Ein dunkler Nebel im Sternbild Schlange
von Stefan Deiters astronews.com
8. Januar 2015
Auf den ersten Blick erscheint es so, als hätte die
europäische Südsternwarte ESO ein Loch im Weltraum fotografiert: In einer Region
mit unzähligen Sternen findet sich ein Bereich, in dem praktisch nichts zu sehen
ist. Tatsächlich verdeckt hier ein dunkler Nebel den Blick auf die Sterne im
Hintergrund. In seinem Inneren entstehen neue Sonnen.
Blick auf Lynds Dark Nebula 483 im Sternbild
Schlange.
Bild: ESO [Großansicht]
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Es sieht wie ein Loch im Weltraum aus, was auf einer gestern von der
europäischen Südsternwarte ESO veröffentlichten Aufnahme zu sehen ist: Mitten in
einem Bereich mit unzähligen Sternen findet sich plötzlich eine dunkle Region.
Tatsächlich aber gibt es hier nicht etwa ein Loch, sondern eine dichte Molekülwolke.
Die Astronomen nennen sie Lynds Dark Nebula 483, kurz LDN 483.
Die Wolke befindet sich etwa 700 Lichtjahre von der Erde entfernt im
Sternbild Schlange und enthält so viel Material, dass der Blick auf die Sterne
dahinter im sichtbaren Bereich des Lichtes nicht mehr möglich ist. Wer nun
allerdings glaubt, dass sich in diesem dunklen Bereich keinerlei Sterne
befinden, liegt falsch: Molekülwolken wie LDN 483 gelten als Brutstätten für
neue Sterne.
Beobachtungen in anderen Wellenlängenbereichen erlauben es, ins Innere
solcher Wolken zu blicken. Und tatsächlich haben Astronomen in LDN 483 einige
der jüngsten beobachtbaren Babysterne aufgespürt. Es handelt sich dabei noch
nicht um voll ausgebildete Sonnen, sondern um ganz junge Protosterne, die noch
von dem Material umgeben sind, aus dem sie sich noch immer bilden.
In der ersten Phase seiner Entstehung ist ein werdender Stern nichts weiter
als ein Ball aus Gas und Staub, der sich unter dem Einfluss seiner eigenen
Anziehungskraft langsam zusammenzieht. Er ist dabei noch sehr kalt und erreicht
nur Temperaturen von vielleicht minus 250 Grad Celsius. Damit ist er nur in
langen Submillimeter-Wellenlängen zu sehen, wie sie beispielsweise mit dem
Radioteleskopverbund ALMA beobachtet werden können.
Diese frühste Phase in der Entwicklung eines Sterns dauert nur einige Tausend
Jahre. Dann, über einen Zeitraum von einigen Millionen Jahren, wird der
Protostern immer kompakter und heißer und ist so zunächst im fernen Infrarot,
dann im nahen Infrarot und schließlich auch im sichtbaren Bereich des Lichts zu
erkennen. Bei ausreichend hohen Temperaturen können die Fusionsprozesse im
Inneren des Sterns zünden und er beginnt wie eine richtige Sonne zu leuchten.
Wenn immer mehr Sterne im Inneren von LDN 483 diese Phase erreichen, wird der
Nebel durch die stellaren Winde und die Strahlung immer dünner werden und
schließlich den Blick auf die Sterne im Hintergrund freigeben. Das "Loch im
Weltraum" ist dann verschwunden und es leuchten an dessen Stelle neue Sonnen.
Die Aufnahme basiert auf Daten, die mit dem Wide Field Imager am
MPG/ESO-2,2-Meter-Teleskop im chilenischen La Silla gewonnen wurden.
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