Einschlag am Südpol auf dem jungen Mars?
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich astronews.com
29. Januar 2015
Geophysiker haben jetzt ein neues Modell vorgestellt, das
die auffälligen Unterschiede zwischen der Nord- und Südhalbkugel des Mars
erklären soll. Danach schlug kurz nach Entstehung des Roten Planeten ein
mondgroßes Objekt am Südpol ein. Stimmt diese Theorie, dürfte dies jedoch für
die Möglichkeit von Leben auf
dem Mars nichts Gutes bedeuten.

Die Höhenkarte des Mars zeigt die
Unterschiede zwischen den beiden Hemisphären des
Planeten deutlich. Blautöne stehen hier für
tiefgelegene Regionen, rötliche Bereiche für
Hochländer.
Bild: NASA/JPL-Caltech [Großansicht] |
Kein anderer Planet unseres Sonnensystems weist zwei so verschiedene Hälften
auf wie der Mars. Vulkanarme flache Tiefländer prägen die Nordhemisphäre,
ausgedehnte, von unzähligen Vulkanen durchsetzte Hochländer die Südhemisphäre.
Über die Entstehung dieser sogenannten Mars-Dichotomie gibt es zwar Theorien und
Vermutungen, aber kaum definitive Erklärungen. Nun liefern Geophysiker der
Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich um Giovanni Leone einen
neuen Erklärungsansatz.
Mithilfe eines Computermodells sind die Wissenschaftler zur Einsicht gelangt,
dass in der Frühgeschichte des Sonnensystems ein großer Himmelskörper in den
Südpol des Mars eingeschlagen sein muss. Ihre Simulation zeigt, dass dieser
Einschlag so viel Energie erzeugte, dass ein Magma-Ozean entstand, der die
Ausdehnung der heutigen Südhemisphäre hatte. Die Masse des Einschlagkörpers musste
mindestens ein Zehntel der Marsmasse betragen haben. Das flüssige Gestein
erstarrte schließlich zum bergigen Hochland, aus dem die heutige Südhalbkugel
des Mars besteht.
In ihrer Simulation gingen die Wissenschaftler davon aus, dass der
Himmelskörper mehrheitlich aus Eisen bestand, einen Radius von mindestens 1.600
Kilometern hatte und mit fünf Kilometern pro Sekunde auf den Mars prallte.
Zeitpunkt des Geschehens: Rund vier bis 15 Millionen Jahre nach der Entstehung
des Roten Planeten. Die Marskruste muss damals nur sehr dünn gewesen sein, wie
die harte karamellisierte Oberfläche einer Crème brûlée. Darunter verbarg sich
wie beim beliebten Dessert ein flüssiges Inneres.
Der Einschlagkörper fügte dem Mars nicht nur mehr Masse, vor allem Eisen,
hinzu. Er setzte auch starke vulkanische Aktivitäten in Gang, die gemäß der
Simulation bis vor rund 3,5 Milliarden Jahren anhielten. Vor allem rund um den
Äquator entstanden als Folge des Einschlags zahlreiche sogenannte Mantel-Plumes,
die zum Südpol hin wanderten und sich dort vereinigten. Mantel-Plumes sind
Magmasäulen, die flüssiges Material vom Mantel zur Oberfläche transportieren. Im
Modell der Forscher kommt der Mars vor 3,5 Milliarden Jahren zur Ruhe. Danach
gab es auf dem Roten Planeten weder Vulkanismus noch ein Magnetfeld - was mit
Beobachtungen und Messungen übereinstimmt.
Frühere Theorien besagten das Gegenteil: Danach musste es einen gigantischen
Einschlag oder mehrere kleinere Treffer auf der Nordhalbkugel des Planeten
gegeben haben. Die wichtigste Theorie über die Entstehung der Mars-Dichotomie
formulierten zwei amerikanische Forscher 1984 in einem Artikel der
Fachzeitschrift Nature. Sie gingen davon aus, dass ein großer
Himmelskörper am Nordpol auf den Mars prallte. 2008 griff ein anderes Team diese
Ideen wieder auf und veröffentlichte diese erneut in Nature.
Leone war von dieser Theorie nicht überzeugt: "Unsere Szenarien stimmen
besser mit einer Vielzahl von Beobachtungen des Mars überein, als die Theorie
eines Einschlages in der Nordhemisphäre", betont er. Auf dem Mars sind die
Vulkane sehr ungleich verteilt. Auf der Südhemisphäre sind sie häufig und weit
verbreitet, auf der Nordhalbkugel jedoch selten und auf wenige, kleinere Gebiete
beschränkt. "Unser Modell bildet die tatsächliche Verteilung des Vulkanismus
beinahe deckungsgleich ab", betont Leone. Kein anderes Modell habe diese
Verteilung bisher abbilden oder erklären können.
Ihre Simulation sei auch in der Lage, die unterschiedliche Topografie der
beiden Hemisphären realitätsnah wiederzugeben, sagt Leone. So bilde das Modell -
je nach gewählter Zusammensetzung des Einschlagkörpers - Ausdehnung und Form der
Hemisphären nahezu perfekt ab. Voraussetzung dafür ist, dass der aufprallende
Körper 80 Prozent Eisen enthält. Simulieren die Forscher den Aufprall mit einem
Körper aus purem Silikatgestein, so entspricht das Bild der Dichotomie nicht der
Realität.
Schließlich würde das Modell der ETH-Forscher auch den Zeitpunkt bestätigen,
an dem das Magnetfeld des Mars ausgelöscht wurde. Der vom Modell berechnete
Zeitpunkt entspricht den rund 4,1 Milliarden Jahren vor unserer Zeit, die andere
Wissenschaftler bereits zuvor bestimmt hatten.
Das Modell zeige überdies auch den Grund für das Abschalten auf: der steile
Abfall des Wärmeflusses aus dem Kern in den Mantel und die Kruste in den ersten
400 Millionen Jahren nach dem Einschlag. Nach einer Milliarde Jahren betrug der
Wärmefluss noch ein Zehntel des Anfangswertes - zu wenig, um selbst den
Vulkanismus aufrechtzuerhalten. Die Modellrechnungen würden zudem gut mit bisherigen
Berechnungen und mineralogischen Untersuchungen übereinstimmen.
Der Vulkanismus auf dem Mars hing laut Leone mit dem Wärmefluss zusammen. Der
Grad des Vulkanismus könne jedoch in der Simulation variiert werden und werde
von der Stärke des Einschlags beeinflusst. Dieser wiederum hänge mit der Größe
und der Zusammensetzung des Himmelskörpers zusammen. Je grösser dieser ist, desto
stärker ist die vulkanische Aktivität. Nach einer Milliarde Jahren aber sind in
dem Modell die Vulkanschlote erloschen - unabhängig von der Größe des
Einschlages.
Stimmt das Modell, hätte dies für den Mars und die vermutete
Lebensfreundlichkeit in der Urzeit deutliche Konsequenzen: Der Mars dürfte dann nämlich
schon immer ein extrem lebensfeindlicher Planet gewesen sein. Dass auf ihm
jemals Ozeane oder Wasserläufe vorkamen, hält Leone daher für fast unmöglich - im Widerspruch zu den
Schlussfolgerungen anderer Wissenschaftler aus den Daten, die die Marsrover Opportunity und
Curiosity vor Ort gesammelt haben.
Doch Leone ist überzeugt:
"Bevor dieser Planet zum heutigen kalten und trockenen Ort wurde, war er von
großer Hitze und von Vulkanismus geprägt, was allfälliges Wasser hätte
verdunsten lassen und die Entstehung von Leben sehr unwahrscheinlich macht." Über ihr Modell berichten die Wissenschaftler in einem Fachartikel, der in
der Zeitschrift Geophysical Research Letters erschienen ist.
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Mission Mars, die astronews.com-Berichterstattung über die Erforschung des roten Planeten |
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