Suche nach leichteren Dunkle-Materie-Teilchen
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Physik astronews.com
8. September 2015
Zum Leidwesen der Kosmologen weiß man bis heute nicht,
woraus unser Universum zum größten Teil besteht. Um was es sich nämlich
tatsächlich bei der Dunklen Energie und der Dunklen Materie handelt, ist noch
vollkommen unklar. Mit aufwendigen Experimenten versucht man Partikel der
Dunklen Materie aufzuspüren. Mit CRESST soll nun der Suchbereich ausgeweitet
werden.

Einbau von Detektormodulen in das
CRESST-Experiment.
Foto: MPP [Großansicht] |
Die Erde, Sterne und Galaxien bilden nur den sichtbaren Teil der Materie im
Universum. Den weitaus größeren Teil nimmt die unsichtbare Dunkle Materie ein.
In zahlreichen Experimenten fahnden Wissenschaftler nach den Teilchen der
Dunklen Materie - bisher vergeblich. Mit dem CRESST-Experiment lässt sich der
Suchradius jetzt deutlich ausweiten: Die CRESST-Detektoren werden überarbeitet
und können Teilchen nachweisen, deren Masse unterhalb des heutigen Messbereichs
liegt. Somit steigt die Chance, der Dunklen Materie auf die Spur zu kommen.
Theoretische Modelle und Beobachtungen im All lassen kaum einen Zweifel daran,
dass die Dunkle Materie existiert. Ihr Anteil beträgt das Fünffache der
sichtbaren Materie. "Als wahrscheinlichster Kandidat für das dunkle
Materieteilchen galt bisher ein schweres Teilchen, das WIMP", erklärt Federica
Petricca, Wissenschaftlerin am Max-Planck-Institut für Physik und Sprecherin des
CRESST-Experiments. "Daher untersuchen die meisten Experimente derzeit einen
Messbereich zwischen 10 und 1.000 GeV/c²
(Gigaelektronenvolt/Lichtgeschwindigkeit²)"
Allerdings gibt es in der Dunkle-Materie-Forschung inzwischen neue theoretische
Modelle, die einige Ungereimtheiten beseitigen - zum Beispiel den Unterschied
zwischen der simulierten und der tatsächlich beobachteten Dunklen Materie in
Galaxien. Einige dieser Modelle schlagen dunkle Materieteilchen vor, die
deutlich leichter sind als die klassischen WIMPs.
Einen wichtigen Schritt zum Aufspüren dieser "Leichtgewichte" hat CRESST jetzt
geleistet. In einem Langzeit-Versuch mit einem Detektor erreichten die
Wissenschaftler eine Energieschwelle von 307 Elektronenvolt. "Dieser Detektor
eignet sich insbesondere für Messungen zwischen 0,5 und 4 GeV/c² und hat in
diesem Bereich seine Sensitivität um das Hundertfache verbessert", sagt Petricca.
"Wir können so Teilchen mit geringerer Masse als die des WIMP entdecken."
Der nächste Messzyklus von CRESST soll Ende 2015 beginnen und ein bis zwei Jahre
dauern. Auf Grundlage der jetzt gewonnenen Erkenntnisse statten die
Wissenschaftler das Experiment mit neuartigen Detektoren aus. "Die neuen
Detektormodule machen die Messungen einerseits präziser, zum anderen werden wir
damit in neue Masseregionen vorstoßen: Wir können dunkle Materieteilchen auch
dann entdecken, wenn sie leichter als 0,5 GeV/c² sind. So steigt auch die
Chance, endlich zu erklären, woraus Dunkle Materie besteht", hofft Petricca.
Kernstück aller CRESST-Detektoren ist ein Kristall aus Kalziumwolframat. Treffen
die gesuchten Teilchen auf eines der drei Kristallatome (Kalzium, Wolfram und
Sauerstoff), messen die Detektoren gleichzeitig die Energie und ein Lichtsignal
der Kollision, das Aufschluss über die Art des Teilchens liefert. Damit sich die
minimalen Temperatur- und Lichtsignale aufzeichnen lassen, werden die
Detektormodule bis fast auf den absoluten Nullpunkt (-273,15 Grad Celsius)
gekühlt.
Um störende Hintergrundereignisse auszuschalten, verwenden die
CRESST-Wissenschaftler zum einen Materialien mit geringer natürlicher
Radioaktivität. Zum anderen steht das Experiment im größten Untergrundlabor der
Welt im italienischen Gran-Sasso-Massiv und ist daher weitgehend vor kosmischer
Strahlung abgeschirmt.
In der überarbeiteten Version wird CRESST künftig mit kleineren, und – im
Gegensatz zu kommerziell gefertigten – hochreinen Kristallen arbeiten. Mit den
kleineren Kristallen lässt sich die Energieschwelle senken. Die Kristalle werden
an der Technischen Universität München gezüchtet. Ihre äußerst geringe
Eigenradioaktivität macht das Experiment empfindlicher.
Außerdem wurden die ursprünglichen Bronze-Kristallaufhängungen durch
Kalziumwolframat ersetzt. Damit lässt sich die Anzahl unerwünschter Effekte
durch natürliche Radioaktivität auf den Metalloberflächen stark verringern.
Zusätzlich wurde die Präzision des Lichtdetektors optimiert – Kollisionen
bereits bekannter Teilchen lassen sich dadurch künftig klarer von Kollisionen
dunkler Materieteilchen unterscheiden.
An der CRESST-Kollaboration beteiligen sich das Max-Planck-Institut für Physik,
die University of Oxford, die Technische Universität München, die
Universität Tübingen, das Institut für Hochenergiephysik in Wien, die Technische
Universität Wien und die Laboratori Nazionali del Gran Sasso des
Istituto Nazionale di Fisica Nucleare.
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