Sauerstoff in der Atmosphäre von
67P
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Bern astronews.com
30. Oktober 2015
Die bisher größte Überraschung bei der chemischen Analyse
der Atmosphäre des Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko mithilfe der Instrumente an
Bord der ESA-Sonde Rosetta ist der hohe Anteil an Sauerstoffmolekülen.
Die Wissenschaftler werten diesen Fund als Hinweis darauf, dass zumindest ein
großer Teil des Kometenmaterials älter ist als unser Sonnensystem.
Schon früh in der Mission des Massenspektrometers ROSINA an Bord der
Kometensonde Rosetta, nämlich im September letzten Jahres, machten die
Wissenschaftler vom Center for Space and Habitability (CSH) der
Universität Bern bei der Analyse der Kometengase eine unerwartete Entdeckung:
Zwischen den erwarteten Spitzen der Schwefel- und Methanolwerte waren deutliche
Spuren von Sauerstoffmolekülen (O2) zu sehen. Es stellte sich heraus,
dass O2 gar das vierthäufigste Gas in der Atmosphäre des Kometen ist
– nach Wasser (H2O), Kohlenmonoxid (CO) und Kohlendioxid (CO2).
Da Sauerstoff chemisch sehr reaktiv ist, wurde bisher angenommen, dass er
sich im frühen Sonnensystem mit dem in großen Mengen vorhandenen Wasserstoff zu
Wasser verbunden haben muss. Dennoch waren auf dem Kometen noch
Sauerstoffmoleküle vorhanden. "Wir hätten nie gedacht, dass Sauerstoff
Jahrmilliarden 'überleben' kann, ohne sich mit anderen Stoffen zu verbinden",
sagt Prof. Kathrin Altwegg, Projektleiterin des Massenspektrometers ROSINA.
Molekularer Sauerstoff ist sehr schwierig mittels spektroskopischen Messungen
von Teleskopen zu entdecken – was erklärt, wieso dieses Molekül nicht schon bei
anderen Kometen beobachtet wurde. Es brauchte die Messung vor Ort mit dem
ROSINA-Massenspektrometer auf der Rosetta-Sonde, um diese Entdeckung zu
machen. "Erstaunlich für uns war auch die Feststellung, dass das Verhältnis von
Wasser zu Sauerstoff sich weder mit dem Ort auf dem Kometen noch mit der Zeit
änderte – es also eine stabile Korrelation zwischen Wasser und Sauerstoff gibt",
so Altwegg.
Im Gegensatz zu Kometen ist das Vorkommen von Sauerstoffmolekülen auf den
Jupiter- und Saturnmonden bekannt. Dort wird es durch das Einschlagen
hochenergetischer Teilchen vom jeweiligen Mutterplaneten erklärt, den es aber im
Fall des Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko nicht gibt. Allerdings wird der Komet
seit 4,6 Milliarden Jahren von hochenergetischen Teilchen der kosmischen
Strahlung bombardiert. Diese Teilchen können Wasser spalten, woraus unter
anderem Sauerstoff, Wasserstoff und Ozon entstehen können.
Allerdings dringen diese Teilchen nur wenige Meter in die Oberfläche ein. Der
Komet verliert aber auf seiner Bahn um die Sonne bei jedem Umlauf zwischen einem
bis zehn Metern Umfang und hat deshalb seit seiner letzten Begegnung mit Jupiter
im Jahr 1959, die ihn auf die heutige Bahn gebracht hat, schon mehr als 100
Meter Umfang verloren.
Die laut den Wissenschaftlern wahrscheinlichste Erklärung ist, dass der
Sauerstoff schon früh, also vor der Bildung des Sonnensystems, entstand. Dabei
seien hochenergetische Teilchen auf Eiskörner in den kalten und dichten
Geburtsstätten der Sterne, den sogenannten dunklen Molekülwolken, getroffen und
hätten Wassermoleküle gespalten, was zu Wasserstoff- und Sauerstoffmolekülen
geführt hätte. Der Sauerstoff sei dann im frühen Sonnensystem nicht weiter
"verarbeitet" worden.
Die Sauerstoff-Messungen zeigen, dass mindestens ein großer Teil des
Kometenmaterials älter ist als unser Sonnensystem und die Zusammensetzung dabei
typisch ist für dunkle Molekülwolken, aus denen dann solare Nebel und später
Planetensysteme entstehen. "Dieser Hinweis auf Sauerstoff als uraltes Material
wird wahrscheinlich einige theoretische Modelle über die Bildung des
Sonnensystems über den Haufen werfen", sagt Altwegg.
Über ihre Ergebnisse berichteten die Wissenschaftler jetzt in einem
Fachartikel, der in der Zeitschrift Nature publiziert wurde.
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