Niederschlag hemmt Galaxienwachstum
von Stefan Deiters astronews.com
5. März 2015
Über die Wechselwirkungen zwischen supermassereichen
Schwarzen Löchern und den diese umgebenden Galaxien rätseln Astronomen schon
seit langem. Jetzt haben Beobachtungen mit dem Röntgenteleskop Chandra Hinweise
darauf geliefert, dass eine Art kosmischer Niederschlag aus kaltem Gas das
Wachstum massereicher Galaxien hemmen kann.

Der Galaxienhaufen Abell 2597 in einer
Ansicht, die aus den Daten verschiedener
Teleskope erstellt wurde. Röntgenstrahlung ist
blau dargestellt. Sie zeigt das heiße Gas in dem
Galaxienhaufen.
Bild: NASA / CXC / Michigan
State Univ / G. Voit et al. (Röntgen); NASA /
STScI & DSS (Optisch); H-Carnegie Obs. / Magellan
/ W. Baade Telescope (H-alpha) [Großansicht]
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In den Zentren praktisch aller Galaxien befindet sich, so die durch viele
Beobachtungen bestätigte Theorie der Astronomen, ein supermassereiches Schwarzes
Loch. Rätselhaft ist den Wissenschaftlern allerdings bis heute, wie genau sich
Galaxie und das zentrale Schwarze Loch beeinflussen, welche Auswirkungen das Objekt
im Zentrum etwa auf das Wachstum der Galaxie, also die Entstehung neuer Sterne
hat.
Mithilfe des Weltraumteleskops Chandra könnten Forscher nun auf ein wichtiges
Puzzleteil gestoßen sein, um dieses Rätsel zu lösen. Sie untersuchten dazu
die Röntgenstrahlung von über 200 Galaxienhaufen, also von gewaltigen
Ansammlungen von Galaxien. Zwischen diesen Galaxien befindet sich heißes Gas,
das hauptsächlich für die energiereiche Strahlung im Röntgenbereich
verantwortlich ist.
Aus diesem Gas können sich manchmal kalte Gaswolken bilden, die dann - als eine Art
kosmischer Niederschlag - in eine Galaxie fallen.
"Wir wissen, dass uns Niederschlag auf unserem Weg zur Arbeit ausbremsen
kann", vergleicht Mark Voit von der Michigan State University in East Lansing.
"Jetzt haben wir Hinweise darauf, dass er auch die Entstehung von Sternen in
Galaxien mit einem supermassereichen Schwarzen Loch hemmen kann." Der entdeckte
Prozess könnte, so die Astronomen, ein Schlüsselelement zum Verständnis des
Wechselspiels zwischen supermassereichen Schwarzen Löchern und den sie
umgebenden Galaxien sein.
"Es ist schon seit einiger Zeit bekannt, dass supermassereiche Schwarze Löcher
das Wachstum ihrer Wirtsgalaxien beeinflussen können", erklärt Megan Donahue,
die auch an der Michigan State University forscht. "Wir wussten allerdings
nicht, wie das im Detail funktioniert. Die neuen Ergebnisse bringen uns der
Lösung ein Stück näher."
Für ihre Untersuchung nahmen sich die Forscher die größten Galaxien in den
Zentren von Galaxienhaufen vor. Sie sind in eine gewaltige Atmosphäre aus heißem
Gas eingebettet, das irgendwann abkühlen sollte, so dass sich daraus große
Mengen an neuen Sternen bilden. Doch dies ist offenbar nicht der Fall:
Irgendetwas behindert die Sternentstehung.
Die Ursache dürfte sich im Zentrum der jeweiligen Galaxien in Form der
supermassereichen Schwarzen Löcher finden: Unter bestimmten Bedingungen können
Gasklumpen in dem heißen Gas ihre Energie abstrahlen und auf diese Weise kalte
Wolken in dem heißen Gas entstehen lassen. In einigen dieser Wolken bilden sich neue Sterne, andere jedoch "regnen"
praktisch auf das Schwarze Loch hinab und sorgen in dessen unmittelbarer
Umgebung für die Entstehung von sogenannten Jets. Dabei handelt es sich um eng
gebündelte Teilchenstrahlen, die mit großer Geschwindigkeit ins All
hinausschießen.
Diese Jets aber treffen auch auf die einfallenden Gaswolken und heizen diese
wieder auf. Damit unterdrücken sie die weitere Bildung von Sternen. Nach
Ansicht der Astronomen entsteht durch diesen Kreislauf aus Abkühlung und
Aufheizung eine Art Rückkopplungsschleife, die das Wachstum der Galaxie
reguliert. "Wir können sagen, dass die typische Wettervorhersage für das Zentrum
einer massereichen Galaxie lauten müsste: Wolkig und eventuell etwas Hitze von
einen riesigen Schwarzen Loch."
Voit und seine Kollegen haben auf Grundlage der Chandra-Daten auch versucht
abzuschätzen, wie lange es für Gas in unterschiedlicher Entfernung vom zentralen
Schwarzen Loch dauern sollte, bis es sich ausreichend abgekühlt hat. Mit diesen Zahlen
waren sie dann in der Lage, das "Wetter" um die jeweiligen Schwarzen Löcher
vorherzusagen.
Sie fanden so heraus, dass die Energie, die aus der unmittelbaren Nähe des
Schwarzen Lochs abgegeben wird, dafür sorgt, dass der Niederschlag aus kalten
Wolken nicht zu groß wird. Die Chandra-Daten deuten darauf hin, dass dieser
Regelungskreislauf schon seit mindestens sieben Milliarden Jahren abläuft.
"Ohne diese Schwarzen Löcher und ihre Jets gäbe es in den zentralen Galaxien
von Galaxienhaufen sehr viel mehr Sterne als wir heute beobachten", fasst
Michael McDonald vom Massachusetts Institute of Technology im amerikanischen Cambridge
zusammen.
Die Astronomen entdeckten auch Galaxien, in denen der Niederschlag aus kaltem
Gas offenbar ganz zum Erliegen gekommen ist. Ursache könnte eine extrem hohe
Temperatur in diesen Galaxien sein, die sich durch die Kollision mit einem
anderen Galaxienhaufen in der Vergangenheit erklären lassen könnte.
In weiteren Untersuchungen wollen die Forscher nun herausfinden, ob die
entdeckte Rückkopplungsschleife auch bei kleineren Galaxien wie etwa unserer
Milchstraße für die Regulierung der Sternentstehungsrate verantwortlich sein
könnte. Über ihre aktuelle Studie berichten die Astronomen jetzt in der
Wissenschaftszeitschrift Nature.
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