Galaxienwachstum im jungen Universum
von Stefan Deiters astronews.com
23. Juli 2015
Mithilfe des Atacama Large Millimeter/submillimeter Array
(ALMA) ist es Astronomen jetzt gelungen, Gas in einer Galaxie im jungen
Universum zu entdecken, aus dem sich gerade neue Sterne bilden. Erstmals sind
diese ersten Galaxien für die Wissenschaftler damit mehr als nur ein entfernter
schwacher Lichtpunkt. Die Beobachtungen liefern Hinweise auf das Wachstum dieser ersten
Galaxien.

Dieses Bild entstand aus Daten des Very Large
Telescope und von ALMA. Das mit ALMA entdeckte
Leuchten des Kohlenstoffs ist orange
dargestellt, direkt daneben ist die zugehörige
Galaxie BDF 3299 zu sehen.
Bild: ESO / R. Maiolino
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Einige Hundert Millionen Jahre nach dem Urknall war das Universum von
einem dichten Nebel aus Wasserstoffgas erfüllt. Dieser neutrale Wasserstoff machte das
Universum praktisch undurchsichtig. Erst die intensive ultraviolette Strahlung
der ersten Sonnen und auch die aus der Umgebung der ersten aktiven
supermassereichen Schwarzen Löcher ionisierte das Gas und machte das Universum durchsichtig.
Bei Beobachtungen selbst mit den größten Teleskopen erschienen die ersten Galaxien in dieser sogenannten Reionisationsphase des jungen
Universums nur als äußerst lichtschwache
Flecken. Mithilfe des Atacama Large Millimeter/submillimeter Array
(ALMA), einem Verbund von Radioteleskopen in der chilenischen Atacamawüste, hat
nun einer dieser entfernten Flecken etwas mehr Struktur bekommen.
Ein Astronomenteam um Roberto Maiolino vom Cavendish Laboratory und dem Kavli
Institute for Cosmology an der University of Cambridge hat mit ALMA Galaxien
anvisiert, die so weit von uns entfernt sind, dass wir sie in einer Zeit
beobachten, in der das Universum nur 800 Millionen Jahre alt war. Dabei
interessierte die Wissenschaftler nicht etwa das Licht der Sterne in den
Galaxien, sondern sie suchten nach der Strahlung von ionisiertem Kohlenstoff,
der sich in Gaswolken befindet, in denen gerade Sterne entstehen. So wollten die
Forscher die Wechselwirkungen zwischen der neuen Sterngeneration und den kalten
Klumpen aus Gas in den ersten Galaxien untersuchen.
Im Fokus standen zudem nicht die besonders auffälligen Systeme, die
beispielsweise gerade eine heftige Sternentstehungsphase durchlaufen oder aber
über ein aktives supermassereiches Schwarzes Loch in ihrem Zentrum verfügen,
sondern eher ganz "normale" Galaxien in dieser Epoche des Universums.
Diese sind zwar weniger auffällig, dafür aber wohl auch häufiger, als die
meisten bislang beobachteten helleren Systeme. Es dürften diese "normalen"
Galaxien gewesen sein, aus denen sich dann im Laufe der Zeit die Galaxien
entwickelten, die wir heute in unserer Umgebung sehen.
Bei einer Galaxie mit der Bezeichnung BDF 3299 gelang es den Astronomen
tatsächlich, die Signatur von Kohlenstoff nachzuweisen. Dieses Leuchten kam
jedoch nicht etwa aus dem Zentrum der Galaxie, sondern aus einer Region auf
einer Seite des Systems.
"Dies ist der Nachweis der am weitesten entfernten, jemals beobachteten
Emission dieser Art von einer 'normalen' Galaxie, die wir in dem Stadium sehen,
in dem sie sich weniger als eine Milliarde Jahre nach dem Urknall befand", so
Teammitglied Andrea Ferrara von der Scuola Normale Superiore im italienischen
Pisa. "Damit haben wir die Gelegenheit, die Entstehung der ersten Galaxien zu
beobachten. Zum ersten Mal sehen wir frühe Galaxien nicht nur als winzigen
Lichtfleck, sondern als Objekte mit einer inneren Struktur."
Die Astronomen vermuten, dass die Position der Emission darauf hindeutet,
dass die vergleichbaren Wolken im Zentrum der Galaxie durch die intensive
Strahlung der dort entstandenen neuen Sterne und auch durch
Supernova-Explosionen zerstört worden sind. Der leuchtende Kohlenstoff, so die
These, steht für frisches kaltes Gas, das aus dem
intergalaktischen Medium in die Galaxie strömt.
Die Abläufe in jungen Galaxien und das Wechselspiel zwischen den dortigen
jungen Sternen, der Strahlung, den Wolken aus Gas und dem interstellaren Medium,
können inzwischen mit Computersimulationen nachvollzogen werden, deren Ergebnisse
sich dann mit Beobachtungen vergleichen lassen. Die Forscher vermuten, dass BDF
3299 ein ganz typisches Beispiel für eine Galaxie in der Epoche der Reionisation
ist.
"Wir versuchen schon seit Jahren, das interstellare Medium und die Entstehung
der Verursacher der Reionisation zu verstehen", so Ferrara. "Dass wir nun
endlich unsere Vorhersagen und Hypothesen mit realen Daten von ALMA vergleichen
können, ist ein aufregender Moment und führt auch zu einer ganzen Reihe neuer
Fragen. Derartige Beobachtungen werden viele der hartnäckigen Probleme lösen
helfen, die wir mit der Bildung der ersten Sterne und Galaxien im Universum
haben."
Und Maiolino ergänzt: "Diese Studie wäre ohne ALMA einfach unmöglich gewesen,
da kein anderes Instrument die erforderliche Empfindlichkeit und räumliche
Auflösung hat. Obwohl dies eine der bislang umfangreichsten Beobachtungen mit
ALMA ist, reizt sie doch lange noch nicht alle Möglichkeiten von ALMA aus. In
Zukunft wird uns ALMA Bilder von der Feinstruktur primordialer Galaxien liefern
und die Entstehung der ersten Galaxien im Detail verfolgen lassen."
Über ihre Ergebnisse berichten die Astronomen in einem Fachartikel, der in
der Zeitschrift Monthly Notices of the Royal Astronomical Society
erschienen ist.
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