Strukturen der Milchstraße in 3D
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Wien astronews.com
16. November 2015
Astronomen haben mit einem neuen Verfahren erstmals
Daten des ESA-Satelliten Hipparcos in 3D visualisiert. Die Darstellung
enthüllt nicht nur neue Gruppierungen von Sternen in der Nachbarschaft der
Sonne, sondern stellt auch die Existenz des sogenannten Gouldschen Gürtels
- einer berühmten ringförmigen Struktur von jungen Sternen in der Milchstraße -
infrage.
Illustration der 3D-Verteilung der Sterne vom
Typ O und B in der Umgebung der Sonne.
Bild: ESA [Großansicht] |
Der ESA-Satellit Hipparcos war von 1989 bis 1993 in Betrieb und der
Vorgänger des aktuellen Astrometriesatelliten Gaia. Ein Wissenschaftlerteam hat
nun aus den Hipparcos-Daten von Sternen des Typs O und B eine
dreidimensionale Karte erstellt. Diese Klasse von Sternen, deren Lebensdauer nur
maximal wenige zehn Millionen Jahre beträgt, sind wichtige Indikatoren für die
Sternentstehung in der jüngsten Vergangenheit.
Astronomen verwenden Projektionen der Positionen und Geschwindigkeiten der
Sterne in einer gegebenen Region, um jene Himmelskörper zu identifizieren, die
eine gemeinsame Bewegung zeigen und daher wahrscheinlich Mitglieder der gleichen
Sterngruppe sind.
"Unsere Studie zeigt deutlich, dass die Architektur der
Sonnenumgebung deutlich anders aussieht, wenn man sie in drei Dimensionen
betrachtet", erklärt João Alves von der Universität Wien, der an der
Untersuchung beteiligt war. "Wir haben eine dreidimensionale Darstellung aller
von Hipparcos beobachteten O- und B-Sterne innerhalb von etwa 1.500
Lichtjahren um die Sonne herum geschaffen und dadurch Hinweise auf neue
Strukturen gefunden sowie überraschende Theorien dazu, wie diese Sterne
entstanden sind".
Mit ihrer modernen dreidimensionalen Analyse könnte das Team um Hervé Bouy vom
Center for Astrobiology (CSIC-INTA) in Spanien möglicherweise eine
wichtige optische Täuschung durchschaut haben, die durch die bisherigen
zweidimensionalen Methoden zustande kam: Im 19. Jahrhundert identifizierten der
britische Astronom John Herschel und in der Folge der amerikanische Astronom
Benjamin Gould einen 3.000 Lichtjahre langen Teil eines Rings aus O- und
B-Sternen in der Milchstraße. Dieser Gürtel wurde für eine Gruppierung von
Sternen gehalten und ist als Gouldscher Gürtel bekannt.
"Wenn man diese Sternenverteilung in 3D betrachtet, muss man diese Sternengruppe
neu interpretieren, wenn nicht sogar die Existenz des Gouldschen Gürtels infrage
stellen. Er war nur ein Projektionseffekt", so Alves. Besonders interessant
waren auch die Daten jener Sterne, die im Sternbild Orion liegen. Der Ursprung
der blauen Überriesen, die den Körper und den Gürtel dieses Sternbilds bilden,
lag lange im Dunkeln.
Die Entdeckung des Orionstroms bietet nun eine einfache Lösung. Sie legt nahe,
dass diese relativ weit voneinander entfernten Populationen tatsächlich als Teil
einer großen galaktischen Struktur miteinander verbunden sind, die sich über
mehr als 1.000 Lichtjahre und mindestens 25 Millionen Jahre
Sternentstehungsgeschichte erstreckt.
Eine weitere Erkenntnis aus dieser Studie betrifft Beteigeuze, den roten
Riesenstern im Arm des Orion. Die Astronomen konnten eine neue lose
strukturierte Gruppe namens Taurion OB enthüllen, von der sie glauben, dass sie
Beteigeuzes Geburtsort ist und seine Geschwistersterne enthält.
Die Resultate der Hipparcos-Studie, so die Wissenschaftler, würden die
Vorteile der Visualisierung alter Daten mittels moderner Visualisierungsmethoden
zeigen. Aktuell sammelt die Mission Gaia weitere Daten zu Positionen
und Geschwindigkeiten von Sternen, die helfen sollten, noch tiefere Einblicke
in den Ursprung, die Entwicklung und die Struktur unsere Milchstraße zu
erhalten.
Auf einer Webseite kann man sich die errechnete Verteilung der O- und B-Sterne auch
anschauen. Sie liegt in zwei Versionen vor - einer Variante mit
normaler Auflösung und eine
hochaufgelöste Fassung. Über ihre Studie berichtet das Team zudem in einem
Fachartikel in der Zeitschrift Astronomy & Astrophysics.
|