Wie Kometen ihre Form erhielten
Redaktion
/ Pressemitteilung der Universität Bern astronews.com
9. Juni 2015
Der Komet 67P/Churyumov-Gerasimenko ähnelt einer
Badewannenente und scheint aus zwei Objekten zusammengesetzt zu sein. Neue Simulationen
zeigen nun, dass Objekte wie der Rosetta-Komet tatsächlich das Ergebnis
der Kollision zweier Brocken sein können. Diese Kollisionen müssen allerdings
sehr langsam abgelaufen sein und dürften sich daher in der Frühphase des Sonnensystems
abgespielt haben.

Ausschnitt aus der Visualisierung der
Simulation zur Entstehung von Kometen.
Bild: Jutzi / Asphaug [Großansicht] |
Eine Computersimulation zeigt, wie es einmal abgelaufen sein könnte: Zwei
eisige Objekte mit einem Durchmesser von rund einem Kilometer nähern sich
einander an und stoßen mit Fahrradtempo zusammen, rotieren gemeinsam und trennen
sich wieder, nachdem der kleinere Körper Materialspuren auf dem größeren
hinterlassen hat.
Auf der Zeitskala kann man ablesen, dass das kleinere Objekt nach etwa 14
Stunden auf seiner Bahn durch die gegenseitige Gravitationskraft abgebremst
wurde und umkehrt, so dass es einen Tag nach der ersten Kollision zu einem
zweiten Zusammenstoß kommt, bei dem sich die beiden Körper zu einem Objekt
vereinen, das irgendwie bekannt aussieht: Die Form erinnert an den Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko
auf den Bildern der ESA-Raumsonde Rosetta.
Die Simulation ist Teil einer Studie des Astrophysikers Martin Jutzi von der
Universität Bern und von Erik Asphaug von der Arizona State University.
Mit ihren dreidimensionalen Computersimulationen können die Forscher
nachvollziehen, was im frühen Sonnensystem geschah. "Kometen und ihre Vorläufer
wurden in den äußeren Planetenregionen gebildet, vermutlich Jahrmillionen vor
der Planetenentstehung", erklärt Jutzi.
"Die Rekonstruktion der Entstehungsprozesse von Kometen kann entscheidende
Informationen über die Anfangsphase der Planetenentstehung liefern, zum Beispiel
über die ursprüngliche Größe der Planetenbausteine, der so genannten
Planetesimale oder Kometesimale im äußeren Sonnensystem," so Jutzi. Rund 100
Simulationen, die je nach Kollisionsart eine bis mehrere Wochen benötigten,
wurden durchgeführt.
67P/Churyumov-Gerasimenko ist nicht der einzige Komet, der möglicherweise
schichtartige Strukturen aufweist und scheinbar aus zwei Objekten besteht. Als
die NASA-Sonde Deep Impact 2005 auf 9P/Tempel 1 prallte, konnten
ähnliche Schichten nachgewiesen werden - Merkmale, die vermutlich auch auf zwei
anderen Kometen zu sehen sind, die von NASA-Missionen besucht wurden.
Die Hälfte der bisher von Raumsonden beobachteten Kometenkerne sind offenbar
aus zwei Objekten zusammengesetzt, darunter auch die Kometen 103P/Hartley 2 und
19P/Borelly. "Wie und wann diese Merkmale geformt wurden, ist umstritten, dabei
hat dies wichtige Auswirkungen auf die Entstehung und Entwicklung des
Sonnensystems", sagt Jutzi.
Für ihre Studie verwendeten die Forscher 3D-Kollisionsmodelle mit den Form-
und Oberflächendaten als Randbedingungen, um den Aufbauprozess und dessen
Auswirkungen auf die innere Struktur zu verstehen. Tatsächlich können die
wichtigsten Merkmale der beobachteten Kometenkerne mit Hilfe der
dreidimensionale Computersimulation erklärt werden, indem weiche Kometesimale
paarweise mit geringer Geschwindigkeit aufeinandertreffen.
Das Modell ist auch im Einklang mit der geringen Dichte der Kometen, denn die
Kollisionen komprimieren das Material nur wenig. "Diese langsamen Kollisionen
geschahen vermutlich in der ruhigen Anfangsphase der Planetenentstehung vor rund
4,5 Milliarden Jahren, bevor große Körper das System zu zerstörerischen
Geschwindigkeiten anregten", erläutert Jutzi. "Dies spricht für die Idee, dass
die Kometenkerne ursprüngliche Reste einer frühen Anhäufung kleiner Körper
sind."
Der gleiche Prozess könnte aber auch zwischen Trümmerteilen stattgefunden
haben, die von viel größeren Objekten abgespaltet wurden. Zusammen mit künftigen
Weltraummissionen, die mit Radar innere Strukturen direkt abbilden, könnten die
Computersimulationen aber ein wichtiger Schritt sein, um aufzuklären, wie die
Kometenkerne entstanden sind.
Über ihre Untersuchungen berichteten die beiden Wissenschaftler kürzlich in
der Wissenschaftszeitschrift Science Express.
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