt Wicht.
Wenn das Gas genug abgekühlt ist, sinkt es wieder in die Tiefen der
Atmosphäre. "Aus dem Zusammenspiel von Auftrieb, horizontaler Bewegung,
Drehbewegung und Absinken ergibt sich eine charakteristische Signatur, die
genauso auf Jupiter beobachtet wurde", fährt Wicht fort. Dazu gehört ein
kälterer antizyklonischer Kern mit einer typischen Ausdehnung und ein
zyklonischer Ring, der dort entsteht, wo das Gas zurücksinkt.
"Irdische Wirbelstürme haben einen ähnlichen Ursprung", so Wicht. Auch dort
verwirbelt die Coriolis-Kraft der Erddrehung aufsteigende Luftmassen. Allerdings
drehen sich die Zyklone der Erde in die entgegengesetzte Richtung. Der Grund:
Beim Jupiter entstehen die Wirbel wenn aufsteigendes Gas in der oberen
Atmosphärenschicht auseinanderstrebt. Auf der Erde hingegen beginnen sie am
Boden, wo Luft zusammenkommt und dann aufströmt.
"Die Verhältnisse in den inneren Gasschichten des Jupiter zu simulieren, ist
allein deshalb schwierig, weil viele Eigenschaften dieser Region kaum bekannt
sind", erklärt Gastine. Als Anhaltspunkt dienten den Forschern Daten der
NASA-Raumsonde Galileo. Diese konnte eine kleine Messsonde absetzen,
die mehr als 100 Kilometer unter die Wolkenschicht vordrang, bis sie bei einem
Druck von 24 bar zerstört wurde.
Im Ergebnis bieten die neuen Rechnungen ein ausgesprochen realistisches Bild
der obersten Gasschichten des Jupiters. Die Ströme aus dem Inneren erzeugen die
Antizyklone nicht überall, sondern bevorzugt in der Nähe der Pole und in
bestimmten Bändern ober- und unterhalb des Äquators. Dabei nimmt die Größe der
Wirbel mit der Entfernung zum Äquator ab. Das deckt sich mit Beobachtungen.
"Die Regionen werden durch die Dynamik im Inneren des Planeten bestimmt,
insbesondere durch die Wechselwirkung der aufsteigenden Gaspakete mit den
ostwärts und westwärts gerichteten Windbändern, die das Computermodell ebenfalls
realistisch wiedergibt", ergänzt Wicht. "Die tatsächliche Lebensdauer der
Wirbelstürme konnten wir allerdings nicht rekonstruieren", so Wicht.
Während typische Jupiter-Wirbelstürme bis zu einige Jahre überdauern,
verlieren sich die Modell-Stürme bereits nach Tagen. Dies liegt wahrscheinlich
an dem Wert für die Viskosität der Jupitergase, den die Forscher für ihre
Rechnungen angenommen haben. Dieser wurde absichtlich zu hoch gewählt, um die
benötigte Rechenzeit zu begrenzen.
Doch selbst mit realistischerer Viskosität und unbegrenzter Rechenleistung
ließe sich die erstaunliche Beständigkeit des Großen Roten Flecks wohl nicht
wiedergeben, so Wicht. "Wir beginnen gerade erst, die Wetterphänomene des
Jupiter zu verstehen", fügt er hinzu. "Neben seiner Größe und Beständigkeit
weist der Rote Fleck noch andere Besonderheiten auf wie etwa seine
charakteristische Farbe. Hier scheinen Prozesse mitzuwirken, die wir noch nicht
kennen."
Die Forscher berichten von ihren Ergebnissen in der aktuellen Ausgabe der
Fachzeitschrift Nature Geoscience.
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