Der bislang heißeste Weiße Zwerg
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Tübingen astronews.com
23. November 2015
Astronomen haben einen weißen Zwergstern entdeckt, der mit
einer Temperatur von 250.000 Grad Celsius heißer ist, als alle anderen bislang
entdeckten Sterne dieses Typs. Bei der Auswertung der Beobachtungsdaten machten die Forscher noch eine weitere Entdeckung: Offenbar befindet sich
zwischen uns und dem Weißen Zwerg eine Gaswolke, die sich auf die Milchstraße
zubewegt.
Skizze der Milchstraße mit Positionen der
Sonne, des weißen Zwergsterns und der Gaswolke
dazwischen. Von der Erde aus gesehen liegen Stern
und Gaswolke vor der benachbarten Großen
Magellanschen Wolke.
Bild: Philipp Richter /
Universität Potsdam [Großansicht] |
Astronomen der Universitäten Tübingen und Potsdam haben den heißesten weißen
Zwergstern identifiziert, der jemals in unserer Galaxie nachgewiesen wurde: Mit
einer Temperatur von 250.000 Grad Celsius bewegt sich der sterbende Stern im
Außenbereich der Milchstraße und befindet sich dabei sogar schon wieder in der
Abkühlphase.
Zudem konnten die Wissenschaftler erstmals eine intergalaktische Gaswolke
beobachten, die sich auf die Milchstraße zubewegt ‒ ein Hinweis darauf, dass
Galaxien "frisches Material" von außen sammeln und daraus neue Sterne bilden
können.
Sterne mit relativ geringer Masse - zum Beispiel auch unsere Sonne - werden zum
Ende ihres Lebens extrem heiß. Die Oberflächentemperatur der Sonne liegt seit
ihrer Geburt vor 4,6 Milliarden Jahren recht konstant bei 6.000 Grad Celsius.
Unmittelbar vor der Erschöpfung der nuklearen Energiequellen in etwa fünf
Milliarden Jahren wird sie eine 30-fach höhere Temperatur von rund 180.000 Grad
erreichen, bevor sie als sogenannter weißer Zwergstern wieder abkühlt.
Laut Computersimulationen können massereichere Sterne sogar noch heißer werden.
Die bisher höchste Temperatur eines solchen sterbenden Sterns wurde mit 200.000
Grad bestimmt. Bei der Auswertung von Aufnahmen des Hubble-Weltraumteleskops
konnten die Wissenschaftler nun den neuen Rekordhalter mit 250.000 Grad Celsius
nachweisen. Das schafft nur ein Stern, der etwa fünfmal massereicher als die
Sonne war.
Der Stern mit der Katalognummer RX J0439.8-6809 ist bereits in seiner
Abkühlphase und muss vor etwa tausend Jahren eine Maximaltemperatur von sogar
400.000 Grad besessen haben. Seine chemische Zusammensetzung ist noch
unverstanden. Laut Analysen sind Kohlenstoff und Sauerstoff an der Oberfläche
nachweisbar, Produkte der Kernfusion von Helium, die normalerweise tief im
Inneren eines Sterns verborgen bleiben.
RX J0439.8-6809 fiel schon vor mehr als zwanzig Jahren in einer
Röntgendurchmusterung des Himmels als auffällig helle und deshalb heiße Quelle
auf. Ursprünglich ging man von einem Weißen Zwerg aus, der auf seiner Oberfläche
Wasserstoff zu Helium fusioniert, den er von einem Begleitstern abzieht. Auch
nahm man an, dass er sich in unserer Nachbargalaxie befindet, der Großen
Magellanschen Wolke.
Die Hubble-Daten zeigen nun, dass der Stern zum Außenbereich unserer
Milchstraße gehört und sich mit einer Geschwindigkeit von 220 Kilometern pro
Sekunde von uns wegbewegt. Das Ultraviolettspektrum des Sterns hält aber eine
weitere Überraschung bereit. In ihm kann Gas nachgewiesen werden, das nicht zum
Stern gehört, sondern zu einer Wolke, die sich zwischen Milchstraße und Stern
befindet.
Mit Hilfe des Dopplereffekts lässt sich bestimmen, dass sich diese Gaswolke mit
hoher Geschwindigkeit von uns entfernt (150 Kilometer pro Sekunde) und sich auf
die Milchstraße zubewegt. Es war zwar bekannt, dass solches
Hochgeschwindigkeits-Gas in Richtung der Großen Magellanschen Wolke existiert,
allerdings konnte bislang nicht eindeutig ermittelt werden, ob es sich in der
Milchstraße oder in der Nachbargalaxie befindet.
Der Nachweis der Gaswolke in dem Sternspektrum beweist nun, so die Astronomen,
dass diese Wolke zu unserer Galaxis gehört. Ihre chemische Zusammensetzung lässt
vermuten, dass sie ursprünglich nicht zur Milchstraße gehörte, sondern aus dem
intergalaktischen Raum stammt. Dies ist ein eindeutiger Hinweis darauf, dass
Galaxien Material von außen aufsammeln und daraus neue Sterne bilden können.
Über ihre Ergebnisse berichten die Wissenschaftler in zwei Fachartikeln, die in
der Zeitschrift Astronomy & Astrophysics veröffentlicht wurden.
|