Ein Haufen aus lauter Geschwistern
von Stefan Deiters astronews.com
9. September 2015
Das Studium von offenen Sternhaufen verrät Astronomen
einiges darüber, wie sich Sterne entwickeln und ihr stellares Leben beenden.
Außerdem sind diese Objekte in der Regel recht fotogen - wie ein kürzlich von
der europäischen Südsternwarte ESO veröffentlichtes Bild beweist. Auch unsere
Sonne dürfte einst in einem solchen Sternhaufen entstanden sein.
Der offene Sternhaufen IC 4651.
Bild: ESO [Großansicht] |
Das im vergangenen Monat von der europäischen Südsternwarte ESO
veröffentlichte Bild zeigt den offenen Sternhaufen IC 4651. Er ist etwa 3.000
Lichtjahre von der Erde entfernt und befindet sich im Sternbild Altar. Mit einem
Alter von etwa 1,7 Milliarden Jahren zählt IC 4651 zu den offenen Sternhaufen
mittleren Alters.
In unserer Milchstraße kennt man mehr als tausend solcher Objekte. Ihr Studium verrät den Astronomen einiges über die Entwicklung von
Sternen. Die Mitglieder eines solchen Haufens sollten sich nämlich alle zur gleichen Zeit
und aus demselben Material gebildet haben, so dass sie sich gut miteinander
vergleichen lassen.
Die "Geschwister" in solchen offenen Sternhaufen sind - im Gegensatz zu den
Sternen in einem Kugelsternhaufen - nur sehr locker durch ihre gegenseitige
Anziehungskraft aneinander gebunden. Das gilt auch für das in den Haufen
zunächst noch vorhandene Gas, aus dem sich die Sterne einmal gebildet haben.
Doch dieses Gas verschwindet im Laufe der Zeit durch Wechselwirkungen mit der Umgebung
und auch die Sternhaufen selbst lösen sich auf - ein Prozess, der bei IC 4651 schon begonnen hat.
Unlängst durchgeführte Beobachtungen von IC 4651 ergaben nämlich, dass der
Haufen eine Gesamtmasse von etwa der 630-fachen Masse unserer Sonne hat.
Allerdings glauben die Astronomen, dass er ursprünglich einmal mindestens 8.300
Sterne und eine Masse von etwa der 5.300-fache Masse der Sonne besessen haben
muss.
Ein Teil des Masseverlusts dürfte auf die Explosion der massereichsten Sterne
des Haufens zurückgehen: Je massereicher ein Stern nämlich ist, desto schneller
durchläuft er seine Entwicklung. Die massereichsten Sterne beenden ihr "Leben"
zudem äußerst spektakulär: mit einer gewaltigen Explosion - einer Supernova.
IC 4651 hat zudem offenbar schon zahlreiche seiner ursprünglichen Mitglieder
verloren: Die nur locker gebundenen Sterne könnten beispielsweise
durch die Wechselwirkung mit einem benachbarten Haufen oder einer gewaltigen
Gaswolke aus dem Haufen herausgerissen worden sein oder sich auch nur einfach
allmählich immer weiter von
dem Haufen entfernt haben.
Irgendwann wird sich IC 4651 ganz aufgelöst haben und nichts mehr an den
Sternhaufen erinnern. Ungewöhnlich ist das nicht: Auch unsere Sonne hat sich
vermutlich einst - wie nahezu alle Sterne - in einem Sternhaufen gebildet,
dessen Mitglieder längst in der ganzen Milchstraße verstreut sind.
Die hellsten Sterne auf dem Bild gehören übrigens nicht zu IC 4651, sondern
befinden sich zwischen uns und dem Haufen. Viele der lichtschwächeren Sterne
liegen im Hintergrund des Haufens. Die Aufnahme basiert auf Daten, die mit dem Wide Field Imager am 2,2-Meter
MPG/ESO-Teleskop in La Silla gewonnen wurden.
|