Sternkollision sorgte für Nova von 1670
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie astronews.com
24. März 2015
Im Jahr 1670 verfolgten Astronomen, wie am Himmel plötzlich
ein neuer Stern auftauchte, eine sogenannte Nova. Mehr als 300 Jahre lang
rätselte man darüber, was genau zu diesem Aufleuchten geführt hat. Jetzt deuten
neue Beobachtungen darauf hin, dass es sich offenbar nicht um eine gewöhnliche
Nova handelte, sondern um die Kollision von zwei Sternen.

Das Bild zeigt
die Überreste des im Jahr 1670 beobachteten
"neuen Sterns" in verschiedenen
Wellenlängenbereichen.
Bild: ESO / T. Kamiński [Großansicht] |
Einige der größten Astronomen der Geschichte, darunter Cassini und Hevelius,
der Vater der Kartographie des Mondes, haben sorgfältige Aufzeichnungen der
Erscheinung eines neuen Sterns am Himmel im Jahr 1670 hinterlassen. Hevelius
beschrieb seine Beobachtung als "Nova sub capite Cygni" – also einen neuen Stern
unter dem Kopf des Schwans.
Die heutigen Astronomen kennen das Objekt unter dem Namen Nova Vul 1670. Es
liegt nämlich innerhalb der Grenzen des modernen Sternbilds Vulpecula
(Füchschen) nahe der Grenze zum Sternbild Schwan und wird auch unter der
Bezeichnung CK Vulpeculae als Stern mit veränderlicher Helligkeit klassifiziert.
Historische Aufzeichnungen von Nova-Ausbrüchen sind selten und für die
moderne Astronomie von großem Interesse. "Das Objekt galt für viele Jahre als
Nova, aber je länger es untersucht wurde, desto weniger sah es nach einer
gewöhnlichen Nova oder irgendeiner anderen Art von explodierendem Stern aus",
erklärt Tomasz Kamiński von der europäischen Südsternwarte ESO, der zuvor am
Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn geforscht hat.
Bei den ersten Beobachtungen im Jahr 1670 war die Nova Vul 1670 leicht mit
bloßem Auge am Himmel sichtbar, mit starken Helligkeitsschwankungen im Lauf der
nächsten beiden Jahre. Danach verschwand das Objekt, erschien zweimal wieder am
Himmel, bevor es endgültig für das bloße Auge unsichtbar wurde. Obwohl die
Aufzeichnungen das Phänomen für die damalige Zeit überraschend gut
dokumentierten, fehlte auch den besten Astronomen dieser Zeit einfach die
Ausrüstung, um die eigenartigen Eigenschaften dieser scheinbaren Nova erklären
zu können.
Während des 20. Jahrhunderts kamen die Astronomen zu dem Schluss, dass die
meisten Novae als explosive Ausbrüche in engen Doppelsternsystemen erklärt
werden können. Das Verhalten von Nova Vul 1670 passte jedoch nicht zu diesem
Modell und blieb damit ein Rätsel. Auch mit der ständig wachsenden
Empfindlichkeit von astronomischen Teleskopen war es lange Zeit unmöglich,
überhaupt eine Spur dieses Ereignisses an der entsprechenden Stelle am Himmel
nachzuweisen.
Erst in den 1980er Jahren gelang es einem Team von Astronomen, einen
schwachen Nebel in der Umgebung der Ausbruchsstelle zu lokalisieren. Während
diese Beobachtung eine verlockende Verbindung zu dem Ereignis von 1670
darstellt, trug sie doch zunächst wenig bei zur Aufklärung der wahren Natur von
dem, was vor über 300 Jahren am Himmel über Europa zu sehen war.
"Wir haben jetzt das Gebiet in Submillimeter- und Radiowellenlängen
untersucht", berichtet Kamiński. "Und dabei haben wir herausgefunden, dass die
gesamte Umgebung dieses Überrests in ein kühles Gas eingebettet ist, das eine
Vielzahl von Molekülen in ungewöhnlicher chemischer Zusammensetzung enthält."
Dabei wurden neutrale Moleküle, ionisierte Moleküle und sogar das organische
Molekül Formaldehyd nachgewiesen.
Für ihre Beobachtungen nutzten die Wissenschaftler das APEX-Teleskop in Chile
sowie das Submillimeter Array auf Hawaii und das
100-Meter-Radioteleskop Effelsberg. Damit konnten sie die chemische
Zusammensetzung sowie der Häufigkeitsverhältnisse unterschiedlicher Isotope in
dem Gas bestimmen. Beides zusammen ergibt ein sehr detailliertes Bild des
Aufbaus und der chemischen Zusammensetzung dieser Gaswolke, das zeigt, woher das
Material stammt.
Nach Ansicht des Teams ist die Masse des kalten Gases zu groß, um in einem
Nova-Ausbruch entstanden zu sein. Dazu sind auch die im Bereich von Nova Vul
1670 gemessenen Isotopenverhältnisse unterschiedlich zu dem, was man von einer
Nova erwarten würde.
Aber wenn es keine Nova war, was könnte es dann gewesen sein? Die
Wissenschaftler vermuten, dass sie es hier mit den Resten einer Kollision zweier
Sterne zu tun haben, die leuchtkräftiger ausfällt als der Ausbruch einer Nova,
aber weniger leuchtkräftig als eine Supernova. Sie werden als "Red Transients"
bezeichnet.
Es handelt sich dabei um ein sehr seltenes Ereignis, bei dem ein Stern
aufgrund des Zusammenstoßes mit einem weiteren Stern explodiert. Es wird Materie
aus dem Innersten des zerstörten Sterns in die Umgebung hinausgeschleudert und
es verbleibt ein nur schwach leuchtender Überrest, eingebettet in eine kalte
Hülle aus Molekülen und Staub. Diese erst seit kurzem bekannte Art von
explosiven Sternen kann die Beobachtungsergebnisse von Nova Vul 1670 fast
perfekt erklären.
"Diese Art von Entdeckungen macht am meisten Spaß - etwas, das vollkommen
unerwartet kommt", urteilt Karl Menten, der APEX-Projektleiter vom
Max-Planck-Institut für Radioastronomie.
Über ihre Beobachtungen berichteten die Astronomen in der
Wissenschaftszeitschrift Nature.
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