Das Signal kollidierender Neutronensterne
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Jena astronews.com
20. Mai 2015
Mit immer komplexeren Detektoren bemühen sich
Wissenschaftler weltweit um den ersten direkten Nachweis von Gravitationswellen.
Deren Existenz war vor 100 Jahren von Albert
Einstein vorhergesagt worden. Für eine erfolgreiche Suche muss man aber auch
wissen, nach was für
einem Signal man fahnden muss. Jetzt wurde dies für die Kollision zweier
Neutronensterne genau berechnet.

Das von den Jenaer Physikern und ihren
Kooperationspartnern vorhergesagte
Gravitationswellensignal (oben) und
Momentaufnahme der Kollision zweier
Neutronensterne (unten).
Bild: TPI / FSU, AG Brügmann [Gesamtansicht] |
Genau 100 Jahre ist es her, dass Albert Einstein mit seiner Allgemeinen
Relativitätstheorie Raum und Zeit "erschütterte": Jede bewegte Masse, jeder
Stern oder jede Galaxie - so Einsteins Theorie - bringt die sie umgebende Welt
ins Wanken. Wie eine elastische Folie wird die sogenannte Raumzeit durch die
Bewegungen der Himmelskörper verformt und gerät dabei selbst in Schwingungen.
Diese Erschütterungen setzen sich mit Lichtgeschwindigkeit als
Gravitationswellen in alle Richtungen fort und müssten sich auch von der Erde
aus messen lassen. Doch, obwohl Einsteins Theorie unstrittig und die
Gravitationswellen seit einem Jahrhundert vorhergesagt sind, wartet die
Wissenschaftsgemeinde noch immer darauf, diese Wellen im Universum direkt zu
messen.
In diesem Jahr sollen mit dem LIGO (Laser Interferometer Gravitational Wave
Observatory) in den USA und dem VIRGO-Interferometer in Italien zwei Detektoren
für Gravitationswellen der neusten Generation ihre Arbeit aufnehmen (astronews.com
berichtete). Doch ob sie endlich das ersehnte Gravitationswellensignal
empfangen, ist nicht nur eine Frage immer empfindlicherer Messtechnik.
"Wir brauchen auch möglichst präzise Vorhersagen, wie die Wellen physikalisch
aussehen, nach denen wir fahnden", erklärt Prof. Dr. Bernd Brügmann von der
Friedrich-Schiller-Universität Jena. "Nur so lassen sich die Signale mit ihrer
äußerst geringen Amplitude aus dem allgemeinen Rauschen herausfiltern."
Nachwuchswissenschaftlern in Brügmanns Team sind jetzt genau solche Vorhersagen
gelungen: Dr. Sebastiano Bernuzzi und Tim Dietrich stellten jetzt die bislang
genaueste theoretische Beschreibung eines Gravitationswellensignals vor, das von
zwei Neutronensternen ausgeht, die miteinander kollidieren.
Gemeinsam mit ihren Fachkollegen Alessandro Nagar und Thibault Damour aus
Frankreich haben sie dafür ein analytisches Modell weiterentwickelt, das die
Bewegung eines Systems aus zwei Körpern und die dabei entstehenden
Gravitationswellen beschreibt. Auf diese Weise lässt sich die Berechnung des
Gravitationswellensignales deutlich vereinfachen.
"Der Rechenaufwand verringert sich um ein Vielfaches", macht Dietrich deutlich.
Anstatt Monate auf das Ergebnis einer einzigen Simulation zu warten, die nur auf
den weltweit größten Supercomputern durchgeführt werden können, schafft ein
normaler PC die Berechnung binnen Sekunden.
Dank dieses Ansatzes ist es den Forschern möglich, präzise Angaben zu Energie
und Wellenform der Signale zu machen, die bei der Kollision von zwei
Neutronensternen zu erwarten sind, und so die Auswertung der mit den neuen
Detektoren aufgezeichneten Signale wesentlich zu vereinfachen. Wann der erhoffte
Nachweis von Gravitationswellen tatsächlich gelingt, dazu ist freilich keine
Vorhersage möglich.
Die jetzt vorgestellte Arbeit ist im Rahmen des Sonderforschungsbereichs/Transregio
7 "Gravitationswellenastronomie" entstanden und wurde maßgeblich von der
Arbeitsgruppe "Numerische Relativitätstheorie" unter der Leitung von Brügmann
vorangetrieben. Über die Untersuchung berichten die Wissenschaftler in einem
Fachartikel, der in der Zeitschrift Physical Review Letters erschienen
ist.
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