Ist das Universum ein Hologramm?
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Wien astronews.com
27. April 2015
Zur Beschreibung des Universums braucht man möglicherweise
eine Dimension weniger, als es den Anschein hat. Dabei, so eine jetzt
vorgestellte Untersuchung eines internationalen Forscherteams, könnte es sich
nicht bloß um einen Rechentrick handeln, sondern um eine grundlegende
Eigenschaft des Raums. Leben wir also alle in einem Hologramm?

Ist das Universum ein Hologramm?
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Auf den ersten Blick scheint jeder Zweifel ausgeschlossen: Das Universum
sieht für uns dreidimensional aus. Doch eine der fruchtbarsten Ideen der
theoretischen Physik in den letzten beiden Jahrzehnten stellt genau das infrage:
Das "holographische Prinzip" besagt, dass man für die Beschreibung unseres
Universums möglicherweise eine Dimension weniger braucht, als es den Anschein
hat. Was wir dreidimensional erleben, kann man auch als Abbild von
zweidimensionalen Vorgängen auf einem riesigen kosmischen Horizont betrachten.
Bisher wurde es nur in exotischen Raumzeiten mit negativer Krümmung studiert,
die zwar theoretisch interessant sind, sich von unserem Universum aber
wesentlich unterscheiden. Ergebnisse der Technischen Universität Wien legen nun
allerdings nahe, dass dieses holographische Prinzip auch in flachen Raumzeiten
gilt, wie wir sie in unserem Universum beobachten.
Man kennt das von Hologrammen auf Geldscheinen oder Kreditkarten. Sie sind
eigentlich zweidimensional, sehen für uns aber dreidimensional aus.
Möglicherweise verhält sich das Universum ganz ähnlich. "Schon 1997 stellte der
Physiker Juan Maldacena die Vermutung auf, dass es eine Korrespondenz zwischen
Gravitationstheorien in gekrümmten Anti-de-Sitter-Räumen und Quantenfeldtheorien
in Räumen mit einer Dimension weniger gibt", erklärt Daniel Grumiller vom
Institut für Theoretische Physik der TU Wien.
Man beschreibt also Gravitations-Phänomene in einer Theorie mit drei
Raumdimensionen oder das Verhalten von Quantenteilchen in einer Theorie in zwei
Raumdimensionen und kann die Ergebnisse ineinander überführen. Ein solcher
Zusammenhang sei zunächst ähnlich überraschend als würde man mit den Formeln aus
einem Astronomie-Lehrbuch einen CD-Player reparieren, so die Wissenschaftler in
einer Pressemitteilung. Doch die Methode hätte schon viele Erfolge gebracht. So
seien inzwischen mehr als zehntausend wissenschaftliche Arbeiten zu Maldacenas "AdS-CFT-Korrespondenz"
veröffentlicht worden.
Für die theoretische Physik ist das zwar interessant, doch mit unserem
Universum hat das zunächst noch nichts zu tun. Wir leben nämlich definitiv nicht
in einem Anti-de-Sitter-Raum. Solche Räume haben sehr merkwürdige Eigenschaften.
Sie sind negativ gekrümmt, Objekte, die man auf gerader Linie wegwirft, kommen
wieder zurück. "Unser Universum hingegen ist ziemlich flach - und auf
astronomischen Distanzen betrachtet ist es positiv gekrümmt", so Grumiller.
Grumiller vermutete allerdings schon vor einigen Jahren, dass ein
Korrespondenzprinzip auch für unser reales Universum gelten könnte. Um das
herauszufinden, muss man Gravitationstheorien konstruieren, die keine exotischen
Anti-de-Sitter-Räume brauchen, sondern in gewöhnlichen flachen Räumen zu Hause
sind.
Daran wird seit etwa drei Jahren in einer internationalen Kooperation von der
Universität Edinburgh, Harvard, IISER Pune, dem MIT, der Universität Kyoto und
der TU Wien gearbeitet. Nun veröffentlichte Grumiller mit Kollegen aus Indien
und Japan einen Artikel im Journal Physical Review Letters, in dem die
Korrespondenz-Vermutung in einem flachen Universum bestätigt wird.
"Wenn die Quantengravitation im flachen Raum eine holographische Beschreibung
durch eine gewöhnliche Quantentheorie zulässt, dann muss man physikalische
Größen in beiden Theorien berechnen können, und die Ergebnisse müssen
übereinstimmen", erklärt Grumiller. Insbesondere muss sich eine
Schlüsseleigenschaft der Quantenmechanik - die Quantenverschränkung - auch auf
der Seite der Gravitationstheorie finden.
Wenn Quantenteilchen verschränkt sind, lassen sie sich mathematisch nicht
getrennt beschreiben - sie bilden quantenphysikalisch betrachtet ein gemeinsames
Objekt, auch wenn sie weit voneinander entfernt sind. Ein Maß für die
quantenmechanische Verschränkung ist die sogenannte "Verschränkungsentopie".
Gemeinsam mit Arjun Bagchi, Rudranil Basu und Max Riegler konnte Daniel
Grumiller zeigen, dass man für diese Verschränkungsentropie in einer flachen
Quantengravitationstheorie und in einer niedrigdimensionalen Quantenfeldtheorie
tatsächlich denselben Wert erhält. "Diese Rechnung bestätigt unsere Vermutung,
dass das holographische Prinzip auch in flachen Raumzeiten realisiert sein kann.
Es ist somit ein Hinweis für die Gültigkeit dieses Prinzips in unserem
Universum." erklärt Riegler.
"Allein die Tatsache, dass wir auf der Gravitationsseite über
Quanteninformationsbegriffe wie Verschränkungsentropie reden können ist
verblüffend und war vor einigen Jahren noch schwer vorstellbar. Dass wir sie nun
sogar als Werkzeug verwenden können um die Gültigkeit des holographischen
Prinzips zu testen - und das dieser Test auch funktioniert hat – ist wirklich
bemerkenswert", so Grumiller.
Mit den jetzt vorgestellten Ergebnissen sei, so die Wissenschaftler,
natürlich noch nicht bewiesen, dass wir tatsächlich auf einem Hologramm leben -
doch sähe es so aus, dass sich die Hinweise auf die Gültigkeit des
Korrespondenzprinzips in unserem realen Universum verdichten.
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