Gleich mehrfach Jungfernflüge
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e. V. astronews.com
29. Oktober 2015
Im Rahmen des Programms STERN des Deutschen Zentrums für
Luft- und Raumfahrt entwickeln, testen und bauen Gruppen von Studierenden
verschiedener Universitäten selbstständig Raketen. In dieser Woche fanden nun in
Nordschweden die Jungfernflüge der Eigenentwicklungen statt. Dabei verlief nicht
immer alles nach Plan.
Am 22. Oktober 2015 ist die FAUST-Rakete des
LEONIS-Teams erfolgreich gestartet und hat eine
Höhe von rund sechs Kilometern erreicht.
Foto: DLR [Großansicht] |
Der Jubel unter den Studenten war groß: Am 27. Oktober 2015 um 14.53 Uhr
startete die Experimentalrakete DECAN vom Raumfahrtzentrum Esrange in
Nordschweden und erreichte dabei eine Höhe von rund fünfeinhalb Kilometern. Die
Rakete hatte ein Studententeam der TU Berlin im Rahmen des Programms STERN
(Studentische Experimental Raketen) des Deutschen Zentrums für Luft- und
Raumfahrt (DLR) selbst konstruiert, gebaut und gestartet.
Bereits am 22. Oktober waren die FAUST-Rakete des LEONIS-Teams von der TU
Braunschweig und die HEROS-Rakete der HyEnD-Gruppe von der Universität Stuttgart
vom Boden abgehoben. Den Abschluss der ersten STERN-Kampagne bildet der Start
der zweiten DECAN-Rakete, der für heute geplant ist.
"Das ist Wahnsinn: Mehr als drei Jahre lang haben wir an unserer Rakete
geplant, geschraubt und getestet - und jetzt sind wir einfach froh, dass der
Start so gut funktioniert hat", freut sich Michael Schmid vom DECAN-Team
(Deutsche CanSat-Höhenrakete) der TU Berlin. "Bis zuletzt haben wir gezittert,
ob wir tatsächlich alles richtig gemacht haben."
Dabei gelang den Studenten mit der rund drei Meter langen und etwa 23
Kilogramm schweren Rakete ein Bilderbuchstart in den Himmel am Nordpolarkreis.
Im Gegensatz zu den anderen beiden Teams setzt DECAN beim Antrieb auf
kommerzielle Feststoffmotoren, welche die Rakete auf fast anderthalbfache
Schallgeschwindigkeit beschleunigen.
Zum Glück geht die in mühevoller Detailarbeit entwickelte Technik nach dem
Flug nicht in den weitläufigen Wäldern rund um das schwedische Startzentrum
verloren: Die Landeposition wird mit GPS ermittelt, Funksignale erleichtern die
Bergung. Ein Hubschrauber bringt die Raketen zurück zum Startzentrum Esrange, wo
sie den Teams zur Auswertung der Flugdaten übergeben werden.
Auch Karsten Lappöhn, STERN-Programmleiter im DLR Raumfahrtmanagement, zeigt
sich mit den bisherigen Ergebnissen zufrieden: "Das ist ein respektabler Erfolg.
Es ist kaum zu vermitteln, welch eine Leistung die Teams da vollbracht haben.
Fast jedes Einzelteil haben die Studenten selbst konstruiert, jede Rakete ist
ein Unikat." Ziel des Studenten-Programms ist es, den Teilnehmern bereits
während des Studiums erste Erfahrungen mit einem "echten" Raumfahrtprojekt zu
ermöglichen. Dabei entwerfen, bauen und starten die Studenten eine eigene
Rakete, führen sämtliche Tests durch und durchlaufen fünf Reviews.
Bei solch einem Review werden alle kritischen Systeme überprüft. Dazu zählen
etwa die Triebwerke, die Tanks und das Funksystem. Begleitet wurden die
STERN-Studenten dabei von den Experten der Mobilen Raketenbasis (MORABA) des DLR
und vom Forschungs-, Test- und Entwicklungszentrum für Raketenantriebe am
DLR-Standort in Lampoldshausen. Hier können die Nachwuchs-Ingenieure - ebenso
wie am DLR-Standort Trauen - auch ihre Triebwerkstests durchführen.
"Das Programm ist europaweit einmalig ", erläutert DLR-Programmleiter
Lappöhn. "Unsere Zielgruppe sind Luft- und Raumfahrtstudenten von deutschen
Hochschulen." Hinsichtlich der maximalen Flughöhe gibt es keine Beschränkungen.
Die Teilnehmer können selbst entscheiden, ob sie den Antrieb eigenständig
entwickeln oder einen kommerziellen Raketenmotor verwenden. Grundbedingung ist
eine Telemetrie-Einheit als Nutzlast, die während des Fluges wichtige Daten wie
die Beschleunigung, Flughöhe und die Geschwindigkeit zur Erde sendet. Aber nicht
nur Ingenieurswissen und technisches Verständnis sind gefragt, auch der
Erfahrungsaustausch zwischen den Teams ist wichtig.
Erleichtert über den erfolgreichen Ausgang seiner Mission ist auch das
LEONIS-Team von der TU Braunschweig. Die rund drei Meter lange und 24 Kilogramm
schwere Experimentalrakete mit dem Namen "FAUST" hatte bei ihrem Flug am 22.
Oktober eine Höhe von rund sechs Kilometern erreicht. Eine Besonderheit der
Rakete ist das Hybrid-Triebwerk, eine Eigenentwicklung der Studenten. Da solch
ein Motor "Marke Eigenbau" einzigartig ist, musste das Team auch das System zur
Betankung selbst entwerfen. Als Treibstoff wählte es eine Kombination aus
Lachgas und einem Festbrennstoff mit gummiartiger Konsistenz.
Das technisch anspruchsvollste Raketentriebwerk entwickelte das HyEnD-Team
von der Universität Stuttgart für HEROS (Hybrid Experimental Rocket Stuttgart):
Ihr ebenfalls selbst konstruierter Hybrid-Motor entwickelt einen Schub, der mehr
als dreimal so hoch ist wie der stärkste Antrieb der anderen STERN-Raketen.
Dementsprechend sind auch die Anforderungen an das Fallschirmsystem, an dem die
Rakete nach dem Flug zu Boden schwebt, und die Telemetrie-Einheit deutlich
komplexer. Die Treibstoffkombination besteht hier aus Lachgas und Wachs.
HEROS hob wenige Stunden nach der FAUST-Rakete planmäßig von der Startrampe
ab. Dann jedoch traten technische Probleme beim Antrieb auf, die derzeit noch
analysiert werden. Mithilfe der Telemetriedaten und des geborgenen
Raketenkörpers hat das Team umgehend mit der Suche nach den Ursachen begonnen -
wie bei einer realen Raumfahrtmission. Heute, am 29. Oktober, soll die zweite
DECAN-Rakete des Berliner Teams starten und den Schlusspunkt unter die erste
Flugkampagne des STERN-Programms setzen. Das Programm wird vom DLR
Raumfahrmanagement geplant und durchgeführt und mit Mitteln des
Bundesministeriums für Wirtschaft- und Energie (BMWi) finanziert.
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