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ELEMENTARTEILCHEN
Präzise Vermessung des Neutrons
Redaktion / Pressemitteilung des Paul Scherrer Instituts
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8. Oktober 2015

Im Urknall ist offenbar mehr Materie als Antimaterie entstanden - ansonsten würde es uns gar nicht geben. Warum das so ist, gilt als eines der größten Rätsel der modernen Wissenschaft. Ein Weg, diese Unstimmigkeit zu klären, führt über das sogenannte elektrische Dipolmoment des Neutrons. Dieses soll nun mit einem neuen Verfahren genauer als jemals zuvor bestimmt werden.

Spektrometer

Blick ins Spektrometer, das das elektrische Dipolmoment der Neutronen vermisst. Foto: PSI / Zema Chowdhuri [Großansicht]

Neutronen sind Teile der Atomkerne und damit grundlegende Bausteine der uns umgebenden Materie. Obwohl sie so allgegenwärtig sind, sind noch immer einige ihrer Eigenschaften ungenügend ergründet; darunter auch das sogenannte elektrische Dipolmoment des Neutrons. Dieses Dipolmoment hat weitreichende Auswirkungen für unser Verständnis des Universums: Es könnte helfen zu erklären, weshalb beim Urknall deutlich mehr Materie als Antimaterie entstand.

Philipp Schmidt-Wellenburg vom Paul Scherrer Instituts (PSI) in Villigen in der Schweiz und seine Kollegen haben die sogenannte Spin-Echo-Methode für die Vermessung langsamer, sich frei bewegender Neutronen adaptiert. Damit haben sie ein neues, nicht-destruktives Bildgebungsverfahren zur hochgenauen Messung der Neutronengeschwindigkeit erschaffen. Schmidt-Wellenburg erklärt das Grundprinzip des Verfahrens mit der Analogie eines Wettlaufs durch unbekanntes Terrain: "Wir schicken Neutronen - ähnlich wie Läufer - mit einer Art Startschuss los. Nach einer bestimmten Zeit lassen wir sie mittels eines zweiten Signals umkehren."

Wie ein Echo kehren die Neutronen dann alle zum Ausgangspunkt zurück. Die unterschiedliche Zeitverzögerung jedoch, mit der die einzelnen Neutronen zurückkommen, verrät den Forschern etwas über die Beschaffenheit des Raums, den sie jeweils durchlaufen haben: "Würde bei gleich sportlichen Läufern einer später zurückkommen als die anderen, ließe sich ganz ähnlich darauf schließen, dass es auf seiner Strecke mehr Hindernisse gab."

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Grundsätzlich ist die Spin-Echo-Methode nichts Neues. In der Medizin wird sie seit Jahrzehnten in der Magnetresonanztomographie genutzt, wo sie zur Bildgebung von Gewebe und Organen dient. Der Unterschied und damit die große Herausforderung für die neue Methode: Die hier verwendeten Neutronen sind extrem langsam und werden minutenlang beobachtet. Solche langsamen Neutronen nennt man auch ultrakalte Neutronen. Ihr Einsatz wiederum hat zur Folge, dass alle experimentellen Rahmenbedingungen über vergleichsweise lange Zeiträume von mehreren Minuten extrem stabil gehalten werden müssen.

"Unter anderem müssen wir ständig jede noch so winzige Änderung des Magnetfeldes ausgleichen. Die kann beispielsweise schon dadurch zustande kommen, dass ein Lastwagen auf der nahegelegenen Landstraße vorbeifährt", veranschaulicht Schmidt-Wellenburg den Genauigkeitsgrad des Experiments.

All dies ist nötig, um das elektrische Dipolmoment des Neutrons genauer als bisher zu bestimmen. Das vorläufig letzte Experiment zur Vermessung dieser Größe wurde im Jahr 2006 veröffentlicht. Jedoch ist das Ergebnis von damals noch zu ungenau, als dass sich daraus Schlüsse für die Entstehung des Universums ziehen lassen. Seither mangelte es an Methoden, die eine genauere Messung erlaubten. "Diese Lücke haben wir nun mit unserer adaptierten Spin-Echo-Methode für ultrakalte Neutronen geschlossen", so Schmidt-Wellenburg.

Seit August 2015 laufen am PSI mit dieser neuen Methode Vermessungen von ultrakalten Neutronen. Am PSI befindet sich eine der weltweit intensivsten Quellen für ultrakalte Neutronen. Das Langzeit-Experiment wird noch rund ein Jahr weiterlaufen müssen, um die nötige Datenmenge zu haben, mit der sich schließlich das elektrische Dipolmoment des Neutrons genauer als bisher bestimmen lässt.

"Eines Tages können wir dann hoffentlich erklären, weshalb unser Universum aus so viel Materie besteht - warum sich also nicht kurz nach dem Urknall alle Materie und Antimaterie gegenseitig vernichtet hat", hofft Klaus Kirch, Laborleiter Teilchenphysik am PSI, der an der Studie beteiligt war.

Die neue Spin-Echo-Methode mit ultrakalten Neutronen lässt sich daneben auch für andere fundamentale Messungen nutzen, beispielsweise zur genaueren Vermessung der Lebensdauer des Neutrons. "Ich wage zu behaupten, dass unsere neue Methode in den kommenden zwanzig Jahren in vielen Experimenten mit ultrakalten Neutronen benutzt werden wird", so Schmidt-Wellenburg.

Über ihre Methode berichten die Wissenschaftler in einem Fachartikel, der in der Zeitschrift Physical Review Letters erschienen ist.

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siehe auch
Neutronenexperiment: Der Antimaterie auf der Spur - 14. August 2008
Antimaterie: Forscher werfen Blick in Gegenwelt - 30. Oktober 2002
Links im WWW
Preprint des Fachartikels bei arXiv.org
Paul Scherrer Institut
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