Ein Blick durch die Milchstraße
von Stefan Deiters astronews.com
4. Februar 2015
Die europäische Südsternwarte ESO hat heute neue
Beobachtungen des bekannten Trifidnebels vorgestellt. Mithilfe des Visible
and Infrared Survey Telescope for Astronomy nahmen Astronomen die Region im
Infraroten ins Visier und konnten so nicht nur durch den Nebel selbst hindurchschauen,
sondern auch durch den staubigen Zentralbereich unserer Galaxie.

Der Trifidnebel in einer neuen Ansicht auf
Grundlage von Beobachtungen mit VISTA.
Bild: ESO / VVV-Konsortium / D. Minniti [Großansicht]
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Die heute von der europäischen Südsternwarte ESO veröffentlichte Aufnahme
zeigt den bekannten Trifidnebel. Die Ansicht basiert auf Daten, die mit dem
Visible and Infrared Survey Telescope for Astronomy (VISTA) gesammelt wurden und
unterscheidet sich deutlich von der uns vertrauten Ansicht dieser
Sternentstehungsregion. Die Beobachtungen erfolgten nämlich im Infraroten. In
diesem Wellenlängenbereich lässt sich durch Staub, der im sichtbaren Bereich des
Lichts die Sicht behindert, in vielen Fällen hindurchblicken.
Auf diese Weise wurden nicht nur Regionen und ihre Sterne erkennbar, die sich - von der
Erde aus betrachtet - direkt hinter dem Trifidnebel befinden, sondern auch
Bereiche, die ansonsten durch das Zentrum unserer Galaxie verborgen
sind. Denn auch hier gibt es große Mengen an Staub. So entdeckten die Astronomen zwei variable Sterne, sogenannte Cepheiden,
"hinter" dem Milchstraßenzentrum in der galaktischen Scheibe.
Während der auch als Messier 20 bekannte Trifidnebel etwa 5.200 Lichtjahre
von der Erde entfernt ist, befindet sich das Zentrum der Milchstraße in einer
Entfernung von etwa 27.000 Lichtjahren. Beide liegen in der gleichen Region am
Himmel im Sternbild Schütze. Die beiden Cepheiden sind 37.000 Lichtjahre von uns
entfernt.
Cepheiden sind pulsierende Sterne. Sie ändern also regelmäßig ihre Helligkeit.
Diese Sterne haben in der Geschichte der Astronomie eine wichtige Rolle
gespielt. Man erkannte nämlich, dass sich ihre absolute Helligkeit aus ihrer
Pulsationsdauer berechnen lässt. Kennt man aber die absolute Helligkeit eines Sterns, lässt sich seine
Entfernung aus seiner scheinbaren Helligkeit am Himmel einfach ermitteln.
Dank dieser besonderen Eigenschaft der Cepheiden gelangte man in den 1920er
Jahren zu der Erkenntnis, dass das Weltall deutlich größer ist als angenommen
und unsere Milchstraße nur eine von vielen Galaxien im Universum ist.
Die jetzt von der ESO veröffentlichte Aufnahme entstand im Rahmen der
Himmelsdurchmusterung VISTA Variables in the Via Lactea (VVV), bei der der
Zentralbereich der Milchstraße nach bislang unentdeckten Objekten abgesucht
wird. Dabei werden bestimmte Regionen immer wieder anvisiert, um so
Objekte aufzuspüren, deren Helligkeit sich im Verlauf der Zeit verändert.
Die Region des Trifidnebels sieht auf dem neuen Bild ganz anders aus als
sonst: Anstelle eines farbenprächtigen Nebels, der von dunklen Staubwolken
durchzogen ist, erkennt man den eigentlichen Nebel nur noch sehr schemenhaft.
Stattdessen sind unzählige zuvor nicht sichtbare Sterne zu erkennen, die
teilweise jenseits des Zentrums unserer Galaxie liegen und zuvor noch nie
beobachtet wurden.
Darunter befanden sich auch die beiden Cepheiden, die offenbar die hellsten
Mitglieder eines Sternhaufens sind. Die neu entdeckten Cepheiden sind die
bislang einzigen Cepheiden, die man in der Region der galaktischen Scheibe
jenseits des Zentralbereichs der Milchstraße aufspüren konnte. Sie
verändern ihre Helligkeit mit einer Periode von elf Tagen.
Die Ergebnisse der Beobachtungen wurden unlängst in einem Fachartikel
veröffentlicht, der in den Astrophysical Journal Letters erscheinen
wird. Das
Visible and Infrared Survey Telescope for Astronomy ist Teil des Paranal-Observatoriums
der europäischen Südsternwarte ESO in Chile. VISTA ist das größte Teleskop der
Welt, das allein für Himmelsdurchmusterungen entwickelt wurde.
Ein Bild des Trifidnebels im sichtbaren Bereich des Lichts war am
5. Juni 2013 als unser
Bild des Tages zu sehen.
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