Verlust der Atmosphäre durch Sonnenwind
von Stefan Deiters astronews.com
6. November 2015
Wie wurde der Mars von einer deutlich wärmeren und feuchten
Welt zu dem lebensunfreundlichen Planeten, den wir heute kennen? Die NASA-Sonde
MAVEN könnte nun einen entscheidenden Hinweis gefunden haben: Sie hat die Rate
gemessen, mit der der Sonnenwind Gas aus der Marsatmosphäre ins All
beschleunigt. Dieser Verlust steigt bei Sonnenstürmen dramatisch an.
Besonders bei Sonnenstürmen verliert die
Atmosphäre des Mars mit einer hohen Rate Gas ins
All (künstlerische Darstellung).
Bild: NASA/GSFC [Großansicht] |
"Der Mars schien einmal eine dicke Atmosphäre gehabt zu haben und warm genug
gewesen zu sein, damit flüssiges Wasser auf seiner Oberfläche existierten
konnte", so John Grunsfeld, der für das Wissenschaftsprogramm der amerikanischen
Raumfahrtbehörde NASA zuständige Administrator. "Flüssiges Wasser ist die
entscheidende Zutat für Leben, wie wir es kennen. Etwas darüber zu lernen, was
mit der Marsatmosphäre passiert ist, sollte uns auch etwas über die Dynamik und
Entwicklung anderer Planetenatmosphären verraten."
Die Suche nach dem Grund dafür, dass aus einem Planeten, auf dem es theoretisch
einmal mikrobakterielles Leben gegeben haben könnte, eine Welt wurde, auf der
das nicht mehr vorstellbar ist, sei, so Grunsfeld, eine der entscheidenden Fragen,
die das Mars-Programm der NASA beantworten will. Dabei könnten die
Wissenschaftler dank jetzt vorgestellter Daten der NASA-Sonde Mars
Atmosphere and Volatile Evolution (MAVEN) nun einen entscheidenden Schritt
vorangekommen sein.
Die Messungen der Sonde ergaben, dass
durch den Sonnenwind in jeder Sekunde etwa 100
Gramm Gas aus der Marsatmosphäre verlorengehen. "Genau wie der Diebstahl
nur weniger Münzen pro Tag aus einer Kasse, wird auch dieser Verlust
im Laufe der Zeit signifikant", so Bruce Jakosky von der University of Colorado
in Boulder, der verantwortliche Wissenschaftler für MAVEN. "Wir haben gesehen,
dass diese Erosion der Atmosphäre bei Sonnenstürmen dramatisch zunimmt, weshalb
wir davon ausgehen, dass die Rate vor einigen Milliarden Jahren, als die Sonne
jünger und aktiver war, auch deutlich höher lag."
Zudem konnten die Wissenschaftler auch feststellen, dass sich der Gasverlust bei
einer Serie von Sonnenstürmen im März 2015 sogar noch beschleunigte. Dies
deutet, so die Interpretation des Teams, darauf hin, dass dem Verlust der
Marsatmosphäre ins All bei der Veränderung des Marsklimas eine Schlüsselrolle
zukommt.
Beim Sonnenwind handelt es sich um einen Strom von Partikeln, die unser
Zentralstern mit einer Geschwindigkeit von über einer Million Kilometern pro
Stunde ins All bläst. Das Magnetfeld des Sonnenwinds kann beim Passieren des
Mars ein elektrisches Feld entstehen lassen, durch das elektrisch geladene
Partikel in der oberen Marsatmosphäre beschleunigt und ins All
hinauskatapultiert werden.
Beobachtungen von Sonden im Marsorbit und die Untersuchungsergebnisse von Rovern
auf der Oberfläche haben immer wieder Hinweise darauf geliefert, dass es einst
auf dem Planeten flüssiges Wasser gegeben haben muss und vielleicht sogar einen
gewaltigen Ozean. Damit muss der Mars aber früher eine deutlich dichtere
Atmosphäre gehabt haben als heute.
"Die Erosion durch Sonnenwind ist ein wichtiger Mechanismus für den Verlust
der Atmosphäre und sie spielte eine wichtige Rolle für die Änderung des Klimas auf
dem Mars", so Joe Grebowsky, MAVEN-Projektwissenschaftler am NASA Goddard Space
Flight Center. "MAVEN untersucht auch andere Verlustprozesse, etwa durch
Einschlag von Ionen oder das Entweichen von Wasserstoffatomen - diese werden
die Bedeutung des atmosphärischen Verlusts nur noch vergrößern."
Als erste Sonde überhaupt soll MAVEN die Marsatmosphäre und insbesondere den
Verlust von Gas und Wasser aus der Atmosphäre untersuchen. Die Sonde wurde im
November 2013 gestartet und ist inzwischen rund ein Jahr im Marsorbit
aktiv. Die wissenschaftliche Hauptmission endet am 16. November. Über ihre
Resultate berichten die Wissenschaftler in der aktuellen Ausgabe der
Wissenschaftszeitschrift Science und der Geophysical Research
Letters.
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