Überraschende Sternentstehung im Zentrum
von Stefan Deiters astronews.com
22. September 2015
Astronomen haben mithilfe mehrerer Großteleskope, darunter
die Weltraumteleskope Hubble und Spitzer, einen Galaxienhaufen entdeckt, in dessen
Zentrum gerade unzählige neue Sterne entstehen. Bislang war man davon
ausgegangen, dass es sich bei den zentralen Galaxien der Haufen um eher alte Systeme
ohne Gas und Sternentstehung handelt.
Der Galaxienhaufen SpARCS1049+56 in einer
Ansicht, für die Daten von
Hubble und Spitzer verwendet wurden.
Bild: NASA / STScI / ESA / JPL-Caltech /
McGill [Großansicht] |
Galaxienhaufen sind die größten gebundenen Strukturen im Universum, die durch
ihre gegenseitige Anziehungskraft zusammengehalten werden. Sie können aus vielen
Hundert oder gar Tausenden von Galaxien bestehen. Unsere Milchstraße gehört zu
einem recht kleinen Galaxienhaufen, der Lokalen Gruppe, die vermutlich Teil eines
gewaltigen Super-Galaxienhaufens ist.
Bei größeren Galaxienhaufen finden sich im Zentrum in der Regel
elliptische Riesengalaxien, die überwiegend aus alten, rötlichen Sternen
bestehen. Nun aber haben Astronomen einen Galaxienhaufen entdeckt, in dessen
zentraler Riesengalaxie gerade mit einer sehr hohen Rate neue Sterne entstehen.
Der Name des Haufens: SpARCS1049+56. "Wir vermuten, dass in dieser riesigen Galaxie im Zentrum des Haufens so
viele neue Sterne entstehen, weil sie zuvor mit einer kleineren Galaxie verschmolzen
ist", erläutert Tracy Webb von der McGill University im kanadischen Montreal.
Die Galaxie wurde mithilfe des Infrarot-Weltraumteleskops Spitzer und des
Canada-France-Hawaii Telescope auf Hawaii entdeckt und der Fund dann vom
W. M.
Keck Observatory bestätigt, das sich auch auf Hawaii befindet. Mit dem
Weltraumteleskop Hubble wurden dann weitere Beobachtungen gemacht, die den
Astronomen etwas über die Aktivität in der zentralen Galaxie verrieten.
SpARCS1049+56 ist so weit von der Erde entfernt, dass das Licht des Haufens
9,8 Milliarden Jahre benötigt hat, um uns zu erreichen. Der Haufen besteht aus
mindestens 27 Galaxien. Außergewöhnlich ist der Haufen vor allem aus einem
Grund: In seinem Zentrum gibt es unzählige junge Sterne. In der hellsten Galaxie
des Haufens, auf der Aufnahme in der Bildmitte rechts oben zu sehen, entstehen
pro Jahr über 800 neue Sterne. Zum Vergleich: In unserer Milchstraße entstehen
gerade einmal zwei neue Sterne pro Jahr.
"Die Spitzer-Daten haben uns verraten, dass es im Zentrum dieses Haufens
wirklich eine enorme Menge an Sternentstehung gibt", erläutert Adam Muzzin von
der englischen University of Cambridge. "Das wurde bislang noch nicht oft
beobachtet, insbesondere nicht in einem Haufen, der so weit entfernt ist."
Nachdem die Sternentstehungsaktivität schon mit Spitzer entdeckt worden war,
lieferte das Weltraumteleskop Hubble Details über die Vorgänge in der zentralen
Galaxie: Offenbar war eine kleinere Galaxie gerade mit der Riesengalaxie
verschmolzen und hatte diese so mit frischem Gas versorgt, wodurch eine heftige
Phase der Sternentstehung ausgelöst wurde.
Verschmelzungen mit einer Galaxie, die noch reich an Gas ist, werden von den
Astronomen als "wet merger", also "feuchte Verschmelzungen" bezeichnet. Die
aktuelle Entdeckung gehört zu den ersten dieser feuchten Verschmelzungen,
die im Zentrum eines Galaxienhaufens beobachtet wurden. Hubble hatte zuvor noch
ein weiteres Beispiel in einem näher gelegenen Galaxienhaufen entdeckt, doch
hatte diese Verschmelzung nicht zu einem so heftigen
Sternentstehungsausbruch geführt.
Andere Galaxienhaufen wachsen durch "trockene Verschmelzungen", bei denen sich
lediglich die Sterne der beteiligten Galaxien vermischen und es nicht zu neuer
Sternentstehung kommt - oder sie wachsen durch Gas, das ins Zentrum des Haufens
geleitet wird. Die
Astronomen wollen nun herausfinden, ob die Vorgänge in SpARCS1049+56 eher die
Ausnahme darstellen oder im jungen Universum vielleicht doch die Regel sind.
Über ihre Beobachtungen berichten die Astronomen in einem Fachartikel, der in
der Zeitschrift The Astrophysical Journal erschienen ist.
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